Multinationale Großreiche

04 Dez 23:28 2011 von Oswald Schwarzl Print This Article

Hätten „Vereinigte Staaten von Europa“ eine Chance?

Die heutigen Probleme der EU

Ende 2011 kommt die Debatte um den Kurs der Europäischen Union in ein kritisches Stadium. Die Ursache sind Probleme in der Währungsunion, in welcher 17  von den 27 Mitglieds-ländern vereint sind.  Diese leidet nämlich an einem Geburtsfehler: Da die Betreiber eines möglichst engen Zusammenschlusses der europäischen Staaten immer auf die nationalistischen Gefühle der Völker Rücksicht nehmen mussten, entstand eine Währungsunion von Staaten sehr unterschiedlicher wirtschaftlicher Potenz, ohne zentrale Wirtschafts- und  Finanzpolitik und für allfällige Sünder waren nur zahnlose Sanktionen vorgesehen.

 

So nützten leichtsinnige Regierungen die Möglichkeit, sich günstig und scheinbar schrankenlos Eurokredite beschaffen zu können, um sich mit Wohltaten beliebt zu machen, die man sich gar nicht leisten konnte. Dies wurde so lange als möglich verschleiert und  auch kaum kontrolliert, bis nun offensichtlich wird, das eine Reihe von Staaten nicht mehr in der Lage ist, ihre Schulden zu begleichen.

 

Natürlich wussten die wirtschaftlich starken Staaten, an der Spitze Deutschland, welches Risiko sie eingehen, wenn sie mit unterschiedlich leistungsfähigen  Staaten in eine gemeinsame Währung gehen. Die Beruhigungspille war:

Bei einem Jahresbudgetdefizit eines Staates ab 3% des BIP oder einer öffentlichen Verschuldung höher als 60 % desselben, die so genannten Konvergenzkriterien,  wird sofort gegen den Sünder ein Verfahren eingeleitet. Erfolgt nicht   innerhalb einer kurzen Frist eine Bereinigung, sollten Strafzahlungen fällig werden. Aus einem Kohäsionsfond flossen jährlich riesige Subventionen in die ärmeren Staaten, um ihnen ein Aufholen zu erleichtern.

 

Kaum jemand hielt sich jedoch an die Regeln und keiner hat je eine Strafzahlung erhalten. Wovon auch,  wenn einer dann praktisch schon fast  Pleite ist, wie dies bei Staaten anzunehmen ist, die mit über 90% des BIP verschuldet sind!

 

Was tun? spricht Zeus

An Griechenland schieden sich nun erstmals  die Geister. Die fälligen Schulden können vom Land nicht einmal mehr durch  immer weitere Schulden bei enorm steigenden Zinsen ersetzt werden. EU-Gelder werden benötigt. Lange waren  aber   die Mehrheit der Politiker nicht davon abzubringen, an der Illusion der Einbringlichkeit dieser Kredite festzuhalten. Wenn man nur immer weiter Eurokredite mit zentraler Deckung gibt, würde sich alles zum Guten wenden und man sitzt weiter als glühender Europäer komfortabel auf seiner Pfründe in Brüssel. Griechenland sollte  in kurzer Zeit jetzt einsparen, was jahrelang verschlampt wurde. Dies scheint dem Volk aber unzumutbar, da auch jeder privat überschuldete Kridatar mit Schuldnachlass rechnen kann, denn die Entscheidung heißt, besser weniger, aber sicherer, als am Ende gar nichts!

 

Allerdings beginnt man langsam einzusehen, dass für die Zukunft etwas geschehen sollte. Über das WIE gibt es zwei Sichtweisen:

 

Die EU muss Gemeinschaftssinn zeigen, d. h. man kann  nicht aus schnödem Egoismus einen Partner fallen lassen. Die Europäische Zentralbank (EZB) sollte die Schulden durch Eurobonds mit Haftung der Gemeinschaft ablösen oder die dubiosen Schulden aufkaufen. Somit könnte alles wie bisher weiterlaufen und es wären auch die Mittel da, den Staaten mit den hohen Schulden weiter zusätzliches  Geld für Investitionen  zur Strukturverbesserung zu geben.

 

Hauptgegner dieser Lösung sind die Deutschen als größte Zahler und Risikoträger. Sie wurden daran  erinnert, dass Teile  ihrer Exportüberschüsse ja über die Defizite der ärmeren Staaten erzielt wurden und dass ein friedliches Europa eben seinen Preis hätte.

