Regionews-Kaleidoskop: Bibelforscher – Bibeldeutler?

05 Dez 10:32 2012 von Oswald Schwarzl Print This Article

Ein Beitrag zur Diskussion um den katholischen Zölibat

Nichts bleibt so wie es ist, das ist ein Naturgesetz, mit dem Urknall in Kraft gesetzt. Die Anpassung des Lebens heißt Evolution. Wer diese Anpassung versäumt oder nicht schafft, den bestraft das Leben mit Eliminierung.

Unveränderlich sind die Naturgesetze. Die menschlichen Gesetze dagegen werden als Regeln einer Gemeinschaft gemacht und ändern sich mit einer sich wandelnden Kultur. Ein einzelner Mensch auf einer Insel bräuchte keine Gesetze.

Neben diesen willkürlich geschaffenen menschlichen Gesetzen spricht man auch von einem Naturrecht. Der Mensch ist als ein Gemeinschaftswesen konzipiert und hat dem entsprechend auch zu akzeptieren, dass andere gleiche Rechte beanspruchen. „ Was Du nicht willst, dass man Dir tu`….“. Diese Verhaltensnorm bräuchte eigentlich nicht kodifiziert zu werden. Wer sich nicht daran hält, muss mit Ächtung durch die  Gesellschaft rechnen.

Seit die Evolution vor 1,2 Mrd. Jahren statt der einfachen Zellteilung die genetische Rekombination – das heißt Geschlechtlichkeit und Sexualität- hervorgebracht hat, seither besteht auch der Trieb zur Vereinigung der getrennten Geschlechter. Den kann man nicht verleugnen noch verbieten. Allenfalls wäre Kastration möglich!


Die folgenden Zitate in Anführungszeichen entsprechen der Einheitsübersetzung der Hl. Schrift der Katholischen Bibelanstalt Stuttgart 1980

Nun aber zum Kernthema: Was sind die Gründe, dass man nur über ein Versprechen der Ehelosigkeit und Keuschheit zum katholischen Priester werden kann?

Das frühe Christentum kannte keine solche unverzichtbare Regel. Begründet wird sie später damit, dass sich der Priester nur so ungeteilt dem Glauben, der Kirche und seiner Gemeinde widmen könne und dies  wäre auch in  der Heiligen Schrift durch einen Ausspruch Jesu. untermauert. (Matthäus 19/10).

Im besagten Matthäus - Evangelium wird von einem Gespräch der Jünger mit Jesus berichtet:

Nachdem Jesus die Ehe für unauflöslich erklärt hatte, sagten die Jünger: „Wenn das die Stellung des Mannes in der Ehe ist, dann ist es nicht gut zu heiraten.“ Dem widersprach Jesus nicht, schränkte aber ein, dass manche davon ja gar nicht betroffen seien:

Denn es ist so: Manche sind von Geburt an zur Ehe unfähig, manche sind von den Menschen dazu gemacht und manche haben sich selbst dazu gemacht- um des Himmelreiches willen. Wer das erfassen kann, der erfasse es.“  (Matth. 19 / 12.)

 

Dieser Bibeltext ist heute eine oft gebrachtes  Argument der katholischen Kirche, um an der Ehelosigkeit ihrer Priester festzuhalten. Aber sagte das Jesus wirklich so und steht das so in den griechisch geschriebenen Urtexten?

Die folgenden Zitate in Anführungszeichen entsprechen der Einheitsübersetzung der Hl. Schrift der Katholischen Bibelanstalt Stuttgart 1980.


D. Martin Luthers - Repro - Archiv

Es ist bekannt, dass es ein Ur-Matthäusevangelium gab, das teilweise andere Inhalte hatte.

Weiters ist es bei Übersetzungen häufig so, dass gerne gewollte Inhalte hinein interpretiert werden.

