Innsbruck: Corona-Pandemie prägte auch 2021 das Leben von Familien

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Vizebürgermeister Johannes Anzengruber (l.) und der Amtsvorstand der Kinder- und Jugendhilfe, Raphael Hölbling, informierten bei einem Pressegespräch über die Auswirkungen der Corona-Pandemie auf Familien.
Foto: IKM/M. Darmann
07 Apr 08:39 2022 von Redaktion Salzburg Print This Article

Kaum merklicher Rückgang von Gefährdungsmeldungen im Vergleich zu 2020

Die Corona-Krise und die seit Mitte März 2020 verhängten Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie haben sich auch im vergangenen Jahr auf das Leben von Kindern und Jugendlichen sowie deren Eltern ausgewirkt. Darüber hinaus geraten Familien angesichts der in den vergangenen Jahrzehnten gestiegenen Anforderungen durch Veränderungen im Berufsleben und in der Gesellschaft an ihre Grenzen. Bei einem Pressegespräch informierten Vizebürgermeister Ing. Mag. Johannes Anzengruber, BSc und der Amtsvorstand der Kinder- und Jugendhilfe, Mag. Raphael Hölbling, über die im Jahr 2021 eingegangenen Gefährdungsmeldungen und welche Rückschlüsse sich daraus ziehen lassen.

Hilfe bei familiären Problemen

Die Erziehung und Begleitung von Kindern und Jugendlichen ist für Eltern eine der größten Herausforderungen im Leben. Familien können aus unterschiedlichen Gründen in Konflikte geraten. Die Kinder- und Jugendhilfe der Stadt vermittelt und unterstützt fachlich in vielfältiger Weise und versteht sich als Hilfsangebot bei allen Arten familiärer Problemlagen.

„Innerfamiliäre Belastungsfaktoren können zu einem unangemessenen Erziehungsverhalten begünstigen, welches sich in Form eines gewaltgeprägten Erziehungsstils führen“, betont der für Soziales verantwortliche Vizebürgermeister Anzengruber und fügt hinzu: „Auch durch coronabedingte Einschränkungen ist eine deutliche Zunahme von psychosozialen Belastungen und Problemen in Familien zu beobachten. Dies zeigen vor allem die steigenden Fallzahlen in Bezug auf Gefährdungsabklärungen, die im Vorjahr von der Kinder- und Jugendhilfe im Stadtmagistrat gemeldet wurden.“ Gefährdungsmeldungen sind Mitteilungen von Personen oder Organisationen an die zuständige Kinder- und Jugendhilfe über den Verdacht, dass Eltern mit der Versorgung ihres Kindes bzw. ihrer Kinder überfordert sind oder ihr Kind bzw. ihre Kinder vernachlässigen, misshandeln oder missbrauchen.

Zahlen noch immer erhöht

Im vergangenen Jahr verzeichnete die Jahresstatistik 1.188 Gefährdungsmeldungen. Dies bedeutet einen leichten Rückgang um 1,25 Prozent im Vergleich zu 2020 (1.203 Meldungen). Im Vergleich zu 2019 (880 Meldungen), also dem Jahr vor Beginn der Corona-Pandemie, sind die Zahlen aber noch immer deutlich erhöht (35 Prozent). Die meisten Gefährdungsmeldungen im Jahr 2021 wurden von der Polizei (378 Mal) sowie von nicht meldungspflichtigen Personen wie NachbarInnen, anderen Verwandten, FreundInnen, einem Elternteil oder anonymen MelderInnen (256 Mal) sowie von Schulen (124 Mal) eingebracht.

Auffällig dabei ist, dass die Anzahl der „MelderInnen“ im Vergleich zu 2020 im Großen und Ganzen gleich geblieben ist, bei den „nicht meldungspflichtigen Personen“ aber ein Rückgang von 20 Prozent festgestellt werden konnte. „Die Gründe dafür sind nicht wirklich nachvollziehbar“, erklärt Amtsvorstand Raphael Hölbling. „Möglich ist jedoch, dass Verwandte, Nachbarinnen und Nachbarn usw. im ersten Covid-Jahr noch wesentlich sensibler auf etwaige Auffälligkeiten reagiert haben bzw. durch Lockdowns mehr Menschen zuhause geblieben sind als 2021.“ Die Meldungen aus Kindergärten (2021: 16 Mal) sind außerdem auch weiterhin rückläufig (2020: 20 Mal, 2019: 34 Mal).

