Regionews-Kaleidoskop: Zeit-Kuriosa (Über Datumsgrenzen und Zeitzonen)

15 Mai 21:27 2012 von Oswald Schwarzl Print This Article

„Tand, Tand ist das Gebilde von Menschenhand“

 

 

Sicher haben Sie schon längere Flugreisen in Ost- oder Westrichtung unternommen und sind dabei über die meist lästigen Zeitdifferenzen gestolpert.

 

Um uns auf der Erdoberfläche orientieren zu können, wurde ein gedankliches Netz über die Erdoberfläche gezogen. Die 360 Grad des Erdkreises ergeben durch die 24 Stunden des Tages geteilt 15 Grad für eine Stunde. Am Äquator mit rund 40 000 km Umfang sind dies 1667 km je Stunde. Die Längengrade ziehen sich am Äquator in diesem Abstand und dann immer schmäler werdend zu den Polen und wären im Prinzip je eine Zeitzone von 1 Stunde.

 

Die Breitengrade, Null am Äquator, 90 Grad an den Polen, vervollständigen das Netz.

 

Diese Einteilung ist keineswegs eine Erfindung der neueren Zeit, denn schon Claudius Ptolemäus aus Alexandria verwendete sie um 150 n. Chr. in seinem Kartenwerk über die damals bekannte Welt. Nur der Nullmeridian wechselte im Laufe der Zeit mehrmals. Die heute gültige Regelung mit Greenwich (London) als Null und die zugehörige Datumsgrenze im Pazifik gilt seit 1844.

 

Genau genommen hätte ja jeder Ort seine eigene Zeit, leicht zu ermitteln: Mit dem höchsten Sonnenstand ist es 12 Uhr Mittag.

Das wäre aber für die Kommunikation verwirrend. Aber auch die Zeitstreifen von je 15 Grad für eine Stunde waren nicht passend, so dass man größere Gebiete nach Zweckmäßigkeit zu offiziellen Zeitzonen zusammengefasst hat, in denen die Uhren synchron gestellt werden. Z.B. gilt die MEZ (Mitteleuropäische Zeit) auch in Spanien, obwohl es so weit westlich liegt wie Großbritannien mit seiner WEZ.

 

Die Problematik dieses gedanklich über die Erde gelegten Netzes zeigt folgende Überlegung:

Braucht man am Äquator für die Überquerung des eine geographische Stunde umfassenden Zeitstreifens (15 Grad, gleich 1667 km) mit einem Flugzeug noch an die zwei Stunden, so hätte Hermann Mayer bei seinem kürzlichen Besuch am Südpol (Dez. 2010) dort seinen Skistock als Achse einrammen können und – sich daran haltend- in Sekundenschnelle rund um alle Zeitzonen laufen können und wie Rumpelstilzchen singen:

„Ach wie gut dass niemand weiß, dass ich auf alle Zeiten sch…(pardon) pfeif!“

 

Wenn die Sonne am Äquator also eine Stunde für 1667 km braucht und am Pol bei einem Umkreis von 1 Meter Durchmesser nur 13 cm schafft (DxPi/:24), dann kann man die Frage stellen:

Ist exakt am Pol die Ortszeit unendlich, steht sie still oder ist sie beides zugleich?

 

Ich würde dazu vorschlagen, den terrestrischen, am Erdentag orientierten Zeitbegriff als zu anthropozentrisch beiseite zu legen und stattdessen die an Materie erfolgende Veränderung als deren individuelle „Zeit“ anzusehen.

 

„Panta rhei“- alles ändert sich, fließt-, wussten schon die alten Griechen. Womit man diese individuelle Zeit als Normmaßstab vergleicht, ist Geschmackssache oder man sagt gleich, es gibt keine Zeit, sie ist eine menschliche Erfindung, es gibt nur Veränderungen.

 

Im kosmischen Maßstab gibt es nur zwei absolute Fixpunkte:

Die Lichtgeschwindigkeit, weil eine Veränderung auf noch schneller nicht möglich ist und der absolute Nullpunkt der Temperatur, weil tiefer ist nicht möglich. Wenn ich Produkte tiefkühle, verlangsame ich ihren individuellen Zeitablauf und schon bei minus 270 °C beginnt sich Materie als „Bose-Einstein-Kondensat“ wie ein einziges ausgerichtetes Atom zu verhalten.

 

Mit einem solchen Zeitbegriff ließen sich m.E. die mannigfachen Hypothesen von mathematisch begabten Astrophysikern relativieren, die Zeitreisen in die Vergangenheit und Zukunft für möglich halten, weil mathematisch konstruierbar, obwohl Kurt Gödel ( 1906-1978) bewiesen hat, dass mit den Mitteln eines von Menschen konstruierte Systems dessen Widerspruchsfreiheit nicht zu beweisen ist und darüber hinaus die Hauptsätze der Wärmelehre einmal erfolgte Veränderungen im Energiefluss als irreversibel erkennen.

