Wien: Theater an der Wien - Generalsanierung schreitet zügig voran

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v.l.n.r.: Stefan-Herheim, Kurt-Gollowitzer, Franz-Patay
Foto: Barbara Nidetzky
08 Sep 15:00 2023 von Redaktion Salzburg Print This Article

Arbeiten auf Hochtouren – Zeitplan hält – Wiedereröffnung im Herbst 2024 Bauwirtschaftliche und bautechnische Herausforderungen erhöhen Kosten

Das Theater an der Wien ist eine von drei großen Spielstätten der Vereinigten Bühnen Wien (VBW), die zur Wien Holding gehören. Es zählt zu den schönsten und traditionsreichsten Bühnen der Stadt. Seit 2006 wird es als innovatives Stagione-Opernhaus mit internationaler Strahlkraft bespielt. Im Frühjahr 2022 fiel der Startschuss zur dringend notwendigen Generalsanierung und Modernisierung. Die umfangreichen und komplizierten Arbeiten erfolgen nach strengen Vorgaben des Denkmalschutzes.

„Wien ist eine der großen Kulturstädte Europas und nicht zuletzt vor diesem Hintergrund bekennen wir uns dazu, in die Zukunft unserer Theater massiv zu investieren. Wir haben das mit dem Ronacher getan und zuletzt mit dem Raimund Theater, das seit 2021 in neuem Glanz erstrahlt. Derzeit ist unser drittes großes Theater an der Reihe. Unser Ziel ist es, das Theater an der Wien als historische Opernbühne für die nächsten Generationen zu erhalten und einen zeitgemäßen, modernen Spielbetrieb auf Dauer sicherzustellen“, so Wien Holding Chef Kurt Gollowitzer.

„Die Bauarbeiten schreiten zügig voran, obwohl das Anfang des 19. Jahrhunderts ursprünglich errichtete Theater laufend neue bautechnische Herausforderungen parat hat und wir auch mit massiv gestiegenen Preisen in der Bauwirtschaft konfrontiert sind. Insgesamt werden die Investitionen in dieses Projekt um etwa ein Drittel steigen. Trotz dieser Herausforderungen liegen wir derzeit im Zeitplan, wir werden das Haus im Herbst 2024 wiedereröffnen. Dieses Projekt ist uns ganz besonders wichtig, denn mit der Erhaltung dieses Kulturdenkmals investieren wir in Werte, deren Vergangenheit und Zukunft uns nicht nur am Herzen liegen, sondern auch weil es sich um eine Investition in die Kultur als Wirtschaftsfaktor handelt“, so Gollowitzer weiter.

Bisher konnten bereits die Rohbauarbeiten, die Feuchtigkeitssanierung, sowie die Einrichtung der Zentralen für die Haus- und Elektrotechnik abgeschlossen werden. Mittlerweile sind rund 92 Prozent aller Leistungen vergeben, darunter die Hauptgewerke für die Baumeisterarbeiten, die technische Gebäudeausrüstung, die Bühnen- und Veranstaltungstechnik sowie der Großteil der Ausbaugewerke.

Rohbau und Fundamente, Feuchtigkeitssanierung und Foyer-Glasdach bereits fertig

Viele der Rohbauarbeiten sind bereits abgeschlossen, so zum Beispiel die Fundamente für den neuen Orchestergraben, der Betonschacht für die Aufzugsanlage im Publikumsbereich sowie die Wände der Aufstockung über dem Garderobentrakt. Dort werden neue haustechnische Anlagen untergebracht. Der Baufortschritt bei den Rohbauarbeiten ist soweit gediehen, dass die dazu notwendige Krananlage mit Anfang September bereits wieder abgebaut werden kann.

Das Glasdach des neuen Foyers im ersten Rang wurde ebenfalls errichtet und gesichert, damit der weitere Ausbau des Foyers samt den Innenverkleidungen erfolgen kann. Die Arbeiten zur Fassaden-, Fenster- und Dachsanierung haben ebenfalls begonnen. Die Fassade im Innenhof ist bereits komplett saniert. Auch die Außenportale bei der neu geplanten Loggia zum Naschmarkt stehen. Die Feuchtigkeitssanierung der unteren Geschosse ist ebenfalls abgeschlossen.

