Innsbruck: Frauen an der Krippe

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Geheimnisvolle, schöne, mit dem Holen von Wasser beschäftigte Frauen im orientalischen Kostüm – positioniert am äußersten Rand der von Max Gehri zwischen 1895 und 1905 geschaffenen plastischen Darstellung der Geschehnisse der Heiligen Nacht. Innsbruck, Tiroler Volkskunstmuseum.
Foto: Tiroler Volkskunstmuseum, Innsbruck
23 Dez 20:25 2020 von Redaktion International Print This Article

Die Gottesmutter ist eine zentrale Figur der Tiroler Weihnachtskrippe. Doch wie schaut es dort mit weiteren Akteurinnen aus? Ein Lokalaugenschein im Tiroler Volkskunstmuseum verschafft interessante Einblicke.

von Helmuth Oehler

Männerwelt
Gleich vorweg: Bei einem Rundgang durch die Krippenabteilung im Tiroler Volkskunstmuseum bestätigt sich schnell die Vermutung, dass es männliche Protagonisten sind, die das weihnachtliche Geschehen in Miniatur dominieren. Damit spiegeln sie nicht nur die gesellschaftlichen Bedingungen der Entstehungszeit der jeweiligen Krippe.

„... und sie gebar ihren Sohn“ (Lukas, 2,7).
Natürlich repräsentiert die nach dem „Göttlichen Kind“ wichtigste Figur der Weihnachtskrippe eine Frau: Maria, die Mutter Gottes. Doch sie bleibt manchmal die einzige Frau der Krippe. Wenn es noch weitere Akteurinnen gibt, dann sind diese eher am Rand der Krippenszenerie positioniert.

Maria im Zentrum.
Maria selbst nimmt in den Krippen des Volkskunstmuseums unterschiedliche Körperhaltungen ein, ihre Beziehung zum Gottessohn wird verschieden vermittelt. Nie liegt die Gottesgebärerin lebensnah als Wöchnerin in einer Bettstatt. Allein die Marienfigur der Gehri-Krippe (1895/1905) ruht sich, bequem sitzend, mit gestreckten Beinen aus. Häufig kniet die Muttergottes in Distanz vor dem Jesuskind und betet es an. Damit wird Verehrung, Ehrfurcht, nicht mütterliche Fürsorge ausgedrückt. Die heilige Jungfrau fungiert so als Vorbild für die gläubigen BetrachterInnen. Sitzt der Gottessohn hingegen im Schoß Mariens, wird die Mutter-Kind-Beziehung stärker betont.

Intensivierung – Distanzierung.
Beim radikalen Erneuerer der Tiroler Krippenkunst, Ludwig Penz, „verschmelzen“ um 1900 Mutter und Kind miteinander. Auch eine formale, emotionale Einheit bildet die Heilige Familie (1963) bei Franz Baumann. 1969 betonte Franz Bacher wiederum die Distanz zwischen der tief andächtigen Maria und dem isoliert liegenden Jesusknaben.

„In jener Gegend lagerten Hirten auf freiem Feld“ (Lukas 2,8).
Und „fröhliche“ Hirtinnen besuchen das Heiligen Kind? Sie mischen sich zwar ab der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts unter das Krippenvolk, bleiben aber in der Minderheit. Auch die legendären Helferinnen aus Bethlehem, die das „Göttliche Kind“ gebadet haben sollen, sind in den Museumskrippen nicht auszumachen. Selbstverständlich bevölkern zahlreiche Engel die Krippenlandschaften, aber diese gelten als geschlechtslos.

Frauen-Weihnacht.
Eine formale, inhaltliche, emotionale Ausnahme stellt die von Albert Schmidhofer gestaltete Krippe dar. Dort schwebt das „Göttliche Kind“ in die Welt herab, von Gottvater „in der Höhe“ ausgehend, begleitet vom Erzengel Gabriel der Verkündigung: Die schmerzhafte Geburt bleibt der heiligen Jungfrau erspart. Auffallend beim Krippenvolk: Während das männliche Krippenpersonal teilweise die Flucht ergreift („Sie fürchteten sich sehr“), zum Heiligen tatsächlich „hingezogen“ werden müssen, eilen im Lukasevangelium nicht erwähnte Frauen hin, fürchten sich überhaupt nicht, finden, beten an – scheinen vom Heiligen wahrhaft „angezogen“ zu sein. Und der als spannende „figura serpentinata“ gebildete Nährvater Josef widmet sich dem Kochen am Herd. Um ihn herum fünf Frauen unterschiedlichen Lebensalters: Vom linken Rand eilt eine ältere Frau mit Brotlaib und Krug heran. Vor der noch leeren Liegestatt Jesu betet ein Mädchen und zeigt damit den BetrachterInnen die gewünschte Haltung. Neben ihm kniet eine äußerst bewegt gezeigte Mutter, die ihre kleine Tochter herbeiruft. Dieses Kind mit Puppe „fliegt“ wie von einer Windböe erfasst daher. Die heilige Jungfrau selbst hält ein weißes Textil, über das der Gottessohn ins Irdische gelangen wird.

Frauen holen Wasser.
Auf anderen Krippen des Volkskunstmuseums sind auffallend häufig Frauen an einem Brunnen zu finden. So haben sich in der Gehri-Krippe am rechten Rand drei weibliche Figuren bei einer Wasserstelle eingefunden. Genrehaft arrangiert, lassen die Frauen nicht nur Interesse am orientalischen Kostüm erkennen, sondern thematisieren auch eine schwere Arbeit, die traditionell von Frauen im Rahmen der Haushaltshaltführung erledigt werden musste. Vom zentralen Geschehen der Heiligen Nacht bleiben diese Frauen jedoch unberührt.

Platz für die Gottesmutter.
Bei der Betrachtung der Darstellungen der Geburt Christi kann über die zentrale Botschaft der Weihnacht meditiert werden. Diese betont auch die Bedeutung der Gottesmutter: Denn Maria „gebar ihren Sohn, den Erstgeborenen. Sie wickelte ihn in Windeln und legte ihn in eine Krippe, weil in der Herberge kein Platz für sie war.“

Lese-Tipp:
Maria-Gracia Winkler
Die Frau in der Krippensammlung des Tiroler Volkskunstmuseums.
Zur geschlechtsspezifischen Rollenzuschreibung bei weiblichen Krippenfiguren,
in: Der Krippenfreund, September 2018.


Quelle: Stadt Innsbruck



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