Regionews-Kaleidoskop: Immer wieder Krisen?

01 Jul 20:59 2012 von Oswald Schwarzl Print This Article

Etwas über Geld, Zins, Währung und ein Blick in die Kristallkugel


EU. Es  gibt  zahlreiche Stimmen, welche auf die im Grundsatz schon von Marx erkannte Tendenz des Kapitalismus hinweisen, dass „immer weniger immer reicher“ und „immer mehr immer ärmer“ werden, wodurch sich das System letztlich wegen Mangel an kaufkräftigen Konsumenten selbst zerstören kann.


Der einst als Gegenpart geschaffene Kommunismus hat diese Selbstzerstörung  inzwischen wegen  Marktausschaltung, Eigentumsverweigerung und unmenschlicher Diktatur aber auch schon selbst geschafft!

 

Ein Pendeln zwischen Extremen scheint also naturgegeben, wenn man sich nicht international zu akzeptierten, regulierenden Eingriffen entschließt.

 

In diesem Zusammenhang steht auch immer wieder das Zinsproblem zur Diskussion, eigentlich seit es Geld gibt.

 

Geld entstand ja aus der Tauschwirtschaft heraus, indem man den Tauschwert einer Ware in Gewichtseinheiten eines allgemein als wertvoll anerkannten Edelmetalls auszudrücken begann. Die Münze, durch Prägung gewissermaßen mit Garantiezeichen, war dann einfach und universell handhabbar. Noch praktischer schien dann die auf Papier glaubhaft gemachte und allgemein akzeptierte Anweisung auf dieses Geld.

 

Schließlich kam man drauf, die Wirtschaft funktioniert auch mit Papier allein, solange es allgemein akzeptiert wird, was zur Voraussetzung hat, dass die ausgegebene Menge im richtigen Verhältnis zu wirtschaftlichen Leistung einer Volkswirtschaft (BIP- Bruttoinlandprodukt) steht. Geld kann auch durch einfache Kontobuchung entstehen, wenn z.B. die Nationalbank einer Landesbank Ziehungsrechte gewährt.

 

Trotz dieser Fiktion Geld hält jede Notenbank als Währungshüterin einen Teil des Geldumlaufs gedeckt durch Gold- und Devisenbestände -  wohl zur Beruhigung des Volkes.

 

Nun zur Zinsfrage.

Die Bezeichnung Zins für die Überlassung von Kapital entstand im Mittelalter aus dem lateinischen census (= Vermögen) und mindestens ebenso alt ist die Debatte darüber.

Schon Aristoteles (384 – 322 v. Chr.) lehnte Zins für das Verleihen von Geld ab und Thomas von Aquin (1225 -1274), der dieses alte Wissen durchforstete, lehnte ebenfalls für Christen den Zins als unmoralisch ab. Das vom Papst Alexander II 1179 den Juden zugestandene Recht, Geld gegen Zins leihen zu dürfen, wurde 1215 von Papst Innozenz bestätigt und für Christen das „Kanonische Zinsverbot“ erlassen, welches durch das fünfte Laterankonzil 1517 erneuert wurde.

Da Juden von den christlichen Zünften ausgeschlossen waren, blieben Geldgeschäfte für sie eine Alternative und manche wurden reich – und Neid schuf Feinde.

 

Mit zunehmendem Orienthandel nach den Kreuzzügen  kamen auch christliche Händler zu Reichtum und wussten, diesen durch kluge Geschäfte zu mehren. Jakob Fugger (1459 – 1525) z.B. lieh große Summen an Sigismund den Münzreichen und an Kaiser Maximilian I (1493 – 1519) und durfte dafür den Tiroler Silberbergbau betreiben. Für  Papst Julius II (1443 - 1513) finanzierte er die Schweizer Garde, durfte sein Geld prägen und für ihn und seinen Nachfolger Leo X  die Geldmengen aus dem Ablassgeschäft für den Petersdom einsammeln und wechseln. Die käuflichen Sünden führten schließlich zur Reformation  und mit dieser dann zur Bedeutungslosigkeit des Zinsverbots.


Im Islam gilt formal ein Zinsverbot. Es spielt aber zumindest im Geschäftsverkehrt mit „Ungläubigen“ keine praktische Rolle.