Bei der Haus- und Elektrotechnik wurden der neue Traforaum und der Niederspannungsraum fertiggestellt genauso wie die Lüftungs- und Klimazentralen im Untergeschoss. Künftig wird die Belüftung im Publikumsbereich über ein Leitungssystem im Boden erfolgen. Die Installation der entsprechenden Lüftungsleitungen in den oberen Rängen wird aktuell vorbereitet.

Im Bühnenbereich werden der Drehzylinder sowie die Obermaschinerie saniert. Die Demontagearbeiten im Bereich der Bühne wurden größtenteils abgeschlossen. Die notwendigen Verstärkungen an der Zylinderdrehbühne wurden durchgeführt.

In den kommenden Wochen wird die neue Foyerstiege beim Haupteingang eingebaut. Die Dachdecker finalisieren die Arbeiten am Hinterhaus. Auch die Fassadensanierung in der Millöckergasse sowie die Fenstersanierung werden abgeschlossen.

Mit der Installation der neuen luftführenden Druckböden in den Rängen wird begonnen. Der Einbau der neuen Orchesterpodien und dem dazugehörigen sogenannten hydraulischen Stempel – das ist jener Antrieb, der das Auf- und Abfahren der Podien möglich macht – steht ebenfalls auf dem Plan. Finalisiert werden in den nächsten Wochen die Schnürboden-Sanierung sowie die Fliesen- und Bodenlegearbeiten im Hinter- und Vorderhaus.

Massive bautechnische und bauwirtschaftliche Herausforderungen

Das Theater an der Wien, das sich entlang der Millöckergasse von der Linken Wienzeile bis zur Lehargasse erstreckt, wurde ursprünglich 1800-1801 nach Plänen von Joseph Reymund d. J. und Anton Jäger errichtet. Es handelt sich also um ein über 200 Jahre altes Gebäude, das sich über die Jahrhunderte hinweg vielfach verändert hat – unter anderem in den Jahren 1901 und 1902 bzw. 1960 bis 1962. Der zuletzt gültige bauliche Konsens (Stand der Baubewilligungen gemäß der Wiener Bauordnung) stammt aus den 1960er Jahren. Teile des Theaters wie das soge­nannte „Papagenotor“ an der Millöckergasse stehen unter Denkmalschutz.

Die großen Herausforderungen bei der jetzt laufenden Generalsanierung und Modernisierung liegen also einerseits im Alter des Hauses, andererseits aber auch an der Tatsache, dass hier über die Jahrhunderte viele verschiedene Baumaterialien und Bautechniken zum Einsatz gekommen sind, die oft Schicht an Schicht aneinander oder übereinander liegen. In vielen Fällen sind die Pläne und Dokumentation aus dieser Zeit sehr dürftig oder gar nicht vorhanden. Die damals verwendeten Baumaterialien und die Bausubstanz sind häufig in einem noch schlechteren Zustand als bei den Voruntersuchungen festgestellt. Die Lage im dicht verbauten innerstädtischen Bereich macht die Sache auch nicht einfacher.

Immer wieder hat das Haus für die Bautechniker neue Überraschungen und Herausforderungen parat, die dieses Projekt noch komplizierter, aufwändiger und auch kostenintensiver machen. Einige Beispiele: Im Fundamentbereich wurde bei der Freilegung festgestellt, dass die untersten Teile der tragenden Pfeiler im Bühnenfundament aus Holz oder aus übereinander aufgeschichteten Steinen gefertigt waren. Bei den tragenden Mauerpfeilern wurden häufige Materialwechsel, zum Beispiel zwischen Holz und Ziegel, festgestellt. Ähnlich ist die Situation bei den Fundamenten, deren Mauerwerk sich häufig als sehr inhomogen erwiesen hat oder dessen Verläufe nicht den historischen Plänen entsprachen. Starke und nicht definierbare Wassereinträge aus den Außen- bzw. Zwischenwänden waren im Untergeschoß ein großes Problem.