Johannes Paus II hat sogar in „Instruktionen 2001“ zur verbindlichen Norm gemacht, dass bei einer Übersetzung „die katholische Glaubenslehre berücksichtigt werden muss…“

Im griechischen Text und in der Lutherübersetzung der Bibel ist nun tatsächlich zu Matthäus  19/12 etwas anderes zu lesen (siehe Auszug unten): Jesus hätte von Zwittern und Kastraten gesprochen, für welche Ehelosigkeit  als natürlicher Zustand bestehe, sei dieser auch aus Glaubensgründen sich selbst zugefügt.

Als wohl unzumutbar gesehene Selbstverstümmelung hat man diese Worte flugs wohl als nur gleichnishaft interpretiert.


Wilh. Schneemelcher „Neutestamentliche Apokryphen, Tübingen 1996

Zeitschr. „Der Theologe“ Nr. 14,“Hieronimus u. d. Entstehung d.Bibel“ Wertheim 2004

Hätte man sich an Sinn und Wortlaut des Spruches gehalten und eine wirklich freiwillig gewollte Ehelosigkeit mit einer z. B. widerruflich chemischen Kastration begleitet, vielen Menschen wäre großes  Leid erspart geblieben. Heute, da es den Opfern gesellschaftlich leichter gemacht wird, über bisherige Tabus zu sprechen, ist selbst die nun sichtbare Spitze des Eisbergs an Missbrauch und Perversität schockierend.

Als junge Idealisten gingen die Priester in die Zölibatsfalle und wurden dann von ihren Trieben und Gefühlen überwältigt oder irre geführt. Das entschuldigt sie nicht, aber leicht fällt es sicher nicht, die einmal geglaubte Berufung aufzugeben und das Amt zurückzulegen. Jene, welche ihre Triebe unterdrücken mussten, hatten damit wohl anstatt eines innigeren Verhältnisses zu ihrer Gemeinde ein eher unnatürliches mit Angst und Misstrauen vor Frauen, Gesellschaft und Fragen der Sexualität.


Martin Luthers - Repro - Archiv

Somit wurde also eher das Gegenteil der „pro“ angeführten Gründe erreicht, aber in Wahrheit geht es wohl um Macht und wirtschaftliche Vorteile für die Institution Kirche.

Das Beispiel der Evangelischen Kirche zeigt aber jedenfalls, dass es auch anders geht!

Die bekannt gewordenen Skandale haben zu Massenaustritte aus der Katholischen Kirche geführt. Warum gehen diese Menschen aber nicht zu den Evangelischen, welche die vom Katholizismus abgelehnten  Forderungen nach Zölibatabschaffung, religiöser Gleichberechtigung der Frauen, demokratische Mitbestimmung der Gläubigen in der Verwaltung etc, längst verwirklicht haben.

Der Grund: Sie haben sich längst der Religion entfremdet und hatten nun einen Anstoß, dies auch formal zu verwirklichen.

 

Im ehemals christlichen, heute kapitalistischen und wissenschaftsgläubigen Abendland wird das Streben der Vergangenheit nach Seelenheil im Jenseits zunehmend durch egozentrischen Hedonismus im Diesseits ersetzt. Der Bedarf nach Mystik wird durch Ethiklehre, Moralphilosophie, Joga und Esoterik  ersetzt, Familiensinn durch „Selbstverwirklichung“.

Die Geschichte zeigt aber,  dass alle „-ismen“ sich  ins Extrem treibend schließlich selbst ad absurdum führen wie derzeit unser Finanzsystem und  zu einer Gegenbewegung führen, die ihrerseits wieder nicht in einer vernünftigen Mitte halt machen kann.

 

Nach 2000 Jahren christlicher Religion wird die Katholische Kirche im 21. Jahrhundert zeigen müssen, ob sie als Trägerin ihres  unverwechselbaren, positiven  Glaubensinhalts der menschlichen Nächstenliebe mit einer unmenschlichen Forderung an ihr Jünger Schluss macht oder zum Schaden für alle  eine  weniger  bedeutende Sekte starrköpfiger Fanatiker werden  will.

(Leitner)


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