 

Um zu verhindern, dass die Nationalstaaten aber weiterhin machen, was sie wollen, müsse Brüssel die Zentrale einer Europaregierung werden. In einer ersten Stufe sollten die Agenden Wirtschafts- und Außenpolitik sowie Finanzen  zentral wahrgenommen. In den Mitgliedsländern gibt es dann dafür nur mehr Brüssel unterstellte Außenstellen.

 

Dadurch könne gewährleistet werden, dass effektiv gewirtschaftet und mit einer einzigen Stimme entsprechend der europäischen Potenz gesprochen und gehandelt wird.

 

Die andere Sichtweise:

Dadurch entsteht ein bürokratischen Wasserkopf, der die Bindung an die Mitglieder verloren hat und in dem die Großen regieren. Man soll den Nationalstaaten ihre Souveränität lassen, denn  dies ist der tief in den Menschen verankerte Wille, der sich nicht auf Dauer durch Schönreden übertünchen lässt. Die kleineren Staaten wollen nicht die Rolle von Vasallen spielen, auch wenn ihre Vertreter dafür gekauft werden. Dies würde dazu führen, dass es im Volk gärt und am Ende  hat man statt der vermiedenen Kriege zwischen den Staaten dann die Revolte im eigenen Land.

Die EU gehöre finanzpolitisch in ein Europa der zwei Geschwindigkeiten geteilt, die zu

großen undemokratischen Kompetenzen Brüssels und der Monsterapparat sollte man drastisch reduzieren. Das Ziel wäre ein Bund souveräner Staaten, nicht ein Bundesstaat mit zentraler Führung.

 

Sehen wir uns die Österr. – Ungarische

Monarchie einmal näher an:


Die Sowjetunion.

Diese bestand aus folgenden Sowjetrepubliken mit über 100 Völkerschaften.



Historische Rückschau

Zur Meinungsbildung über die beiden Ansichten kann es nur nützlich sein,  in die Vergangenheit zu schauen, denn multi-nationale Reiche hat es schon viele gegeben.

 

Die gesellschaftliche Entwicklung ging geschichtlich von der kleinsten Zelle einer Gemeinschaft aus, der Familie, die wiederum in einen Stamm oder Clan eingebettet war, der Schutz bei Angriffen und Hilfe bei Jagd- oder Beutezügen gab, denn auch jeder Fremde war primär Feind oder Beute. Waren besiegte Volksgruppen zu groß zum Vertreiben oder zum Ausrotten, machte man sie sich dienstbar als Vasallen. Kleinere Gruppen gingen mit der Zeit in der großen auf. 

 

Immer gab es klare Hierarchien, dominiert vom Herrscher des Siegervolkes.

Die Anlässe für Eroberungszüge waren vielfältig: Raumbedarf infolge starken Bevölkerungswachstums oder Naturereignissen, Machtstreben, leichtes Beutemachen und Feindsuche, um mögliche innere Unruhen nach außen zu lenken. (Beispiel an Naziparolen: „Volk braucht Raum“ , „In den Ostwind hebt die Fahnen…“ )

 

Verlorene Großreiche: Gemeinsam ist ihnen, dass sie durch Druck entstanden und zusammengehalten wurden, nie zu einer wirklichen Einheit fusionierten und alle wieder mehr oder weniger spektakulär auseinander fielen:

Das Perserreich, das Griechenreich unter Alexander d .Gr., das römische Weltreich, das Reich Karl d.Gr., das islamische Kalifat, das Habsburgerreich, das Commonwealth Groß-Britanniens, die Kolonialreiche der anderen europäischen Staaten, das Türkische Großreich, die Habsburger Monarchie, Jugoslawien, die UdSSR u.a.

 

Somit hatten nur ein Viertel der Untertanen des Kaisers Franz Josef (1830 -1916) eine deutsche Umgangssprache. Die obigen Territorien waren aber schon nur mehr der Rest eines noch viel größeren Machtbereichs. Schon verloren waren:

Die spanische Krone (habsburgisch durch Karl V von 1516 bis zum verlorenen spanischen Erbfolgekrieg 1713), die Österr. Niederlande und der Breisgau (bis 1797), Groß-Schlesien (bis 1745), Lombardei (bis 1859), Venetien (bis 1866) u.a.

 

Im ersten Weltkrieg zeigte sich die Schwäche des Völkergemisches, denn die fremden Ethnien zeigten wenig Lust, für die ihnen fremden Interessen zu kämpfen. Man sah hier vielmehr eine Chance, der so genannten Völkerkerker Monarchie zu entkommen. So entstanden nach dem ersten Weltkrieg die vielen neuen Kleinstaaten, deren Grenzen aber oft nicht nach der Ethnie der Bewohner sondern nach den Interessen der Alliierten gezogen wurden. Damit wurde aber die Saat für neue dauerhafte Konflikte in der Zukunft  gelegt.