 

Ist die Kritik am Zins nun nur eine Glaubensmarotte des Mittelalters? In der heutigen Wirtschaft scheint es selbstverständlich, dass  die Überlassung von Verfügungs-gewalt über Geld für den damit verbundenen Konsumverzicht und das Rückzahlungsrisiko eine Kompensation erfordert.

 

Ein volkswirtschaftliches Argument gegen den Zins gibt es aber doch: Aus Geld wird mit Wissen der Zentralbank wieder Geld (Geld = Anweisung auf Leistung oder Ware), ohne dass damit gewährleistet ist, dass parallel dazu Werte geschaffen werden. Ist dies nicht der Fall, muss diese zusätzliche Geldschöpfung aber einen inflationären Effekt haben.

 

Werden z.B. für 1 Million Euro 5% per anno Zinsen gezahlt, hat sich nach 15 Jahren die Geldmenge auf 2 Millionen verdoppelt (1,05 hoch 15 = 2,1), bei 7% schon nach 10 Jahren.

Wächst eine Volkswirtschaft nicht in gleichem Ausmaß, treten unangenehme Störeffekte wie Krisen oder Inflation auf. Ein solches progressives Wachstum ist jedoch alleine aus Rohstoff-  Energie- und Umweltgründen nicht durchhaltbar.

Ohne Konzession an den Wachstumszwang unseres  Wirtschaftssystems sind  also periodische Krisen zu erwarten.

 

Die Möglichkeit von Eingriffen  einer formal von der jeweiligen Regierung unabhängigen Zentralbank bestehen theoretisch, doch die Praxis zeigt, dass dies kaum ein Hemmschuh für den BIP davonlaufende Geldmengen und dem Schuldenmachen von Regierungen ist.

 

Gegen den Zinseszinseffekt des Geldes haben sich verschiedene  Leute den Kopf zerbrochen was man tun könnte.

 

Silvio Gesell (1862 – 1930), Volkswirt und Finanzminister einer bayrischen Räteregierung 1918, stellte das Problem auf den Kopf und erfand die Idee des Schwundgeldes: Anstatt Zinseszinsen zu zahlen, soll das Geld im Zeitablauf nominell laufend an Wert verlieren, sodass es keinen Anreiz zur Hortung gibt. Auch heute noch gibt es fanatische Verfechter von Varianten dieser Grundidee, welche eigenartiger Weise in Volkswirtschaft dilettierende Techniker zu faszinieren scheint Es lohnt sich aber nicht, näher auf diese, für eine globale Wirtschaft  leider völlig unpraktikablen Vorstellungen einzugehen.

 

Bei heutigen Zinssätzen für Spareinlagen unter der Inflationsrate haben wir praktisch eine Art Schwundgeld, ohne dass dies die Konjunktur belebend wirkt, denn das vorwiegende Problem ist nicht, dass die Massen zu viel sparen, sondern die Haushaltsdefizite der Staatsausgaben. Dieses Geld sammelt sich letztlich bei den Falschen, die damit lieber spekulieren, als produktiv zu investieren, was aber bei dieser Geldmenge aus Markt- und Umweltgründen vernünftig auch gar nicht möglich wäre

 

Rekapitulieren wir zunächst die von USA ausgegangene Krise 2009/ 09:

Auslöser war der Zusammenbruch des US- Immobilienmarktes. Während man den europäischen Banken im so genannten Basel II - Abkommen verschärfte Bestimmungen für die Kreditvergabe aufs Auge gedrückt hatte, forcierten die US-Banken diese hemmungslos an jeden, trieben die Immobilienpreise in schwindelnde Höhe und als die von Haus aus dubiosen Schuldner nicht mehr zahlen konnten und die Häuser zu den traumhohen Preisen unverkäuflich waren, brach das Kartenhaus zusammen.

 

Ähnliches spielte sich auf dem Aktienmarkt und den Derivaten ab. Letztere sind Spekulationen- ähnlich wie Wettgeschäfte- auf das Steigen oder Fallen von Preisen, zählen aber zur Preisbildung an der Börse mit. Auch diese Geschäfte konnten mit Krediten finanziert werden  und die Banken spielten selbst mit den deponierten Geldern mit. Stehen die Kurse in keinem Verhältnis mehr zu den realen Werten, platzt die Blase. Nun versucht jeder panisch, sich der Papiere zu entledigen und die Kurse fallen ins Bodenlose.


mediabox.at/schwarzl

Früher führte überhöhter Geldumlauf meist über höhere Löhne auch zu höheren Lebenshaltungskosten. In der Globalisierung bekamen die Arbeitnehmer aber keinen Anteil, da Forderungen sofort mit weltweiten Betriebsverlagerungen bedroht wurden. Die Inflation fand also nur in Immobilien und Börsenprodukten statt, aber die Krise trifft alle.