Bautechnische und bauwirtschaftliche Faktoren erhöhen Kosten um ein Drittel

Vor diesem Hintergrund gestaltet sich das Sanierungskonzept in baulicher, bautechnischer und statischer Hinsicht als aufwändiger und kostenintensiver als geplant. Die Mehrkosten, die mit dem bautechnischen Bereich verbunden sind, belaufen sich auf etwa 11 Millionen Euro. Dazu kommen die aktuell eklatanten Preissteigerungen in der Bauwirtschaft von 15 bis 20 Prozent, von denen alle derzeit laufenden Bauprojekte in Österreich betroffen sind. Diese Preissteigerungen – bedingt durch die konjunkturelle Nachfrage, die Inflation, den Problemen bei den Lieferketten, den Krieg in der Ukraine und die Energiekrise – führen dazu, dass weitere zehn Millionen Euro aufgewendet werden müssen.

Ursprünglich wurde von Gesamtkosten von rund 60 Millionen Euro (Basis: Planung 2021) ausgegangen. Nun wird der finanzielle Aufwand auf etwa 81 Millionen Euro steigen. Die Wien Holding wird den bautechnischen Mehraufwand von elf Millionen Euro tragen und die Stadt Wien wird – vorbehaltlich der Zustimmung des Gemeinderates – zehn Millionen Euro für den bauwirtschaftlichen Mehraufwand zur Verfügung stellen.

„Die umfassenden Preissteigerungen in allen Lebensbereichen trifft uns alle hart. Umso dankbarer bin ich der Stadt Wien und unserer Eigentümerin Wien Holding für ihr Commitment, dieses traditionsreiche, historische Theater erhalten zu wollen und die dringend notwendigen Sanierungsmaßnahmen zu unterstützen. Mit der WIP Wiener Infrastruktur Projekt GmbH im Bauprojektmanagement haben wir eine verlässliche Partnerin, durch die es gelingt, das Theater trotz aller bauwirtschaftlichen und bautechnischen Unvorhersehbarkeiten wie geplant im Herbst 2024 wieder zu eröffnen und unserem treuen Opernpublikum ein zeitgemäßes Theatererlebnis zu bieten“, so Franz Patay, Geschäftsführer der Vereinigten Bühnen Wien.

„Schikaneder, Beethoven, Offenbach, Nestroy, Strauß, Lehár und Marie Geistinger sind nur einige der Geistesgrößen, die am Theater an der Wien wirkten und noch in den alten Mauern dieses einstigen Wiener Vorstadttheaters sitzen. Somit ist der Erhalt dieses Kulturdenkmals eine Investition in Werte, auf welche die freien Künste und die Kunst der Freiheit fundiert sind. Als Intendant des Theater an der Wien brenne ich dafür, hier die Vergangenheit und die Zukunft in der Gegenwart künstlerisch so zu vereinen, dass kein Zweifel über die Bedeutung der Sanierung des Hauses aufkommt“, so Stefan Herheim, Intendant des MusikTheaters an der Wien.

Alles neu: Von Fassade bis zum Vorder- und Hinterhaus, von Bausubstanz bis Haustechnik, vom Foyer über Theatersaal und Bühne bis „Öffnung“ zum Naschmarkt

Im Einzelnen betrifft die Grundsanierung und Modernisierung die folgenden Bereiche des historischen Theaters: Eine Sanierung der Fassadenflächen in Abstimmung mit dem Bundesdenkmalamt sowie Trockenlegungsnahmen werden durchgeführt. Eine dringend notwendige Sicherheits- und brandschutztechnische Sanierung ist nötig. Die Schaffung von Brandabschnitten und die Einrichtung einer Brandmeldeanlage sind vorgesehen. Eine komplette Erneuerung der Elektrotechnik, der Heizungs- und Lüftungsanlage sowie der Kaltwasser- und Warmwasserinstallationen sind projektiert.

