Regionews-Kaleidoskop: Jung und alt
Die Abstimmung über die Wehrpflicht hat die Debatte über „Jung gegen alt“ neu belebt
Wie entstehen solche Gegensätze überhaupt, da die Bevölkerung sich doch kontinuierlich erneuert und warum neue Ideen dagegen sichr nur nach einem Stau durchsetzen.
Wie oft kann man das hören in Diskussionen von gut meinenden Alten mit Jungen: “Zu meiner Zeit…“ und „nach meiner Erfahrung…“ und die Reaktion der Jugend darauf ist meist in der Richtung: „Aber das war doch eine ganz andere Zeit und im übrigen habe ich jetzt leider keine Zeit für gute Ratschläge“.
Da müssen wir uns doch zunächst wieder einmal näher mit dem Zeitbegriff befassen.
Schon bei den alten Griechen erkannte Heraklit (540-480 Chr.) den steten Wandel der Umwelt als Charakteristikum der Zeit. Panta rhei, alles fließt, hieß sein Grundsatz.
Die Gegenwart baut auf den Änderungen der Vergangenheit auf. Immer sind diese Veränderungen zunächst solche an Materie: Vom Urknall zur Welt von heute, die Änderung der Umwelt unter den Jahreszeiten, die körperlichen Veränderungen der Lebewesen mit ihrem Ablaufdatum.
Aus der Veränderung der Vergangenheit lernt der Mensch für zukünftiges Verhalten. Nicht nur der Mensch, sicherlich auch Tiere. Lernen heißt, Erfahrung – eigene oder fremde- auf eine zukünftige neue Gegenwartssituation anwenden.
Die der Materie oder ihrem Äquivalent „Energie“ innewohnende Eigenschaft zur Veränderung erfordert auch die Anpassung geistiger, gedanklicher Inhalte als Lebenserfahrung.
Es gibt aber auch die Idee, dass es nicht nur ein Universum gibt, sondern ein Multiversum, bestehend aus vielleicht unendlich vielen einzelnen Universen.
Die Evolution vom Urknall bis zum Menschen war nur möglich, weil die Natur in Millionen Schritten von den fast unendlichen Möglichkeiten jeweils jene wählte oder erfand, welche zum heutigen Zustand führte. So entstanden auf höchst komplizierten Wegen in den abbrennenden Sternen genau jene für „Leben“ notwendigen atomaren Bausteine bzw. daraus Wasser. Damit konnten sich dann schließlich aus Einzellern komplexe Wesen mit Sehen, Hören, Immunsystem und Intelligenz entwickeln. „Intelligent Design“ sagt dazu die katholische Kirche. Aber ist das nicht eine zu anthropozentrische Sichtweise?
Die Wissenschaft setzt mehr auf die Ursache „Zufall“. Aber auch wenn man der Evolution Milliarden Jahre Zeit gibt, ist selbst in einem einzigen Universum soviel Zufall mathematisch unwahrscheinlich. Ein Multiversum würde dagegen dem Zufall wieder genügend Raum bieten! Ignoramus, ignorabimus! Wahrscheinlich werden wir die Wirklichkeit nie erfahrenen.
Nach diesen grundsätzlichen Überlegungen kehren wir wieder zu unserer Jugend zurück.
Warum wollen sie nichts von den Erfahrungen der Alten hören?
Mit der Geburt beginnt ein Leben neu und für den jungen Menschen ist alles, das vor seiner Erinnerung liegt, aus einer anderen Welt, aus der er keinen Bezug zum Heute fühlt. Das Weltbild der Jugend formt sich primär aus dem eigenen Erleben und ist damit völlig anders strukturiert als das der älteren Generationen. Alle gut gemeinten Ratschläge können das eigene Erleben nicht ersetzen.
Diese unbelastete Sichtweise kann zwar dazu führen, dass alte Fehler neu gemacht werden, sie trägt aber sicher zu einer raschern und vorurteilsfreien Einstellung auf jüngst geänderte Umstände bei. Kinder haben eine staunenswerte Gabe, geänderte Situationen als Gegebenheit zu akzeptieren.
