Wien: Wohnungslosigkeit - Junge Erwachsene besonders gefährdet

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Wohnungslosigkeit: Junge Erwachsene besonders gefährdet
Foto: Heilsarmee Österreich
10 Sep 03:00 2021 von OTS Print This Article

Volljährig und kein Dach über dem Kopf

Wien (OTS) - Laut Statistik Austria sind 22.000 Menschen in Österreich als obdach- oder wohnungslos registriert (Stand 2019). Über die Hälfte der Betroffenen lebt allein in Wien. Junge Menschen im Alter zwischen 18 und 30 Jahren sind besonders von Obdachlosigkeit bedroht. Die Heilsarmee Österreich hilft beim Start in die neue Unabhängigkeit.

Gut ein Drittel aller in Wien von Wohnungslosigkeit betroffenen Menschen sind junge Erwachsene im Alter zwischen 18 und 30 Jahren. Die Gründe dafür sind vielfältig. Was die meisten jedoch eint, ist der fehlende Rückhalt durch das Elternhaus sowie ein gesundes soziales System, das sie in Krisen auffängt. Hinzu kommt der oft schwierige Übergang von Schule und Ausbildung zum Beruf, der bei vielen große Verunsicherung und Orientierungslosigkeit zur Folge hat. «Kein junger Mensch sollte aufgrund seiner neuerworbenen Unabhängigkeit auf der Straße landen müssen, nur weil er gerade volljährig geworden ist», lautet der Appell von Major Gerhard Wyss, Geschäftsführer der Heilsarmee Österreich.

«22.000 Menschen sind in Österreich als obdach- oder wohnungslos registriert», zitiert Diakonie-Sozialexperte Martin Schenk die aktuell verfügbaren Daten. «Junge Menschen im Alter zwischen 18 und 30 Jahren sind besonders von Obdachlosigkeit bedroht.»

In der Welt der Erwachsenen ankommen

Wie und wann muss ich meine Fixkosten zahlen? Was muss ich alles beachten, wenn ich eine Wohnung habe? Wohin wende ich mich mit welchem Problem? Alles Fragen, auf die junge Menschen noch keine Antwort haben, weil sie die sozialen Unterstützungssysteme nicht so gut kennen und in vielen Fällen auch noch nicht die Fähigkeiten erlernt haben, eigenständig zu wohnen. Da sie ab dem Zeitpunkt der erlangten Volljährigkeit auf sich allein gestellt sind, ist auch die Gefahr der Obdach- und Wohnungslosigkeit groß, wenn die nötige Unterstützung fehlt.

Die Heilsarmee arbeitet mit jungen Erwachsenen an vielen Themen. «Oft geht es auch einfach darum, ein vertrauensvolles Gegenüber zu sein, mit dem Fragen und Probleme besprochen werden können. Wir geben jungen Erwachsenen Orientierung und unterstützen sie in dieser schwierigen Übergangsphase, die begleitet ist von kleinen und großen Krisen. Wir helfen dabei, in der Welt der Erwachsenen anzukommen", so Lukas Lingens von der Mobilen Wohnbegleitung.

Jede und jeder kann wohnen. Mit der richtigen Unterstützung.

Die Heilsarmee betreut Menschen ab 18 Jahren, die keinen eigenen Wohnsitz haben. Sie bietet Wohnversorgung und Wohnkonzepte, die individuell an die Bedürfnisse der Betroffenen angepasst sind, berät rund um das Thema Wohnungssicherung und hilft bei der Regelung von Schulden. Auch die Bewältigung von Suchtproblemen, Therapie und Zugang zur medizinischen Versorgung psychisch erkrankter Menschen stehen im Fokus. Einige zum Teil sehr junge Wohnungslose, die zur Heilsarmee kommen, weisen eine psychische Vorerkrankung auf und haben eine geringe Selbstwirksamkeit, um schwierige Situationen aus eigener Kraft zu bewältigen. In diesen Fällen ist es wichtig, sie möglichst früh aufzufangen und ihnen Wege aus der Obdach- und Wohnungslosigkeit aufzuzeigen.

Entfall der vier «Jokermonate»

Junge Menschen haben oft noch keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld und sind dadurch auf Mindestsicherung angewiesen. Die volle Mindestsicherung erhalten sie jedoch nur, wenn sie über ein zu geringes Einkommen verfügen oder, wenn sie an einer Schulung teilnehmen. Danach haben unter 25-Jährige vier Monate Zeit, eine passende Arbeit zu finden, ohne Angst zu haben, dass ihnen die Mindestsicherung gekürzt wird. Mit Oktober dieses Jahres soll sich das aber ändern. «Das neue Sozialhilfegesetz sieht eine Kürzung der Mindestsicherung auf 75 Prozent vor, wenn nicht gleich eine neue Arbeitsstelle gefunden oder ein neuer Kurs belegt wird», berichtet Lingens. Die Praxis zeigt aber, oft fehlt es an entsprechenden Kursangeboten und auch der Arbeitsmarkt ist coronabedingt sehr angespannt. Ohne Arbeit oder Schulung müssen unter 25-Jährige mit 712 Euro auskommen und damit eine Wohnung erhalten, Heizung bezahlen, Essen kaufen, das Leben bestreiten. Das stellt junge Erwachsene vor existenzielle Schwierigkeiten und hindert sie am Vorankommen.

Ein Beispiel

Patrick* ist aus einer Startwohnung der Kinder- und Jugendhilfe (MA11) in die Mobile Wohnbegleitung der Heilsarmee gekommen. Der Übergang wurde von der Kinder- und Jugendhilfe super begleitet. Patrick wurde damals über den 18. Geburtstag hinaus noch betreut, mittlerweile geht das in vielen Fällen, wenn es nötig ist. Der junge Mann war in Lehrausbildung, die er nach dem zweiten Anlauf auch abgeschlossen hat. Patrick hat jedoch nicht sofort einen Job gefunden. Er hat sich bemüht, eine Arbeit zu finden, auf die Schnelle hat sich aber nichts ergeben. Mithilfe der 4-Monatsregelung konnte er sich 120 Tage lang mit Jobsuche beschäftigen, ohne Angst zu haben, dass sein Einkommen aus Mindestsicherung gekürzt wird und sich seine Zahlungen nicht ausgehen. Er wurde dann einem Kurs zugewiesen und hat im Anschluss eine Arbeit gefunden. Dank der vier «Jokermonate» war seine Existenz aber nicht bedroht und seine Miet- und Energiezahlungen sind sich ausgegangen. Ohne die wäre es für Patrick sehr eng geworden.

Mehr Informationen unter: heilsarmee.at/

* Name geändert


Quelle: OTS



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