Regionews-Kaleidoskop: Der zerstreute Professor

23 Jul 13:55 2012 von Oswald Schwarzl Print This Article

Satire (nicht nur) auf die Quantenphysik

Protokoll einer Vernehmung                                  

   

Handelnde Personen:

Professor Dr. Imre Bolond, Teilchenphysiker, früher beim CERN Genf beschäftigt, nun selbständiger Forscher.

 

Hans Einfalt, Physiklaborant, Assistent und Faktotum des Professors.

Kriminaloberinspektor Albin Komarek, Leiter der Erhebungen.

Dr. med. Friedrich Panagl, Psychiater und gerichtlicher Sach-verständiger, Gutachter für eine Schweizer Versicherung.

 

Ort der Handlung:

Die als Labor eingerichtete Wohnung des Professors in Wien. Neben üblicher Laboreinrichtung fallen auf:

Stöße von Porzellantellern und eine guillotineähnliche Maschine.

 

Komarek und Dr. Panagl klingeln an der Eingangstüre.

Es öffnet der Laborant. Die Besucher zeigen ihre Ausweise: „Wir kommen in amtlichen Auftrag, sind sie Herr Professor Bolond?“

Einfalt: „Ich bin sein Assistent und Vertrauter.“

Komarek: „Wir möchten den Professor sprechen, Es liegt eine Anzeige vor wegen Gefährdung der öffentlichen Sicherheit, Lärmbelästigung tagsüber und nächtliche Ruhestörung.“

Einfalt: „Da kommen Sie zu spät!“

Dr. Panagl: „Ist er tot?“

Einfalt: „Das nicht, aber kommen Sie herein und ich werde Ihnen alles erzählen“.

 

Alle drei nehmen im Labor Platz und Einfalt beginnt:

„Wie Sie wissen, ist mein Chef ein Experte auf dem Gebiet der Quantenphysik und wurde deshalb ans CERN in Genf zur Mitarbeit gerufen.

Wie alle Wissenschaftler ist er sehr ehrgeizig und so kam es zu dem bekannten Zwischenfall, der in der ganzen Welt Aufsehen erregte, dessen ganze Wahrheit aber nur wenigen bekannt wurde, um den guten Ruf des Instituts nicht zu gefährden.

 

Als der Teilchenbeschleuniger – sein richtiger Name ist eigentlich

LHC (large hadron collider) - endlich fertig war, versuchte der Professor  noch vor der öffentlichen Inbetriebnahme, ihn heimlich in der Nacht und nur  mit meiner Hilfe zu starten, um einen Wissensvorsprung zu bekommen. Leider ist ihm in der Aufregung ein folgenschwerer Fehler passiert, als er die Hochspannung auf die Magneterregung des Zyklotrons schaltete. Die Folge war ein fürchterlicher Kurzschluss, die Leitungen schmolzen und der LHC war  für mehr als ein halbes Jahr nicht zu gebrauchen.

Den Professor selbst traf ein elektrischer Schlag durch Kopf und Körper und ohne meine sofortige Hilfe wäre er heute tot.

 

Ich dürfte es Ihnen nicht sagen, aber seither tickt der Professor nicht mehr ganz richtig. Im Moment schläft er. Schlimm ist nur, dass er vom CERN sofort gefeuert wurde. So hat er hier dann  sein eigenes Institut eröffnet.“

 

In diesem Augenblick öffnet sich eine Seitentür und der Professor geht offenbar schlafwandelnd mit vorgestreckten Händen wie in Trance suchend durch den Raum, dabei rufend: “Hick, hick, hicks- man hat sie mir genommen- hick hick hicks“ und verschwindet wieder.

 

Dr. Panagl: „Hatte er Schluckauf ?“

Einfalt: „ Nein, er sucht das Higgs-Boson, das er glaubte gefunden zu haben. Damit wollte er Nobelpreisträger werden.“

 

Komarek: „Zur Sache jetzt! Was geht in diesen Räumen vor und woher kommt das Geld dafür?“

Einfalt: „Wir schlossen einen Vertrag mit „Meinl International. Power“.  Der KHG war selbst hier. Ein toller Mann, sage ich Ihnen, das Auftreten, die Künstlermähne, und selbst über Technik weiß er Bescheid.“

Komarek: „Woher wollen Sie das wissen?“

Einfalt: „Als er hier war, hat er auch vom Recyceln gesprochen.“

Komarek misstrauisch: „Was sollte da rückgeführt werden“?