 

An ihrem Höhepunkt war man sich auch noch einig, dass künftig die Spekulationen begrenzt werden müssten und die Bankenaufsicht sowie die Kreditwürdigkeitsprüfung reformiert gehört. Heute wird in England und USA schon wieder gegen staatlich Eingriffe abgewiegelt.

 

Davon, woher denn das viele Geld denn gekommen ist, welches sich bei den US-Banken Zins fordernd angesammelt hatte und eigentlich das Spiel in Gang setzte, ja davon spricht niemand. Dies scheint politisch nicht opportun zu sein, denn mit der Dollarschwemme der USA aus Kriegsfinanzierung und Handelsdefizit wird weiter leichtfertig Politik gemacht. Die Weltwährung Dollar strömt aber Anlage suchend zurück und das Spiel kann von neuem beginnen. Die Nutznießer warten schon.

 

Inzwischen ist auch die Europäische Union in ihre eigene Krise geraten, da man wirtschaftlich schwache und leichtfertige  Staaten mit in den Euro genommen hat, ohne auf deren Budget-politik ernstlich Einfluss nehmen zu können.

Wie kam es nun Dazu?

 

Es gilt  doch in der Währungsunion der Stabilitätspakt, welcher nach den so genannten Maastrichtkriterien den Schuldenstand auf 60 % des BIP (Bruttoinlandprodukt) und auf ein Budget-Jahresdefizit von maximal 3% des BIP begrenzt!

Mit der Versicherung, dass nicht sein kann was nicht sein darf, und für die Zustimmung zur Wiedervereinigung hatte man seinerzeit den lange zaudernden Deutschen schließlich 1997 die Zustimmung abgerungen, ihre zunehmend alles beherrschende DM aufzugeben.

 

Vor Einführung der Gemeinschaftswährung   führte ein strukturelles Defizit in der Zahlungsbilanz eines Staates zum Druck auf dessen spezifische Währung.

Die daraus folgende Abwertung hatte einen Rückkopplungs-effekt, indem er zeitgerecht Importe teurer machte, aber Exporte erleichterte. Solche sich selbst regulierende Zyklen sind in Soziologie und Natur vielfach wirksam und sichern die Aufrechterhaltung eines Ablaufs innerhalb vernünftiger Parameter. (Z.B. Jäger/Beute - Relation oder Schweinepreis-zyklus.) Bei gewaltsamer Forcierung eines Faktors wird ein solches  System aber chaotisch und unvorhersagbar.

 

Diese gewissermaßen automatische Regulierungshilfe für den wirtschaftlich schwächeren Staat mit rechtzeitig organisch verdaubarer Wirkung fällt nun für ihn als Mitglied der Währungsunion weg.

 

Die Deckung der entstehenden Defizite erfolgt  über zunehmende Verschuldung des Staates und ist in der als solid geltenden Gemeinschaftswährung zu günstigen Konditionen möglich, die der Schuldnerstaat als „stand alone“ nie erzielen könnte, treibt somit zum Weitermachen zu Lasten des Euro.

 

Dagegen suchten sich die Großmächte  durch die Stabilitätskriterien zu schützen. Praktisch würde dies erhöhte Sparsamkeit für die ohnehin Schwachen bedeutet haben, was aber auch wirtschaftlichen Rückstand auf Dauer  hieße. Deshalb wurde für diese Staaten Finanzhilfe aus den Beiträgen der reichen Staaten vorgesehen. Diese Subventionen aus der Gemeinschaftskasse Brüssel sollten produktiv wirken.

 


Der Wechsel von Schilling in Euro/mediabox

Wie die Erfahrung allerdings zeigt, konnte mit den Billionen bisher  nirgends ein dauerhafter, die Struktur verbessernder Effekt  erzielt werden. Man gewöhnt sich an die Mittel als Dauerinfusion, lebt lustig besser und lässt die Schulden steigen. Der weitergeführte bisherige Schlendrian erfordert immer höhere Mittel und die offiziellen Zahlen werden gefälscht oder wenigstens mit Tricks geschönt, bis es eines Tages nicht mehr geht und die Wahrheit erkennbar wird.

