Regionews-Kaleidoskop: Linz und die dritte Chance

12 Nov 21:47 2012 von Oswald Schwarzl Print This Article

Wie man Kulturhauptstadt werden kann. Ein Blick zurück in die Geschichte

Die Geschichte zeigt, dass der beste Weg zu kultureller Bedeutung einer Stadt über den Herrscher eines Staates führt, der dort seine Residenz errichtet.
Für Linz war dies nur einmal in seiner Geschichte der Fall. Fast jeder Linzer weiß noch, dass es sich dabei um Kaiser Friedrich den Dritten (1415 – 1493) handelt und dass er in Linz auch verstorben ist. Weiteres Wissen ist dann meist schon spärlich, weshalb wir uns etwas näher mit dieser potentiell ersten Chance von Linz auf eine Kulturhauptstadt befassen wollen.

Dazu sehen wir uns einmal an, was Zeitgenossen damals von einer Residenz im günstigen Fall erwarten konnten, und zwar am Beispiel eines Gegners von Friedrich III, dem ungarischen König Matthias Corvinus (1440 – 1490), über den der italienischer Historiker  Bonfini im 15. Jahrhundert berichtet:

Linzer Schloss - mediabox.at

Friedrichs letzte Wohnstätte in der Linzer Altstadt. (Damals noch ohne Erker!) Leitner
„Nach Ankunft der Königin Beatrice siedelte der König in Ungarn Künste an, die früher hier unbekannt gewesen waren, und berief unter großen Kosten bedeutende Künstler an seinen Hof. Er ließ gegen guten Lohn Maler, Bildhauer, Graveure, Zimmerleute, Goldschmiede, Steinmetzen und Baumeister kommen. Ja, er rief sogar Kunstgärtner, Obstzüchter und ausgebildete Landarbeiter an seinen Hof, die Käse auf italienische, französische und sizilianische Weise bereiteten, weiterhin Bläser. Zitherspieler und andere Musikanten. Seine Geschenke lockten Dichter, Redner und Sprachgelehrte an. Mathias liebte und unterstützte alle diese Künste mit bewundernswerter Freigiebigkeit. Die Ungarn aber verurteilten seine große Verschwendung. Der göttliche Fürst hingegen bemühte sich, die Bildung langsam heimisch zu machen; den Adel eiferte er an, kultiviert zu leben.“
Dem wollen wir nun gegenüberstellen, was eine ebenfalls italienische diplomatische Mission im Juli 1492 von einem Besuch in der Linzer Residenz Friedrichs III. zu berichten wusste:

Linzer Hauptplatz -mediabox.at
„Linz ist eine kleine Stadt, die nur wenig über den großen, in Ihrer Mitte gelegenen Platz hinausreicht und vornehme Häuser sowie größere Geschäfte vermissen lässt. Die Residenz des Kaisers befindet sich seit 1483 in einem oberhalb der Donau gelegenen Schloss, welches durchwegs aus Holz erbaut ist und dessen Dächer, in der Art, wie es bei uns in Italien auf dem Lande üblich ist, mit hölzernen Schindeln gedeckt sind. Im Audienzsaal erblickten wir zum ersten Mal den Monarchen, der auf einem goldgemusterten Ledersessel saß und über sein krankes Bein eine durchwirkte Decke gelegt hatte. Der Kaiser wirkte schon sehr betagt, sprach wenig, da ihn, wie wir alle vermuteten, längere Reden und Ansprachen zu sehr ermüden. Am 6. Juli besuchten die Gäste ein ihnen zu Ehren abgehaltenes Hochamt und besichtigten tagsüber die Umgebung der Stadt. Am 11. Juli veranstaltete die Stadt Linz ein Turnier, dem wir mit großem Interesse beiwohnten.“

Altstadt-Linz - mediabox.atr
Das ist wohl eine sehr ernüchternde Beschreibung, die wenig Hoffnung auf üppigen Wohlstand lässt, der auf die beherbergende Stadt ausgestrahlt hätte. Tatsächlich hatte Friedrich Zeit seines Lebens mit ernsten finanziellen Problemen zu kämpfen. Lassen wir wieder einen Zeitgenossen sprechen und zwar  seinen zeitweiligen Sekretär  Aeneas Silvio Piccolomini (später Papst Pius II), in der von ihm verfassten Ansprache an die Deutschen:

