Burgenland: Land bekennt sich zu jüdischem Erbe - Sanierung der Synagoge Kobersdorf im Finale

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Peter Adam vom Bundesdenkmalamt, IKG-Vizepräsidentin Claudia Prutscher und Kulturreferent Landeshauptmann Hans Peter Doskozil
Bildquelle: Landesmedienservice Burgenland
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Peter Adam vom Bundesdenkmalamt, IKG-Vizepräsidentin Claudia Prutscher und Kulturreferent Landeshauptmann Hans Peter Doskozil
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03 Mär 11:00 2022 von Redaktion Salzburg Print This Article

Land bekennt sich zu jüdischem Erbe: Sanierung der Synagoge Kobersdorf im Finale

Mit dem Ankauf der Synagoge Kobersdorf durch das Land im Jahr 2019 wurde ein neues, hoffnungsvolles Kapitel in der wechselvollen Geschichte des symbolträchtigen Gebäudes aufgeschlagen. Nach einer umfassenden Sanierung soll das Haus als Kultur-, Wissenschafts- und Bildungszentrum mit einem Schwerpunkt auf jüdische Kultur und Geschichte dienen und künftig Raum für Vorträge, Konzerte und Symposien bieten. 2020 wurden die Sanierungsarbeiten des denkmalgeschützten Gebäudes gestartet, voraussichtlich am 26. April 2022 soll die Synagoge eröffnet werden. Kulturreferent Landeshauptmann Hans Peter Doskozil machte sich beim gemeinsamen Besuch mit IKG-Vizepräsidentin Claudia Prutscher und Peter Adam vom Bundesdenkmalamt heute, Mittwoch, ein Bild vom Stand der Arbeiten. Mit der Sanierung der Synagoge Kobersdorf – wie auch der Synagoge in Stadtschlaining, die als Museum noch im März eröffnet werden soll – gebe des Land Burgenland ein „umfassendes Bekenntnis zu seinem jüdischen Erbe“ ab, so der Landeshauptmann.

„Es ist dem Land Burgenland ein großes Anliegen, das jüdische Erbe unseres Bundeslandes zu bewahren. Mit dem Erwerb und der Sanierung der Synagoge sichern wir einen wertvollen und von den Nazis zerstörten Teil der burgenländischen Identität und setzen ein sichtbares Zeichen der Wiedergutmachung und einer verantwortungsbewussten Erinnerungskultur“, betonte Landeshauptmann Doskozil. Die Nutzung dieses symbolträchtigen Gebäudes soll zu dieser Kultur der Erinnerung beitragen, das Haus wird daher künftig allen Jüdinnen und Juden aus Österreich, in besonderer Form auch den Überlebenden und den Nachfahren der Shoah, jederzeit offenstehen. Doskozil: „Diese Öffnung ist neben der baulichen Instandsetzung sehr wichtig. Die Synagoge von Kobersdorf ist ein sichtbares Zeichen dafür, dass wir uns unserer jüdischen Wurzeln, der jüdischen Tradition und unserer Verantwortung für die Opfer aus der NS-Zeit bewusst sind.“

Mahnmal oder lebendiges Kultur- und Bildungszentrum?
Beim Kauf der Synagoge durch das Land Burgenland im Jahr 2019 war das Gebäude trotz etlicher Investitionen in desolatem Zustand, zunächst war der Umgang damit ungeklärt. Schließlich fiel die Entscheidung, das symbolträchtige Haus nicht nur als Mahnmal zu belassen, sondern es auszubauen. Beschlossen wurde eine umfassende Sanierung, die alle Erfordernisse einer modernen Veranstaltungsstätte erfüllt, die sich aber gleichzeitig möglichst am Original von 1860 orientiert. Die Synagoge kann nun sehr ursprünglich erhalten bleiben, indem ein neu errichtetes Gebäude, durch das die Synagoge auch betreten wird, die nötige Infrastruktur wie Garderobe, barrierefreie WC-Anlagen, Lüftungs- und Heizungsanlage, Elektroanlage oder auch Sessellager beherbergt. „Die Synagoge ist eines der wenig erhaltenen Zeugnisse jüdischen Lebens im Burgenland. Die bauliche Symbiose zwischen Ursprünglichkeit und Weiterentwicklung zu einer Veranstaltungsstätte ist eine gelungene Lösung. Das Land Burgenland wird die Funktion des Mahnens und Erinnerns im Programm gewährleisten“, verspricht der Landeshauptmann.

Restauratorische Herausforderung
In enger Abstimmung mit dem BDA wurden die Türen restauriert und nicht mehr vorhandenen Fenster und Luster nach alten Vorlagen neu angefertigt. Im Zuge der Malerarbeiten – seit 1938 war die Synagoge komplett weiß gekalkt – wurden Wandbeschriftungen freigelegt und die Wandmalerei um den alten Thorabereich wiederhergestellt. Vollständig saniert und in der Originalfarbe zeigt sich heute auch die Verkleidung der Frauenempore.

