Was macht einen Vater zu einem feinfühligen Vater?

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Was macht einen Vater zu einem feinfühligen Vater?
Foto: PMU/Zeiler
09 Nov 20:00 2023 von OTS Print This Article

Studie des Instituts für Early Life Care der Paracelsus Universität in Salzburg rückt Väter in den Fokus

Eine Studie des Instituts für Early Life Care der Paracelsus Medizinischen Privatuniversität (PMU) in Salzburg rückt Väter in den Fokus und identifiziert Faktoren, die sie zu feinfühligen Bezugspersonen werden lassen. Das Ergebnis: Gut verarbeitete eigene Bindungserfahrungen sind von Vorteil, aber kein Muss. Wesentlich ist die Fähigkeit zu mentalisieren – und diese kann gezielt erlernt und trainiert werden.

Feinfühligkeit bedeutet, die Signale eines Kindes wahrzunehmen, zu verstehen und angemessen darauf zu reagieren – beispielsweise Anzeichen von Müdigkeit, Wut, Hunger, Freude oder Neugierde. „Aktuelle Forschung zeigt, dass sich eine feinfühlige Erziehung positiv auf die Entwicklung von Kindern auswirkt und liefert erste Hinweise darauf, wie elterliche Feinfühligkeit zustande kommt. Die Ergebnisse beruhen jedoch überwiegend auf Untersuchungen mit Müttern und ihren Babys. Zu Vätern, die eine immer größere Rolle im Leben ihrer Kinder spielen, gibt es bislang kaum Forschung. Daher haben wir im Rahmen einer Studie untersucht, was einen Vater zu einem feinfühligen Vater macht“, erläutert Studienleiterin Antonia Dinzinger, wissenschaftliche Mitarbeiterin und Doktorandin am Institut für Early Life Care der Paracelsus Medizinischen Privatuniversität (PMU) in Salzburg.

Besonders interessiert hat Dinzinger und ihr Team dabei die Bedeutung der Bindungsrepräsentation und der so genannten Mentalisierungsfähigkeit der Väter als Einflussfaktoren auf Feinfühligkeit. „Mentalisieren beschreibt die elterliche Fähigkeit, sowohl über eigene Gedanken, Gefühle, Ziele und Wünsche als auch über die von anderen – beispielsweise des Kindes – nachdenken zu können. Das ermöglicht Eltern, feinfühlig auf die Gefühle und Bedürfnisse ihres Kindes zu reagieren. Mentalisieren lernt man in der Regel bereits während der eigenen Kindheit in der Interaktion mit den Eltern oder weiteren Bezugspersonen“, so die Entwicklungsforscherin. Bindungsrepräsentationen wiederum entstehen aus der Verarbeitung von Erfahrungen aus der eigenen Kindheit mit Eltern oder anderen wichtigen Bezugspersonen.

Im Rahmen der Studie wurden 40 Väter im Alter von 21 bis 52 Jahren und ihr erstes Kind von der Schwangerschaft bis sechs Monate nach der Geburt begleitet. „Zunächst haben wir im letzten Trimester der Schwangerschaft die generelle Mentalisierungsfähigkeit und die Bindungsrepräsentation der Väter erhoben, bei einem zweiten Testzeitpunkt sechs Monate nach der Geburt ihre Mentalisierungsfähigkeit in Bezug auf ihr Kind. Zudem haben wir die Väter beim Spielen mit ihren Babys beobachtet und die Feinfühligkeit in der Vater-Kind-Interaktion gemessen“, so Dinzinger.

Mentalisierungsfähigkeit als Schlüsselfaktor

Dinzinger und ihr Team konnten drei wesentliche Erkenntnisse aus ihren Untersuchungen gewinnen: Väter, die ihre eigenen Bindungserfahrungen sicher repräsentiert haben, gehen feinfühliger mit ihren eigenen Kindern um. Zweitens: Eine höhere väterliche Mentalisierungsfähigkeit steht in Zusammenhang mit einer feinfühligeren Interaktion zwischen Vätern und ihren sechsmonatigen Kindern. Und schließlich: Die Mentalisierungsfähigkeit vermittelt den Zusammenhang zwischen der Bindungsrepräsentation und der Feinfühligkeit des Vaters. „Das bedeutet: die Bindungsrepräsentation des Vaters wirkt sich zwar auf seine Fähigkeit zu mentalisieren aus, allerdings beeinflusst erst die Mentalisierungsfähigkeit an sich, wie feinfühlig ein Vater mit seinem Kind umgeht. Feinfühligkeit von Vätern hängt somit nicht nur von deren eigenen Bindungs- und Beziehungserfahrungen ab, sondern vor allem von ihrer Fähigkeit zu Mentalisieren. Die gute Nachricht: Diese Fähigkeit kann gezielt auch im Erwachsenenalter erlernt und trainiert werden, beispielsweise im Rahmen einer therapeutischen Begleitung bereits während der Schwangerschaft“, so Dinzinger.

Familienberatungsstellen oder Familientherapeut*innen bieten hier entsprechende Angebote. Neben Trainings, die z.B. auch am Institut für Early Life Care (www.pmu.ac.at/early-life-care.html) angeboten werden, können sich Eltern beispielsweise auch an das Netzwerk „Frühe Hilfen Salzburg“ (www.birdi.at) oder an das „Zentrum früher Hilfen Deutschland“ (www.fruehehilfen.de) wenden.

Die Studie „Mentalizing in first-time fathers: reflective functioning as a mediator between attachment representation and sensitivity“ von Antonia Dinzinger (et al.) wurde kürzlich im Fachmagazin „Attachment & Human Development“ online veröffentlicht: https://doi.org/10.1080/14616734.2023.2258354

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Forschungsinstitut für Early Life Care

Das Institut für Early Life Care der Paracelsus Medizinischen Universität (PMU) in Salzburg wurde 2016 gegründet und ist weltweit das erste universitäre Forschungsinstitut mit dem expliziten Auftrag, fundiertes Wissen über biologische, psychologische, soziale, ökologische und spirituelle Aspekte von Schwangerschaft, Geburt und die ersten Lebensjahre zu generieren und so zur Optimierung der Gesundheitsversorgung für Familien während dieser Phasen beizutragen. In den Projekten verbinden sich psychologische Inhalte wie Bindung, Eltern-Kind Interaktion, Emotionsregulation und Mentalisierung mit biologisch/physiologischen Maßen. Das Institut führt sowohl Grundlagen- als auch anwendungsbasierte Projekte durch. Mehr Informationen: www.pmu.ac.at/early-life-care.html


Quelle: OTS



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