„Obwohl ihr den Kaiser als euren König und Herrn anerkennt, ist seine Herrschaft nicht gesichert. Durch Eure Schuld ist er machtlos, denn ihr gehorcht ihm nur wenn euer Sinn danach steht. Außerdem fließen ihm keinerlei Einkünfte zu, denn weder die Fürsten, noch die Stände geben ihm das, was ihm zusteht. So kommt es, dass ihr von ständiger Kriegsgefahr und Feindseligkeit bedroht seid und Mord, Brandstiftungen sowie weitere tausend Übel erleben müsst, die alle auf seinen Autoritätsmangel zurückzuführen sind, der durch Euer Verschulden entstanden ist.“

Nibellungenbrücke Linz - mediabox
Friedrich III. war die Kaiserkrone nicht in die Wiege gelegt worden, da nach Brauch und Recht nicht seine Leopoldinische Linie, sondern die über den älteren Albrecht III. (1349 – 1395) entstandene, so genannte Albertinische Linie die Führung im Haus Habsburg innehatte. Für Friedrich blieb immerhin die Würde eines steirischen Herzogs, der seinen Sitz im damals steirischen Wiener Neustadt und in Graz  hatte.

Als jedoch Albrecht V. (1397 – 1439) starb, der deutscher König sowie König von Ungarn und Böhmen gewesen war und ein Sohn und Erbe erst 1440 als Ladislaus Postumus zur Welt kam, wurde Friedrich gegen alle Widerstände sein Vormund. Er wurde auch im gleichen Jahr zum deutschen König gewählt, 1452 erfolgte die feierliche Kaiserkrönung in Rom und die Heirat mit Eleonore von Portugal.

Alter Linzer Dom - mediabox.at
In Italien wurde er beim Brautzug als Bettelkaiser verlacht, doch Reformen im Reich und mehr Geld für ein Heer konnte er nicht durchsetzen. Auch die Niederösterreicher und sein eigener Bruder rebellierten gegen ihn. Die Böhmen und Ungarn verweigerten für ihren Thron eine Nachfolge Friedrichs und alle verlangten die Herausgabe des Erben Ladislaus, wozu er sich schließlich noch 1452 nach Belagerung von Wiener Neustadt  gezwungen sah.

Angesichts der Türkengefahr wurde der ungarische Heerführer Janos Hunyadi 1446 von den Ungarn zum Reichsverweser gewählt. Er stirbt aber 1456 ebenso an der Pest wie 1457 der 17-jährige Ladislaus in Prag.

Der Hunyadi-Sohn Matthias Corvinus (1440 – 1490) wird nun 1458 von den Ungarn zum König ausgerufen, Statthalter Podiebrad in Prag zum böhmischen König. Beide fallen in Österreich ein. Friedrich muss 1463 einen Friedensvertrag schließen und liefert den Ungarn  die Stephanskrone gegen eine hohe Zahlung aus.
Albrecht VI, der eifersüchtige jüngere Bruder Friedrichs, erhält aus dem Erbe Ladislaus´ das Land Ob der Enns, ist unzufrieden und inszeniert einen Aufstand gegen den eigenen Bruder, stirbt jedoch 1463.

1459 wird Friedrichs Sohn Maximilian (1459 – 1519) geboren, eine Tochter Kunigund folgt, aber die Gattin Eleonore stirbt 1467 mit nur 31 Jahren. Friedrichs größte Leistung für das Haus Habsburg war wohl, diesen klugen und tatkräftigen Sohn gezeugt und gut verheiratet zu haben. (Die Fortsetzung dieser Heiratspolitik durch Verbindung der Kinder Maximilians mit den spanischen Königshäusern von Kastilien und Aragon brachten schließlich unter Friedrichs Urenkel Karl V (1500 – 1558) und Ferdinand I (1503 – 1564) die größte Blüte des Reiches.)

Das Friedrichstor am Linzer Schloss - Leitner
Schon ab 1457 hatte sich ein Fürstenbund gegen Friedrich gebildet, bestehend aus Pfalz, Burgund, Bayern Tirol und Böhmen und ausgerechnet Matthias Corvinus hilft ihm militärisch und wird 1470 in Wien als Retter gefeiert. Als jedoch im nächsten Jahr Podiebrad plötzlich stirbt und Friedrich für die Wahl des Polen Wladislaw Jagiello zum böhmischen König ist, bekommt er in Matthias einen Todfeind.