 

 

Bei Fahrten in Ost- oder Westrichtung begnügt sich der Reisenden im Allgemeinen, sich über die statische Zeitdifferenz zwischen Abfahrts- und Zielort zu erkundigen und ist dann überrascht, dass die Wirkung der Zeitverschiebung bei Hin- und Rückreise nicht gleich ausfällt.

 

Nehmen wir einmal an: Jemand fliegt von Europa vom Ort Y nach Westen zum Ort X. Die Zeitdifferenz soll 6 Stunden betragen, d.h. bei einem Abflug um 6 Uhr früh von Y ist es in X noch Mitternacht. Könnte sich der Reisende wie in Science Fiction- Filmen dort hinbeamen lassen, hätte er somit 6 Stunden gewonnen, denn der Tag, von dem er schon 6 Stunden genützt hat, beginnt für ihn neuerlich von Null weg. Nun beträgt die Flugzeit angenommen aber auch 6 Stunden. Also kommt er um 6 Uhr früh Ortszeit in X an; gewissermaßen hat er die Flugzeit geschenkt bekommen. Sein Aktivtag im Sinne von Helligkeit und Betriebsamkeit ist allerdings um diese 6 Stunden länger, aber ohne störenden nächtlichen Einfluss.

 

Rückflug: Beim Start um 6 Uhr morgens von X in Richtung Ost zurück nach Y ist es dort schon 12 Uhr Mittag und bis der Reisende ankommt, ist es dort 6 Uhr abends. Er hat also erst 6 Stunden seines Aktivtages hinter sich, soll sich aber schon auf die nahende Nacht einstellen. Das klappt nicht und der Mensch kommt aus seinem gewohnten Rhythmus von Tag und Nacht.

 

Zurückkommend zur Datumsgrenze lassen sich auch hier Probleme ausmachen. Wie bei den Zeitzonen läuft auch die vereinbarte Datumsgrenze nicht entlang des Meridians, sondern ist nach nationaler Zweckmäßigkeit willkürlich gezackt.

Die Abbildungen 1 und 2 zeigen die Wirkungsweise des Weltkalenders. Ist es an der Datumsgrenze 24 Uhr, gilt am ganzen Globus Tag 1. (Abb.1).

 

In Abb. 2 ist es 6 Stunden später.

Mit dem neuen Tag gibt es nun zwei Datumsgrenzen, die vorher zusammen fielen: Die natürliche zwischen 24 Uhr und 1 Uhr des Folgetages und die künstliche, von der Uhrzeit unabhängig lokal festgelegt. Nach einer ganzen Umdrehung fallen beide wieder zusammen.


Bilder des Autors

Die Uhrzeit an der Landschaft um die Datumsgrenze bleibt völlig unbeeinflusst davon, ob dieser willkürliche Strich des Zählbeginns dort oder anderswo gezogen würde.

Reist nun jemand z.B. von Samoa über die Datumsgrenze an einem Sonntag nach dem westlich benachbarten Fidschiinseln, so gewinnt er an Tageszeit 1 Stunde ; z.B. es ist statt 6 Uhr erst 5 Uhr, aber 5 Uhr des neuen Tages Montag. Demnach hat er fast einen ganzen Kalendertag verloren

Deshalb wechselte Samoa mit 1.1.2012 die Zeitzone.

 

Betrügerisches Angebot: Übersiedeln Sie mit uns in die Südsee! Nie mehr altern, denn wir bringen Sie jeden Tag zurück über die Datumsgrenze!

(Es ginge aber nur einmal, dann wär´s nur ein Hin- und Her)

 

Jetzt könnten wir auch wieder unser Polspiel probieren: In höheren geographischen Breiten ist es infolge des geringeren Umfangs und der schmäleren echten Zeitzonen (verglichen mit dem Äquator) möglich, schneller Richtung Westen zu gelangen, als die Abnahme an Ortszeit durch die Drehung Richtung Ost beträgt.

Je näher zum Pol, desto schneller geht es rundherum und so könnte man mehrmals in 24 Stunden die Datumsgrenze in Richtung „morgiger Tag“ überschreiten. Kann man dann in die Zukunft gehen oder in umgekehrter Richtung in die Vergangenheit?

Natürlich nicht! Der unzulängliche menschliche Verstand legt gedankliche Raster als Hilfsmittel über schwer durchschaubare Strukturen und hält schließlich seine eigenen Konstrukte für die Realität!


Der Verfasser (in jüngeren Jahren) demonstriert, wie ein Mensch sich gleichzeitig auf der nördlichen und der südlichen Halbkugel befinden kann


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