 

Die Zusammenführung von Staaten mit stark unterschiedlicher Wirtschaftskraft hätte nur durch eine Zentralgewalt im Griff gehalten werden können, welche eine einheitliche Wirtschafts- und Außenpolitik bestimmen kann.

Dies hätte aber das Ende der sorgsam gehütete Rest-Souveränität der Einzelstaaten bedeutet. So wurde nur ein zahnloser „Stabilitätspakt“ und ein Zentralbankstatut beschlossen, welches als Ziel die Preisstabilität sieht. Diese sichert aber nicht die Währung, denn in Zeiten der Globalisierung spiegelt sich die Inflation nicht im Lebenshaltungskostenindex wider - Gewerkschaften werden bei Forderungen mit Betriebsverlagerungen bedroht - sondern die vagabundierenden Zahlungsmittel wandern in Spekulation mit Finanzderivaten statt produktiver Investition und in Immobilien und Gold.

 

Nun herrscht große Ratlosigkeit, wie die Riesenschulden  der Defizitstaaten bezahlt werden könnten und die bequemste Lösung wäre, alles mit gemeinschaftlich gedeckten Anleihen („Eurobonds“) zuzudecken. Dies hieße letztlich durch Inflation über die Notenpresse zu Lasten der starken Staaten. Noch weigert sich Deutschland.

 

Welche Lösung letztlich auch getroffen wird, es erhebt sich die Frage, ob das dann  periodisch immer so weiter gehen wird.

 

Wir werden wohl mit unserem Wirtschaftssystem leben müssen, das zu periodischen Krisen neigt, jedoch hat die Vergangenheit gezeigt, dass es Regeln und Eingriffe des Staates bedarf, die aber weltweit zu gelten hätten. Dies wird nicht ohne Widerstand einflussreicher Spekulanten und skrupelloser Gelderzeuger gehen.

 

Daher: Kapitalisten aller Länder vereinigt euch gegen sie und stellt strenge Regeln auf, die auch für die USA zu gelten haben.

 

Bei einer Weigerung derselben bliebe nur deren weltweite Isolierung. Das ist natürlich heute völlig unrealistisch.

 

Die EU im alten Europa aber ist selber viel zu schwach und brüchig strukturiert, um darin eine Federführung zu übernehmen. Vielleicht werden einmal die heute sich vorsichtig entwickelnden Mächte wie China, Indien und Russland diese Rolle übernehmen!

 

Nach dem Kommunismus wurde erkannt: Ohne Markt geht es nicht, aber alles dem freien Spiel der Märkte zu überlassen, führt zum Chaos. Dass die BRIC - Staaten ihre Wirtschafts-entwicklung nicht den amerikanischen Geschäftemachern überlassen wollen, kann man ihnen nicht verdenken, scheint aber für die USA  die Herausforderung des 21. Jahrhunderts zu sein.

 

Zu allem notwendigen Reformeifer: Vorsicht bei Eingriffen in die Autonomie der Nationalstaaten. Diese wurzeln in mehrtausend-jähriger Geschichte und jeder Druck dagegen erzeugt nur elementare Sprengkräfte.  Dass sie sich nicht mehr gegenseitig umbringen, ist schon beispiellos. Zu mehr braucht es aber noch mindestens 100 Jahre Erfahrung und Vertrauen, dass in diesem System niemand missbraucht wird. Hemmungsloses Schuldenmachen zu Lasten der Allgemeinheit wird aber sicher auf Dauer nicht toleriert werden!

 

Eine Dauerlösung wäre  aber wohl nur eine um die ärgsten Defizitstaaten bereinigte Währungsgemeinschaft. 

 

Wollte man den vehementen Argumenten der Gegner einer solchen Lösung Glauben schenken, die gleich vom Zerfall der EU sprechen, dann müsste man ja auch auf der Stelle die heute noch nicht im Euro befindlichen zehn Staaten hinein nehmen. Aber das wäre dann echt das Ende des Euro!



  Markiert "tagged" als:
  Kategorien:
view more articles

Über den Author

Oswald Schwarzl

CR

Chefredakteur in Ruhe