Regionews-Kaleidoskop: „Aus dämmernden Nächten“

17 Jun 02:07 2012 von Print This Article

Das Buch hatte eine eindrucksvolles Bild am Deckel


Farbdruck mit Prägung, in romantischem Jugendstil, eine schöne Frau mit langem Haar, wie hingegossen in einem Kahn auf einem Teich mit Seerosen; eine Hand hält sie lässig ins Wasser.

 

Der Titel hieß „Aus dämmernden Nächten“ und ich war 15 Jahre alt.

 

Mein Vater hatte das Buch mit einem ganzen Koffer voll anderer antiquarischer Schmöker angeschleppt. Wenn er auch keine Leseratte war wie ich, so hatte er doch von seinem Vater, der Kunsthandwerker und Bildhauer war, eine Offenheit für antike Dinge, Kunst und Bildung mitbekommen.

 

Er selbst war Dreher und Schlosser in der Bundesbahnwerkstätte Linz und die Bahn zahlte fallweise Akkordprämien für schnelle Arbeit, um die Stehzeiten der Loks und Wagen möglichst kurz zu halten. Diese Prämien waren sein Taschengeld, und da er ein tüchtiger Arbeiter war, konnte er oft solche Dinge heimbringen wie eben Bücher, Kupferstiche, sonstiges Antikes   und  seine geliebten Briefmarken.

 

Da lag nun das geheimnisvolle Buch im Haufen der anderen und erweckte in dem eben Pubertierenden unbestimmte erotische Phantasien. Trotz der Neugier beschloss ich, das Beste für den Schluss aufzuheben und fraß mich neben der Schule monatelang durch den Haufen Bücher, der wahllos aus Romanen, Reisebeschreibungen und Sachbüchern bestand. Es wurde Sommer und Ferienzeit, bis es endlich so weit war: Ich begann erwartungsvoll mit den „dämmernden Nächten“.

 

Den Autor habe ich längst vergessen, aber der Inhalt war ein skandinavischer Gesellschaftsroman und die dämmernden Nächte standen für die Mitsommertage des Nordens, wenn statt der Nacht nur eine leichte Dämmerung eintritt.

Das Buch erwies sich als stinklangweilig und ich habe es nicht einmal zu Ende gelesen!

 

Wenn es nicht so abgedroschen wäre, müsste ich jetzt mit der Moral von der Geschichte schließen: Zwischen die Deckel schauen, der Umschlag lockt an, aber der Inhalt macht´s!

 

Aber vergessen wir das, denn schließlich muss jeder seine eignen

Erfahrungen machen.



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