Einfalt: „Das weiß ich nicht genau, ich nahm an, der Schrott, den der Professor erzeugt.“

Komarek macht eifrig Notizen und eine zweifelnde Miene.

Er fragt: „Hat KHG später auf Ergebnisse Ihrer Arbeit gedrängt?“

Einfalt: „Keineswegs, er meinte, je länger – je lieber, da ja die zeitabhängigen Managementgebühren reichlich fließen, solange noch Geld der Anleger da ist.“

 

Komarek: „Erzählen Sie jetzt über die Arbeit hier, aber genau und ohne Beschönigungen.“

Einfalt: “Seit dem Unfall kann der Professor  virtuelle und reale Sachen nicht mehr unterscheiden und sieht in Dingen das, was er gern sehen möchte. So hält er die Porzellanteller, die Sie hier überall sehen, für Hadronen, das sind Protonen und Neutronen, die er zu zertrümmern sucht.

 

Die Teilchen sammelt er dann auf, um sie zu klassifizieren. Je drei zusammen passende größere Teile fügt er zu  Quarks, die er mit Klebstoff als Gluonenersatz zusammenleimt und rot, grün und blau für die Ladung färbt.

 

Die nächst großen Stücke sind seine Leptonen (d.s. Elektronen und Neutrinos), die zusammen mit den Quarks unter dem Namen Fermionen die Materie repräsentieren.

Die Arbeit der Bosonen, d.s. die Energie übertragenden Teilchen, zu denen auch des Photon gehört, simuliert er mit dem Apparat dort.

 

Er lässt immer schwerer werdende Gewicht auf die darunter liegenden Teller fallen. Die große Lampe darüber soll bewirken, dass die mit Lichtgeschwindigkeit ausgesendeten Photonen die Massen über die Schwerkraft hinaus beschleunigen. Je stärker die Kraft, die auf die Teller schlägt, desto kleiner werden die Bruchstücke, die für den Professor den wahren Inhalt des Ausgangsgebildes darstellen.

 

Den Rest des Bruches siebt er, klassifiziert und wiegt er und glaubt,  über Mengenbilanzen das Higgsteilchen gefunden zu haben. Wer es entdeckt, ist ein König der Wissenschaft, nach Einstein nun  ein Zweistein der Physik, denn das Teilchen rettet die Standardtheorie der Teilchenphysik. In ihrer Gesamtrechnung bleibt Materie über, die muss in den Higgsteilchen liegen. Ohne Higgs ist alles nix! Das Higgsfeld ist wie der Lichtäther in der Theorie des 19. Jahrhunderts, überall und doch nirgends!

Der Professor ist allerdings der Ansicht, dass auch die Higgsteilchen nochmals in Urteilchen zerschlagen werden könnten, gewissermaßen  die Stammzellen der Energie, eine Millionstel- Sekunde nach dem Urknall.“

 

Dr. Panagl: “Halt, halt, mir wird von alle dem so dumm

                     als gingen mir die Teilchen im Kopf herum.“

Komarek: „Das klingt nach Goethe!“

Einfalt: „War der ein Physiker?“

Dr. Panagl: „Zuvorderst ein Schutzheiliger: Goethes Faust bewahrt vor Morbus Jelinek. Aber er hat auch eine Farbenlehre geschrieben.“

Einfalt: „Also ein Politiker, pfui! War er rot oder schwarz?“

Dr. Panagl: „Keines von beiden, doch Schluss damit, wie geht die Geschichte weiter?“

Einfalt: „Sie geht nicht weiter, sie ist aus!“

Komarek und Panagl gleichzeitig: „Was soll das heißen?“

Einfalt: „Wir haben aufgehört, aus, Schluss! Damit gibt es auch keinen Grund mehr für Beschwerden.“

Komarek: „Wie das?“

Einfalt: „Die Meinl Internat. Power- Aktionäre haben einen Aufstand gemacht und der Vertrag wurde fristlos gekündigt.. Darauf hin hat der Professor gesagt, ohne Geld gibt’s keine Arbeit, er ist doch nicht so verrückt! Und gestern ging dann noch durch die Presse, dass CERN das Higgsteilchen gefunden haben will.

Herr Kommissar, sie kommen wie gerufen Hiermit  begehren wir die Richtigstellung, dass das Primat der Teilchenfindung dem Professor Bolond zusteht!


Conseil Européen pour la Recherche Nucléaire, Jahresbudget weit über 1 Mrd. sfr., finanziert durch zahlreiche europäische Länder inkl. Österreich.

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