Salzburg: Salzburgs Gletscher werden in 50 Jahren weg sein

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Gerald Valentin vom Landesgeologischer Dienst (Land Salzburg) auf dem Ödenwinkelkees bei der Permafrostforschung
Foto: Land Salzburg
04 Apr 06:00 2024 von Redaktion Salzburg Print This Article

Experten des Landes erforschen Auswirkungen / Berge geraten in Bewegung / Katastrophenfonds wird noch öfter gebraucht

(HP) „Eis und Permafrost halten Felsen und loses Material zusammen. Fallen sie weg, geraten Millionen an Kubikmetern Gestein und Geröll in Bewegung“, so Gerald Valentin vom Landesgeologischen Dienst. Das wird Auswirkungen haben – auf alle Regionen, nicht nur auf das Hochgebirge. Vor allem Hochwasserereignisse häufen sich, was den Katastrophenfonds des Landes fordern wird.

In Salzburgs Bergen spielt es sich salopp gesagt gerade ab. Die Gletscher gehen zurück, der Permafrost taut auf und hat diesen Namen nicht mehr verdient. Die Effekte betreffen uns alle und gehen weit über ein paar Felsstürze hinaus. Die Rahmenbedingungen: Nach dem wärmsten Februar der Messgeschichte folgte der wärmste März, die Rekorde fallen regelmäßig. Und am kommenden Wochenende ist Sommerwetter angesagt – Anfang April.

Valentin: „Klimawandel extrem spürbar.“

„Im Alpenraum und vor allem im Hochgebirge merken wir den Klimawandel extrem. Die rund 90 vermessenen Gletscher in Österreich haben alleine im Jahr 2022 durchschnittlich fast 30 Meter an Länge verloren. Und diese Bilanz wird für 2023 nicht besser ausfallen, fürchte ich. Wir alle haben die Pasterze vor Augen, die rasant abschmilzt und einen riesigen See bildet“, so Gerald Valentin vom Landesgeologischen Dienst.

Schwaiger: „Katastrophenfonds gefordert.“

Der Klimawandel, der Rückzug des Eises und der Niederschlag, der immer weiter hinauf als Regen statt als Schnee fällt, werden zu mehr Hochwasserereignissen führen. „Das haben wir in den vergangenen Jahren schon beobachten müssen. Ein wesentlicher Faktor dabei ist der bewährte und unbürokratische Katastrophenfonds, der bei Unwetterschäden schnell hilft. Im Laufe der Jahre haben sich die Fälle, die wir pro Jahr bearbeiten, verdreifacht. Ich appelliere hier auch an die Eigenverantwortung, die Versicherungen dementsprechend anzupassen und sich nicht ausschließlich auf den Katastrophenfonds zu verlassen“, so Landesrat Josef Schwaiger.

Intensive Forschung

Zwar ist das Verschwinden der Gletscher nicht mehr aufzuhalten, allerdings muss man sich darauf einstellen, um mit den Effekten auf Natur und Mensch leben zu können. Experten rechnen damit, dass in 50 Jahren in Österreich nur noch vereinzelte Gletscherreste vorhanden sein werden. „Wir forschen daher intensiv und fächerübergreifend. Unter anderem werden inzwischen Veränderungen der Geländeoberfläche millimetergenau per Satellit vermessen, damit wir ein Gesamtbild der neuralgischen Stellen erhalten. Spezielle Forschungsfelder befinden sich zum Beispiel beim Ödenwinkelkees oder im Obersulzbachtal im Oberpinzgau“, erklärt Valentin, der hinzufügt: „Je mehr wir wissen, umso eher können wir den Lebensraum schützen.“

Gletscherrückgang deutlich spürbar

Dass sich die Gletscher zurückziehen, wird auf das Leben in Salzburg Auswirkungen haben. „Am ehesten fällt uns die Optik auf. Die gleisend weiße Ästhetik des sommerlichen Firnschnees ist braungefärbten Gletschern gewichen. Die Auswirkungen auf den Wandertourismus sind auch schon erkennbar. Wege mussten gesperrt werden und Schutzhütten klagen über Wassermangel. Im Tal spürt man den Rückgang der Gletscher durch höhere Hochwassergefahr. Eis und Firn waren früher wie Schwämme, die den Starkregen aufgesaugt und langsam abgegeben haben. Jetzt fällt der Regen auf blanken Fels und kommt 1:1 praktisch sofort im Tal an“, so Valentin.

Viel Material wird ins Tal gespült

Dazu komme laut Geologe Valentin, dass sich künftige Sommerniederschläge auf wenige, aber intensive Ereignisse konzentrieren werden und der Niederschlag nicht wie früher in hohen Lagen in Form von Schnee gespeichert wird. „Und nicht zu vergessen: viel loses Gestein bedeutet auch viel Geschiebe, das Richtung Tal gespült wird“, so Valentin.

Neu: Gletscherseen im Fokus

Wo sich das Eis verabschiedet, bleiben oft Gletscherseen übrig. Ein neues Forschungsfeld, dem sich die Geologen und Hydrographen des Landes Salzburg widmen. „Wir zählen in Österreich rund 1.500 Seen im Hochgebirge. 260 von ihnen entstanden nach der kleinen Eiszeit vor 170 Jahren, als sich die Gletscher zurückgezogen und Senken im Vorfeld mit Wasser aufgefüllt haben. Bis zum Jahr 2100 werden es weitere 260 Seen sein. Dieses Thema wird uns also beschäftigen. Wir untersuchen, ob es durch einen Bruch der Seeschwelle zu schnellen Abflüssen kommen kann und welche Risiken diese bergen“, so Valentin. Keine Seltenheit, denn zum Beispiel 2011 und 2016 brach der See am Goldbergkees am Rauriser Sonnblick aus, allerdings relativ unbemerkt und ohne Schäden anzurichten.

Valentin: „Vom Menschen gemacht.“

Dass sich die Gletscher zurückziehen und Salzburgs Berge damit im wahrsten Sinne des Wortes in Bewegung sind, tut einem Geologen in gewisser Weise auch weh. „Ja, schon. Wir sind ja mitten drin in diesem Klimawandel und wissen, dass es kein Naturereignis ist, sondern von Menschen gemacht. Wir haben es zu verantworten und wir werden auch damit umgehen müssen. Unsere Forschung soll der Gesellschaft bei der Anpassung an die geänderten Verhältnisse helfen“, so Valentin.

Lexikon: Katastrophenfonds

Der Katastrophenfonds wurde eingerichtet, um nach Naturkatastrophen wie Hochwasser, Erdrutsch, Vermurung, Lawine, Erdbeben, Schneedruck, Orkan, Bergsturz oder Hagel rasch finanzielle Hilfe leisten zu können. Rund 7.500 Katastrophenfonds-Fälle wurden alleine in den vergangenen fünf Jahren vom Land bearbeitet. 57,1 Millionen Euro wurden in dieser Zeit an Betroffene als Unterstützungsleistung ausbezahlt. Die Fonds-Richtlinien wurden deshalb per 1. Jänner an die sich verändernden Rahmenbedingungen angepasst. Wichtiger Punkt dabei: Die Anhebung der Eigenversicherungsgrenzen. Wurden vor ein paar Jahren noch durchschnittlich rund 1.000 Schadensfälle pro Jahr an den Katastrophenfonds des Landes gemeldet, stieg die Zahl zuletzt auf rund 3.000 Fälle pro Jahr.


Quelle: Land Salzburg



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