 

Schauen  wir  noch auf die Zusammensetzung

eines anderen, inzwischen zerfallenen Großreiches:

 


 

Die Sowjetunion.

Diese bestand aus folgenden Sowjetrepubliken mit über 100 Völkerschaften.

Verlässliche neue Zahlen der Bevölkerung liegen nicht vor, doch dürfte sie heute bei 300 Mio. liegen, wovon schwach die Hälfte Russen sind.. Mit Ende 1991 unter Gorbatschow und Jelzin gab man den zentrifugalen Kräften der Teilrepubliken nach und heute ist praktisch jede ein selbständiger Staat.

 

Weder Gewalt noch der Versuch, den Kommunismus als  Klebstoff und  gemeinsames Ideal überzustülpen, konnten nach 70 Jahren das Gebäude länger zusammenhalten.

 

 

 

 

Schlussfolgerungen

Leben Menschen fremder Sprache und Herkunft innerhalb eines anderen Staates in einem geschlossenen Siedlungsgebiet, sind Probleme die Regel, da sie ihre andere Sprache und Kultur ohne Einschränkung ausleben wollen und dadurch in  den gewohnten und reglementierten Abläufen des  Mehrheitsvolkes einen Störfaktor darstellen. Weitgehende kulturelle Autonomie kann abhelfen. Beispiele: Die französische Schweiz oder Südtirol; aber ab einer Minderheit von eineinhalb bis zwei Millionen will meist der Ruf nach einen eigenen Staat nicht verstummen.

 

Minderheitenprobleme bis hin zu blutigen Auseinandersetzungen und Anschlägen gibt es auch heute  am Globus eine Menge:

Spanien: Katalonien trotz weitgehender Autonomie, Baskenland. Belgien: Flamen und Wallonen machen das Land fast unregierbar. Großbritannien: Menschen aus dem Commonwealth bilden in England eine fast nicht integrierbare Unterschicht. Deutschland: Türkische und andere Islamische Einwanderer (3 Mio!). Österreich: Türken, Slowenen u. a. Litauen: Russen. Frankreich: Nordafrikaner. Ex-Jugoslawienstaaten: Alle mit gegenseitigen Minderheiten. China: Tibeter und moslemische Stämme. Pakistan und Indien: Rassen- und Religionskonflikte. USA: Lateinamerikanische Zuwanderer, Afro-Amerikaner. Afrika: Stammeskonflikte in und zwischen fast allen Staaten. Israel: Die Palästinenser. Indonesien: Die Chinesen.  Die Roma als unerwünscht in ganz Europa,  u.s.w.

 

Offensichtlich ergeben sich  derartiger Konfliktpotentiale allein aus einer menschlichen Verschiedenheit und dem Gefühl der einzelnen Ethnien, dass ein Ausleben ihrer Kultur zu den menschlichen Grundrechten gehören muss. Genau das aber empfindet die andere Seite als eine Beeinträchtigung ihrer eigenen Rechte.

Erziehung zu Toleranz scheint wenig Wirkung zu zeigen und das Predigen aus dem fernen Elfenbeinturm von der kulturellen Bereicherung wird nur als Hohn empfunden.

 

Was steht  nun dahinter, dass Menschen gegen fremde Einschränkung und für die Freiheit, die sie meinen, sogar bereit sind,  ihr Leben zu riskieren und anderseits Tod und Terror zu verbreiten?

 

Auch wenn man jetzt mit der Rassismuskeule kommen kann, es ist nicht wegzudiskutieren, dass der Widerstand gegen kulturelle Fremdbestimmung genetisch fixiert sein muss und deshalb kann man annehmen, dass sich auch die europäischen Nationalstaaten nie auf Dauer dem Diktat eines fernen bürokratischen Brüssel beugen, mögen einzelne  nationale Vertreter auch mit schönen Pfründen dafür geneigt sein.

 

 Aber Vorsicht! Allzu schnell kann Souveränität in intoleranten Chauvinismus umschlagen. („Deutschland, Deutschland über alles-“ oder „Right or wrong- my country!“. Danke, das hatten wir alles  schon!)

 

Fazit: Auch in Europa wird auf Dauer wohl nur ein Bündnis souveräner Staaten Bestand haben.

 

 



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