Warum das demokratische System der Schweiz so effektiv (und attraktiv) ist

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10 Nov 14:37 2022 von Redaktion International Print This Article

Wenn ein Land in Europa über seine Demokratie laut nachdenkt, dann verweisen Befürworter einer direkten Demokratie unweigerlich auf das große Vorbild Schweiz. Schließlich haben hier die Volksabstimmungen und damit die direkte Teilhabe der Bevölkerung eine große Tradition. Doch Kritiker weisen gerne darauf hin, dass lediglich die Hälfte der Schweizer an den Abstimmungen teilnimmt und ein Großteil der Gesetzesinitiativen nicht von einfachen Bürgern ausgeht.

Doch das schreckt die Fans einer direkten Demokratie nicht ab. Sie betonen, dass die Wahrheit zumutbar ist und ein aufgeklärtes Volk durchaus in der Lage sein kann, auch komplexe Sachverhalte zu verstehen und zu beurteilen. Die Geschichte scheint den Befürwortern rechtzugeben, immerhin ist die Schweiz nach wie vor eines der reichsten Länder der Welt.

Vorbild Schweiz?

Auch in Österreich gibt es viele Befürworter des Schweizer Vorbilds. Sie sehen darin eine gute Möglichkeit, um der vorherrschenden Politik- und Parteienverdrossenheit entgegenzuwirken. Kaum ein Land bietet seinen Bürgern mehr Beteiligungsmöglichkeiten als die Schweiz. Hier kommen die unterschiedlichsten Themen auf die Tagesordnung. Bisher hat sich die Mehrheit der Bevölkerung immer als weise erwiesen, schließlich kann die Schweiz auf einen außerordentlichen Wohlstand verweisen.

Die Bandbreite der Themen ist enorm

So stimmten die Schweizer zuletzt beispielsweise über die Rundfunkgebühren ebenso ab, wie über Kühe mit Hörnern oder die Ausgestaltung des Glücksspielgesetzes. Dieses sah im Entwurf eine Blockierung ausländischer Anbieter zugunsten der lokalen Casinos vor. Diese sollten zukünftig die Möglichkeit erhalten, eigene Online Casinos zu gründen, um die Nachfrage in der Schweiz zu befriedigen. Immerhin gibt es innerhalb der Europäischen Union zahllose Unternehmen, die auf Basis einer gültigen Lizenz ihre Dienste im Netz anbieten.

Wer in der Schweiz nach Alternativen gesucht hat, nutzte zumeist Bewertungsseiten und fand auf Seiten wie auf time2play.com Einschätzungen und Bewertungen zu den jeweiligen Online Casinos. Doch die Bevölkerung stimmte für den restriktiven Gesetzesvorschlag und schottete damit den Markt in der Schweiz auch für die Zukunft ab. Das hängt sicherlich auch damit zusammen, dass die Erträge aus dem Glücksspiel im Land für gemeinnützige Zwecke verwendet werden. Das wollte die Bevölkerung sicherstellen und stimmte dem Gesetz zu.

Kultur des Verhandelns

Das zeigt, dass jeder Gesetzesvorschlag eine breite gesellschaftliche Unterstützung benötigt, um weiterverfolgt zu werden. Dass dies so gut funktioniert, ist umso erstaunlicher, als dass die Schweiz über eine große ethnische, sprachliche und religiöse Vielfalt verfügt. Doch es zeigt auch, dass eine aufgeklärte und mündige Bevölkerung keine Bevormundung benötigt und selbst entscheiden kann, ob ihr alle dafür notwendigen Informationen zur Verfügung stehen.

Das ist auch auf eine politische Kultur des Verhandelns zurückzuführen, die am Ende immer einen Kompromiss sucht. Am Ende jeder Diskussion muss ein Konsens gefunden werden, die Entscheidungen des Volkes sind für die Politik bindend.

Grundsätzlich haben die Kantone mehr Mitspracherecht als die Bundesländer in Österreich. Abweichende Positionen und die Interessen von Minderheiten werden oft schon außerparlamentarisch berücksichtigt, bevor es daran geht, Gesetze zu entwerfen. Um eine möglichst breite Einbindung der Bürger zu erreichen, greift das Schweizer Modell der Demokratie auf verschiedene Instrumente zurück.

Referendum oder Volksinitiative

Bei einem Referendum arbeiten zunächst Regierung und Parlament einen Beschluss aus und legen ihn der Bevölkerung zur Abstimmung vor. Diese hat einen Veto-Charakter, daher versucht man schon im Vorfeld die Zustimmung breiter Bevölkerungsschichten zu erreichen. Ein Referendum steht also am Ende eines Prozesses.

Ganz anders sieht es bei Volksinitiativen aus. Diese werden von den Bürgern in Gang gesetzt und sollen die Schaffung eines Gesetzes erreichen. Geht die Abstimmung zugunsten der Initiative aus, muss diese in ein Gesetz gegossen werden. Die Schweiz setzt daher im Gegensatz zu Österreich nicht auf eine repräsentative, sondern auf eine direkte Demokratie.

Hohe Zufriedenheit mit dem System

In der Praxis zeigt sich, dass die Mehrheit der Referenden angenommen wird. Das bedeutet, dass Regierung und Parlament schon im Vorfeld gute Arbeit geleistet und einen mehrheitsfähigen Kompromiss gefunden haben. Die Bevölkerung befürwortet die Möglichkeit der Teilhabe am demokratischen Prozess. Obwohl im Durchschnitt nur 45 Prozent der Bürger an den Abstimmungen teilnehmen, geben sie in Befragungen doch an, dass sie mit der Form der Demokratie in der Schweiz zufrieden sind. Diese Werte liegen über jenen in anderen Ländern mit einer repräsentativen Demokratie.

In den letzten Jahren haben die Abstimmungen stark zugenommen. Den Rekordwert in der Beteiligung hält jedoch eine Grundsatzentscheidung aus dem Jahr 1992. Damals stimmte die Schweiz über einen Beitritt zur Europäischen Union ab und lehnte dies knapp ab. Das beweist, dass grundsätzliche Fragen zur Ausrichtung der Demokratie in der Schweiz auch die Massen mobilisieren können.

Gefahren dieses Systems sehen Kritiker im Missbrauch durch Populisten. Davor ist auch die Schweiz nicht gefeit. Doch bisher hat sich das System einer verstärkten Teilhabe der Bevölkerung bewährt. Das liegt an einem Rahmen, der auf Konsens ausgerichtet ist. Ob sich diese lange Tradition einfach auf andere Länder übertragen lässt, bleibt jedoch zweifelhaft.




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