1477 startet der mit knappen fremden Geld finanzierte Brautzug Maximilians, um die versprochene Braut Maria, -Erbin Karl des Kühnen von Burgund - zu ehelichen und um dem Franzosenkönig Ludwig XI zuvorzukommen, nachdem der inzwischen schon schwankend gewordene Brautvater bei Scharmützel um Lothringen fiel. Die auch von der Braut ersehnte Trauung fand am 19.8.1477 in Gent statt. Maximilian sollte seinen dann siebzigjährigen Vater erst wieder 1485 in Aachen anlässlich seiner – Maximilians - bevorstehenden Wahl zum deutschen König treffen. In der Zwischenzeit hatte er völlig auf sich gestellt gelernt, gegen Frankreich, die Fürsten und die Aufrührer im eigenen Land nach dem frühen Tod seiner Gattin 1482 sich zu behaupten, wenn dies auch nicht immer den Vorstellungen seines Vaters entsprach.

Die Details wollen wir übergehen und bleiben bei Friedrich III. Noch 1477 und 1478 dringt Matthias über Hainburg in Österreich ein und verwüstet das Land bis St. Pölten. Der Kaiser weicht zeitweise nach Linz und Gmunden aus. Als Matthias einen entscheidenden Schlag gegen Wien plante, fielen erneut die Türken in Ungarn ein und er musste zunächst unterbrechen. Aber dann 1483 belagert Matthias erneut Wien. Der Kaiser residierte in Graz und Linz. Da er von den Ständen des Reichs nicht unterstützt wurde, konnte er Wien nicht helfen und die ausgehungerte Stadt kapitulierte 1485 vor den Ungarn., Wiener Neustadt ein Jahr später. Nun erreicht die Macht des Matthias Corvinus seine größte Ausdehnung, doch er stirbt im April 1490 in Wien. Maximilian I, der sich schon seit Ende des Vorjahres in Tirol befindet, um dort Ordnung zu machen, kommt nun dem Vater mit einem gewaltigen Heer zu Hilfe, nachdem die Ungarn den Böhmenkönig Wladislaw in Personalunion zu ihrem König wählen, obwohl es einen Erbvertrag mit Habsburg gibt.

Linzer Dom - mediabox.at
Schnell ist Niederösterreich befreit und im Frieden von Pressburg schließen Maximilian und Wladislaw einen gegenseitigen Erbvertrag und Westungarn (Burgenland) wird österreichisch.
Maximilian I. muss aber gleich in einen neuen Kampf ziehen, denn in der Zwischenzeit hat Karl VIII. von Frankreich sich niederländische Provinzen angeeignet und die   Anna von der Bretagne zur Ehe gezwungen, obwohl sie bereits mit dem Witwer Maximilan verlobt war. Im Friedensschluss von Senlis
1493 musste Habsburgs Herrschaft über die Niederlande anerkannt und die Provinzen zurückgegeben werden.

Friedrich, der die Regierungsgeschäfte des Reiches und der österreichischen Länder weitestgehend an Maximilian abgetreten hatte, dachte nicht mehr an einen Ortswechsel und verblieb in Linz. Er zog lediglich in seinem letzten Lebensjahr von der etwas desolaten Burg hinunter in das heute in der Altstadt als Kremsmünstererhaus genannte Gebäude, sich hauptsächlich mit philosophischen, astrologischen und alchemistischen Studien beschäftigend.
Sein Bein machte zunehmend Probleme und musste im Juni 1493 unter dem Knie amputiert werden. Nach schlimmen Wochen mit Wundfieber schien sich der Patient zu erholen, als er plötzlich am 14. August 1493 verstarb. Sein Biograph gab einer Melone die Schuld, die er gerade aß, aber es wird wohl ein Schlaganfall gewesen sein. Nur sein Herz ist in der Linzer Stadtpfarrkirche begraben.