Ein „burgenländisches“ Projekt
Bei der Sanierung wurde großer Wert auf die Einbindung burgenländischer Unternehmen gelegt: Die Machbarkeitsstudie wurde von DI Harald Mayer aus Hornstein erstellt, planender Architekt ist Anton Mayerhofer aus Neckenmarkt, Baustellenkoordination und Statik liegen bei Woschitz Engineering. Bis auf drei Firmen, für deren Leistungen es keine regionalen Anbieter gab, waren bei den Bauarbeiten ausschließlich heimische Betriebe tätig. Das barrierefrei gestaltete Objekt fügt sich harmonisch ins Ortsbild ein, für die Besucher der Synagoge, der Schlossspiele und des Sportplatzes wurden neue Parkplätze geschaffen. „Mit der Synagoge als Zentrum wurde ein architektonisch anspruchsvolles und würdevolles Ensemble geschaffen, das der Bevölkerung von Kobersdorf auch als Naherholungsgebiet dienen kann“, erklärt Doskozil.

Wechselvolle Geschichte
Nach dem Brand der alten Synagoge wurde 1860 die neue Synagoge von Kobersdorf errichtet. Mit rund 600 Juden verzeichnete die Gemeinde in dieser Zeit den Höhepunkt der jüdischen Bevölkerung. Ein schlimmes Hochwasser verursachte 1895 bleibende Schäden am Gebäude. Die Synagoge stand damals 1,5 m unter Wasser und wurde in der Folge nur notdürftig saniert. Im März 1938 kam es zur Schändung durch die Nazis und gleichsam zur Übernahme in den Besitz der Ortsgruppenleitung, die es in ein SA-Heim für die umliegenden Gemeinden umfunktionierte. Pläne zur Umgestaltung in eine Busgarage und zum Verkauf an die Wiener Neustädter Stadtwerke und an Mercedes Benz kamen zum Glück nicht zur Umsetzung. Nachdem die Synagoge 1948 an die IKG Wien restituiert worden war, erfolgte 1994 der Verkauf an den Verein zur Erhaltung und kulturellen Nutzung der Synagoge Kobersdorf. 2010 wurde das Gebäude unter Denkmalschutz gestellt. 2019 kaufte schließlich das Land das Objekt. Da die in Funktion befindliche Synagoge 1938 geschändet, innen zerstört und zweckentfremdet wurde, spricht man heute von einer „ehemaligen“ Synagoge bzw. von einem Synagogengebäude.

Betriebskonzept
Die Synagoge ist für höchstens 140 Personen behördlich genehmigt. Sie soll für Bildungs-, Kultur- und wissenschaftliche Projekte mit direktem Bezug zur jüdischen Kultur und Geschichte genutzt werden. „Das Haus ist kein Kulturzentrum im herkömmlichen Sinn. Das Land Burgenland hat sich mit dem Kauf vertraglich dazu verpflichtet, hier nur der Würde und der Tradition des Hauses entsprechende Veranstaltungen stattfinden zu lassen“, erläutert der Landeshauptmann. Die Voraussetzung für jedes Veranstaltungsformat ist ein starker thematischer Bezug zur jüdischen Kultur und Geschichte.

Programmbeirat berät
Ein dazu eingerichteter Beirat berät das Land bei der Programmierung. Ihm gehören Vertreter von burgenländischen Gedenkinitiativen, Bildungs-, Forschungseinrichtungen, der IKG Wien und Vertreter der jüdischen Glaubensgruppe an. Das Jahresprogramm besteht aus Führungen für Schulen und für Erwachsene, aus wissenschaftlichen Vorträgen und Workshops, einem jährlichen internationalem Symposium, aus Lesungen und jüdischen Musikdarbietungen.

Breite Kooperation
Das Land Burgenland ist für die Organisation und Programmierung verantwortlich und kooperiert dazu mit der IKG Wien, dem Österreichischen Jüdischen Museum, den Burgenländischen Volkshochschulen, der Burgenländischen Forschungsgesellschaft, dem Joseph Haydn Konservatorium, dem Verein Refugius, dem Dokumentationszentrum des Österreichischen Widerstandes, dem Verein Misrachi Wien, der Bildungsdirektion Burgenland, den Kultur-Betrieben Burgenland, dem Verein Erinnern.at, der Pädagogischen Hochschule, dem Heimathaus Kobersdorf und der Gemeinde Kobersdorf.

Projektkosten
Mit geschätzten 3,5 Mio. Euro Gesamtkosten konnte der ursprüngliche Kostenplan für die Generalsanierung und die Errichtung des Nebengebäudes als jüdisches Veranstaltungszentrum und der Außenanlagen um eine halbe Mio. Euro unterschritten werden. Für denkmalpflegerische und restauratorische Maßnahmen werden vom BDA voraussichtlich 250.000 Euro zur Verfügung gestellt.


Quelle: Land Burgenland



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