Durch die Neuorganisation im Bereich des Hinterhauses soll die Flächennutzung optimiert und bisher nicht genutzte Räume einer zukünftigen Nutzung zugeführt werden. Für Künstler*innen und Mitarbeiter*innen der VBW ist ein Kantinenbetrieb vorgesehen. Die gesamte Veranstaltungstechnik wird saniert und modernisiert, um einen zukunftsorientierten Spielbetrieb zu ermöglichen. Im Bühnenbereich ist die Statik des Schnürbodens komplett ausgereizt und eine Verstärkung der Statik dringend notwendig, um zeitgemäße Inszenierungen möglich zu machen.

Eine umfassende Neuaufteilung und Erweiterung des Foyers sowie die Errichtung einer Aufzugsanlage zur Barrierefreiheit ist vorgesehen. Eine Attraktivierung des Publikumserlebnisses in den Foyers und Pausenräumen soll auch mit der Öffnung des Theaters zum Naschmarkt hin, durch die Errichtung einer Loggia, erreicht werden. Der Theatersaal wird unter Berücksichtigung denkmalschützerischer Aspekte neugestaltet. In der Millöckergasse ist, in Zusammenarbeit mit dem Bezirk, eine verkehrsberuhigte Zone geplant.

Die Akteure bei der Generalsanierung und Modernisierung

Für die Planung und Abwicklung des Bauprojekts zeichnet die ARGE L-Bau-Engineering und Riepl Kaufmann Bammer Architektur verantwortlich. Sie wurde im Zuge eines Vergabeverfahrens der Generalplanungsleistungen, in Abstimmung mit dem Eigentümer, als Bestbieter ermittelt. Die ARGE L-Bau-Engineering/ Riepl Kaufmann Bammer Architektur ist eine Gemeinschaft von Architekt*innen und Ingenieur*innen mit Standorten in Wien und Linz, die bereits über Erfahrung und Kompetenz im Bau von Musiktheatern (Baden-Baden, Salzburger Festspiele, Landestheater Linz) sowie der Sanierung denkmalgeschützter Objekte bzw. von Gebäuden der öffentlichen Hand (Universität für angewandte Kunst, Österreichische Akademie der Wissenschaften) verfügt. Das Bauprojektmanagement verantwortet die WIP Wiener Infrastruktur Projekt GmbH, ein Unternehmen der Wien Holding-Tochter WSE Wiener Standortentwicklung GmbH.

Theater an der Wien: Ein Haus mit langer Tradition

Emanuel Schikaneder, vielseitiges Genie und Librettist der Zauberflöte, ließ das Theater an der Wien im Jahr 1801 im Geiste Mozarts am Wienfluss erbauen. Das Haus wurde nach den Plänen von Joseph Reymund d. J. und Anton Jäger errichtet und erlebte eine Reihe von geschichtsträchtigen Uraufführungen, darunter Beethovens einzige Oper „Fidelio“, Johann Strauß‘ „Fledermaus“ oder Franz Lehárs „Die Lustige Witwe“. Ludwig van Beethoven wohnte von 1803 bis 1804 sogar im Theater an der Wien. 1960 erwarb die Stadt Wien das Theater als Festspielhaus für die Wiener Festwochen, den Klangbogen und diverse Gastspiele. In den 1990er Jahren avancierte es zur Musicalspielstätte mit Uraufführungen und deutschsprachigen Erstaufführungen, unter anderem „Cats“ von Andrew Lloyd Webber. Das Musical „Elisabeth“ von Michael Kunze und Sylvester Levay wurde zu einem jahrelangen Dauerbrenner. Im Rahmen des Wiener Mozartjahres 2006 wurde das Theater an der Wien von Intendant Roland Geyer als Wiens drittes Opernhaus international positioniert. Seit der Saison 2022/2023 ist Stefan Herheim neuer Intendant des Theaters. Gespielt wird nach dem Stagione-Prinzip mit einem Spielplan von Barockopern bis hin zur Moderne.


Quelle: Stadt Wien



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