Das war also das Ende von Linz als Residenzstadt und außer Spesen ist für die Linzer aus dieser ersten großen Chance wenig herausgesprungen. In einer Aufzeichnung des Kaisers hieß es nämlich bezeichnend: „Wan ein fürst gelt pedarf so mag er seinen ambtluwtuwn (=Amtsleuten) schiken von ain zum andern und hais (= soll) im ein jeder leichen gelt nach seinem vermugen und das sich dan ein jeder von dem ambt zal, das er inhat.“

Ausschnitt aus der Habsburger Stammtafel
Bis 1499 dauerte dann der Disput mit den Wiener Hofämtern und die damit verbundene Herumrechnerei, wer wem was schuldig sei aus dem Aufenthalt des Kaisers in Linz.

Seine zweite Chance bekam Linz erst Jahrhunderte  später.
Ein Mächtiger hatte Linz für seinen Alterssitz ausersehen und wälzte großartige Pläne. Die Stadt sollte zu einem Verwaltungs- Industrie- und Kulturzentrum mit über 400 000 Einwohnern ausgebaut werden. Eine monumentale Donauuferverbauung sowie eine Prachtstraße mit einer Oper, in welcher der Mäzen seinen Größenwahn mit Wagnerscher Musik füttern wollte. Auch ein einzigartiges Museum war geplant, die Kosten sollten keine Rolle spielen.

Spiegelung der Linzer Altstadt
Das klingt sehr schön, nur  muss man froh sein, dass es nie verwirklicht werden konnte, denn – abgesehen von Stilfragen - es hätte den Sieg der Hitlerdiktatur im 2. Weltkrieg zur Voraussetzung gehabt. So wurden von 1938 bis 1945 nur teile der Pläne für „die Patenstadt des Führers“ verwirklicht: Eine Donaubrücke mit Brückenkopfgebäude, Wohnsiedlungen, kriegswirtschaftlich konzipierte Industrieprojekte im erweiterten Stadtgebiet und für das Museumsprojekt aus ganz Europa zuammengeraubte Kunstobjekte.

So war es also wieder nichts mit der zweiten Chance und statt Promotion gab es Krieg und Zerstörung und die Stadt musste wieder ganz von vorne anfangen.

Die Linzer Bürgermeister haben dann gute Arbeit geleistet. Besonders der nun seit über 20 Jahren im Amt befindliche  Dr. Franz Dobusch tat sein Möglichstes, die eigene Kraft der Stadt als dritte Chance für einen Aufstieg  einzusetzen und war dabei erfolgreich, eine Harmonie zwischen den scheinbaren Gegensätzen Industrie und Kultur zu finden So kann er in im Jahre 2008 mit dem Buch „20 gute Jahre für Linz“ eine schöne Bilanz legen. Dann  ist es ihm noch gelungen, die Möglichkeit zu erhalten, für Linz unter dem Titel „Kulturhauptstadt Europas 2009“ dies einem breiten Kreis und der eigenen Bevölkerung vor Augen zu führen.

Das ist sicher keine leichte Aufgabe. Nur ein Jahr lang glänzen könnte man zwar leicht, wenn mit dem Geld der Steuerzahler fremde Künstler herbeigeholt werden, die wieder Publikum von außen nach deren Geschmack anlocken. Das wäre aber  ohne nachhaltige Wirkung. Das Gebotene sollte also wohl weitgehend im Bestehenden und in der Bevölkerung verankert sein.

Einen landfremden, international tätigen Kulturnomaden mit Konzept und Ausführung  des Vorhabens zu betrauen, birgt wohl die Gefahr in sich, an den Bewohnern und Steuerzahlern vorbei zu arbeiten, denn leicht zum Mittun zu gewinnen sind die älteren   Linzer Bürger mit ihrem nüchternen Erwerbssinn nicht gerade.

Klosterstraße Linz - mediabox.at
Aber wir wollen nicht  unken. Im Großen und Ganzen wurde es gut über die Bühne gebracht, wenn auch die  nachhaltigen Effekte  bescheiden sind. Nur leider hat die Stadt unter ihrem Bürgermeister inzwischen durch leichtfertige Finanzspekulationen, aus denen hunderte Millionen Verluste drohen, eine glänzende Vergangenheit riskiert. Die für die Personalauswahl und Organisation letztlich Verantwortlichen erreichen mit „nix gewusst“ wohl  kein Freibrief. Der Rechtsstreit kann noch lange dauern.
(Autor Leitner)


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