Bei naturwissenschaftlichen Erfindungen fällt es auf, dass spektakuläre Entdeckungen meist schon in jungen Jahren gemacht werden. Ich war selbst viele Jahre Mitglied der Patentkommission eines chemischen Großbetriebes, welche über Annahme und Bewertung patentfähiger Diensterfindungen zu entscheiden hatte und dabei fiel mir auf, dass wirklich originelle Erfindungen meist von jungen Leuten kamen, denen Routine und Erfahrung noch nicht den Zugang zu ungewöhnlichen und für den Praktiker spielerisch und chancenlos erscheinenden Lösungen verbaut hatte. Vielfach ist es ja in den Naturwissenschaften so, dass eine Problemlösung plötzlich wie ein Blitz aus heiterem Himmel kommt und erst hinterher der logische Weg dazu gesucht wird.
Mathematische Methoden und schrittweises Vorgehen sind ein Hilfsmittel, die Beschränktheit unseres Gehirns zu überwinden, obwohl die Evolution schon enorme Zuwächse an Speicherkapazität gebracht hat. Wird dies so weiter gehen?
Vielleicht! Aber die Gefahr, dass die Erfindung des Computers die eigenen Hirnregionen der kommenden Generationen eher unterbeschäftigt und damit verkümmern lässt, erscheint groß.
Der PISA- Test scheint eine Warnung und bei Quiztesten bricht meist schon bei einfachen mathematischen Aufgaben Panik aus.
Nun zurück zur Frage, wie der Generationenkonflikt überhaupt entstehen kann, da doch kontinuierlich alte Jahrgänge ausscheiden und neue ins Leben treten.
Da die Unterschiede in den Lebenserfahrungen benachbarter Jahrgänge nicht groß sind, hängt es nur von populären Leitideen ab, dass sich Schichten bzw. Gruppen von Jahrgängen mit ähnlicher Einstellung bilden. Von besonderem Interesse scheint uns hier die Gruppe der Generation „40 plus“ zu sein. Sie steht jetzt am Gipfel ihrer Leistungsfähigkeit und hat meist einen befriedigenden sozialen Status erreicht, den sie nun die nächsten zwei Jahrzehnte gegen jeden Aufsteiger verteidigen will.
Hier bedarf es nun einer näheren Erklärung des menschlichen Verhaltens gegenüber Änderungen. Wie wir oben festgestellt haben, ist Leben unweigerlich mit Wechsel verbunden. Eine positive Veränderung wird aber nur kurze Zeit als solche wahrgenommen. Die Ausschüttung von Glückshormonen erschöpft sich rasch und das Ereignis sinkt als nicht mehr besonders beachtenswert in die Basis des Unbewussten ab.
Beispiel: Die schöne Aussicht der neuen Wohnung wird bald nicht mehr wirklich gesehen oder die letzte Gehaltserhöhung ist verdaut und alltäglich geworden.
Dieser Faktor Gewöhnung hat aber auch seine Verdienste bei negativen Ereignissen, diese erträglicher zu machen.
Beispiel: Ein traumatisches negatives Ereignis quält zunächst unaufhörlich in stets wiederholtem geistigen Ablauf, bis eine Gewöhnung an den Gedanken eintritt, dieser in die abrufbare Erinnerung absinkt und wieder frei für neue initiative Handlungen macht. Die Psychologie spricht dann von Problembewältigung.
Die Gewöhnung an das Angenehme ist gleichzeitig mit der Tendenz verbunden, sich diesen Zustand zu bewahren und Risiken nur mehr bei aussichtsreichen weiteren Verbesserungen eingehen zu wollen.
Die Generation „40 plus“ sitzt nun als Betonblock im Weg der Aufsteiger und versucht, alles Neue und fremd erscheinende abzulehnen, um ihre Kompetenz nicht in Frage gestellt zu sehen.
Der Stau im Vorwärtskommen der Nachfolger und längst fällige Reformen können schließlich zu dramatischen, ja revolutionären Sprüngen führen.
Aus den dargestellten Überlegungen ergäben sich Schlüsse und Forderungen in gesellschaftspolitischer Hinsicht an die Staatsführungen. Allein, Politiker denken nur von einer Wahlperiode zur nächsten und leben von der Vergesslichkeit der Wähler und der allzu menschlichen Eigenschaft, so gern das zu glauben, was man sich wünscht! So werden wohl auch in der weiteren Zukunft gesellschaftliche Veränderungen nicht ohne Erschütterungen verlaufen.