Vernachlässigung und Gewalt am häufigsten

Die meist genannten Gründe für eine Meldung beim Amt für Kinder- und Jugendhilfe waren Vernachlässigung/Verwahrlosung eines Kindes. Hier stiegen die Zahlen von 51 im Jahr 2020 auf 72 im Jahr 2021, was einer Steigerung von rund 41 Prozent entspricht. Ein Anstieg ist auch bei Meldungen aufgrund von Gewalt feststellbar, hier erhöhte sich die Zahl um 30 Prozent (2020: 100, 2021: 130). Bei Meldungen, welche bei der Abklärung zwar keine erhebliche Gefährdung darstellten, aber einen Unterstützungsbedarf erforderten (318 zu 306), ging die Zahl geringfügig zurück. Zum Verdacht des sexuellen Missbrauchs wurden sieben Meldungen erstattet (2020 waren es zwei) und in der Kategorie „in anderer Weise erheblich gefährdet“ gingen 222 Meldungen (2020 noch 351) Meldungen ein.

„Der Schutz und die Sicherung des Kindeswohls stehen im Zentrum unserer Arbeit“, hebt Hölbling hervor. „Es geht darum, Minderjährige vor körperlicher und psychischer Gewalt, Vernachlässigung, Verwahrlosung sowie sexuellem Missbrauch zu schützen. Jede eingehende Gefährdungsmeldung wird durch fachkundige Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter der Kinder- und Jugendhilfe nach dem Vier-Augen-Prinzip überprüft.“

Häufig muss die Kinder- und Jugendhilfe nur unterstützend in der Erziehung tätig werden. Sollte für die Unversehrtheit des Kindeswohls eine unmittelbare Gefahr drohen, sind jedoch Gefahr-in-Verzug-Maßnahmen einzuleiten. Das bedeutet, dass Minderjährige – zumindest vorübergehend – in einer Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung, bei Pflegefamilien usw. untergebracht werden müssen. 2021 waren 31 Minderjährige von einer solchen Maßnahme betroffen, was einer Steigerung von 55 Prozent gegenüber 2020 bedeutet (20 Gefahr-in-Verzug-Maßnahmen).

Unterschiedliche Ursachen

Die nach wie vor erhöhten Zahlen erlauben einen Rückschluss auf die unterschiedlichen familiären Belastungen und Ängste, die durch die Pandemie noch verschärft wurden. „Die Überforderung der Eltern kann sich dabei auf den Erziehungsstil wie auch auf die angewandten Erziehungsmethoden gegenüber den Kindern auswirken. Durch das Coronavirus sind Familienmitglieder auf engem Raum über einen längeren Zeitraum zusammen. Gerade in solchen Situationen, wenn die Eltern zuhause arbeiten oder Kinder nicht in Betreuungs- und Bildungseinrichtungen gehen bzw. im Home-Schooling unterrichtet werden, kann es vermehrt zu innerfamiliären Konfliktsituationen kommen“, weiß der Amtsleiter der Kinder- und Jugendhilfe.

Vor allem in der jüngeren Vergangenheit haben sich die Bedingungen für häusliche Gewalt wegen der lang andauernden Ausnahmesituation erhöht. Auch weitere Ursachen wie finanzielle Probleme, Arbeitsplatzunsicherheit oder geringer bis gar kein Kontakt mit FreundInnen sowohl bei Kindern als auch Eltern verstärken zu Hause maßgeblich den psychischen Druck. Menschen, die Gewalt anwenden, haben mit überdurchschnittlicher Häufigkeit selbst Gewalt in der Familie erlebt. Dadurch steigt das Risiko, den eigenen Kindern gegenüber gewalttätig zu werden, erheblich an. So kann unter Umständen ein Kreislauf von Gewalt entstehen, der letztlich als Symptom einer belastenden Lebenssituation zu verstehen ist.MD


Quelle: Stadt Innsbruck



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