Mensch und Gesellschaft
Über Probleme von Gemeinschaften
LINZ. In der menschlichen Natur ist ein Zusammengehörigkeitsgefühl in gewissen Hierarchien verankert:
- Familie
- Bewohner der näheren Heimat
- Kultur- und Sprachgemeinschaft (um nicht über den Begriff
- Nation diskutieren zu müssen!)
- Menschen allgemein.
Zwischen den einzelnen Schichten macht das Solidaritätsgefühl jeweils einen Quantensprung und setzt im Konfliktfall entsprechende Prioritäten.
Selbst 70 Jahre Kommunismus haben in der UdSSR nicht vermocht, das starke Gefühl nationaler Zusammengehörigkeit der zwangsweise Eingegliederten und ihren Willen nach Selbstbestimmung aufzulösen. Die Geschichte kennt noch unzählige andere Beispiele.
Die Geschichte zeigt weiter, dass eine breite geistige Bewegungen schnell eine unaufhaltsame Eigendynamik entwickelt, welche den Gedanken bis zum Extrem treibt und durch Vernunft nicht zu stoppen ist. Je größer die Dynamik, desto schneller ist der Wendepunkt erreicht und schlägt wieder bis zur Unvernunft in die Gegenrichtung, um sich schließlich meist an einem Mittelmaß einzupendeln.
Als Beispiele seien genannt:
Die positive christliche Idee der Nächstenliebe und Toleranz hatte eine solche Dynamik, dass sie schließlich jeden Zweifler oder Gegner als Ketzer verbrennen ließ und die Ausübung der Macht dominierte.
Der positive Gedanke der Französischen Revolution von Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit entartete zu Anarchie sowie
Gefängnis und Tod für die Brüder
Die grundsätzlich richtige Kritik des Kommunismus an der Ausbeutung der Armen durch die Besitzenden und Mächtigen hatte schon im Lösungsansatz der völligen Gleichmacherei und Forderung nach Gemeinnutz vor Eigennutz den Wurm: Eine Solidarität wie innerhalb der Familie lässt sich nicht auf einen Staat ausdehnen.
Der Egoismus der kleinen Einheiten ist stärker als der Altruismus zugunsten anonymer Institutionen und letztlich bringt die Summe der Einzelegoismen mehr Erfolg als der Verzicht zugunsten eines anonymen Staates, der durch Funktionäre repräsentiert wird, die selbst nach Macht und Geld streben. So stand am Ende des Kommunismus wieder die Ausbeutung der Hilflosen durch die Mächtigen, und das noch mit größter Unwirtschaftlichkeit infolge der fehlenden Marktfunktion.
Eine Idee vom ursprünglich stimmungsmäßigen Schwung der beiden letztgenannten Ideen geben ihre Hymnen. Der durch nichts aufzuhaltende Elan der Marseillaise: Allons enfants de la patrie… und die Internationale mit Auf, auf, Verdammte dieser Erde….Selbst der tiefschwarze Erhard Busek ließ sich einmal bei einer Gelegenheit in Wien dazu hinreißen, die Internationale mitzusingen. Es wurde ihm von seinen „Parteifreunden“ fast als Hochverrat angekreidet!
Schließlich sei auch noch die industrielle Produktion als Beispiel angeführt, wie der positive Gedanke erleichterter menschlicher Versorgung in der Folge in Wegwerfgesellschaft und Umweltzerstörung im Negativen endet, obwohl der heute schon ziemlich vergessene Club of Rome schon 1972 klar die Folgen aufzeigte.
Man könnt vielleicht den französischen Philosophen Jean Jacques Rousseau (1712 – 1778) als einen der ersten „Grünen“ der Neuzeit bezeichnen.
Seinem Wahlspruch „Zurück zur Natur“ als Antwort auf den Realismus eines Newton (1642 – 1727) fügten dann die Spötter des 19. Jahrhunderts unter dem Eindruck von Darwins Abstammungslehre ein „Hinauf auf die Bäume“ hinzu.
Das dem Menschen immanente Gefühl für Zusammen-gehörigkeit wurde zu allen Zeiten missbraucht.
Bei akuter Gefahr muss ja jemand entschlussfreudig die Führung übernehmen, es bleibt keine Zeit für lange Palaver. Deshalb gibt es kein Militär der Welt, in dem die Mannschaft über Befehle abstimmen könnte. Aber auch die alten Römer wussten, warum sie in Krisenzeiten einen Diktator nur für ein halbes Jahr bevollmächtigten.
Im 20. Jahrhundert sind die drei großen Diktatoren Hitler, Stalin und Mao ein warnendes Beispiel. Ihr Machtrausch suchte stets Feinde außen und innen, die vernichtet werden mussten, um das Volk nicht zum Nachdenken kommen zu lassen. Dazu bedurfte es einer übergeordneten Ideologie, die den Untertanen auch als Religionsersatz zu dienen hatte. Bei Hitler war es Nationalismus und Rassenwahn, bei Mao und Stalin die idealisierte Idee des Kommunismus, die auch über nationale Grenzen als Einigungsidee dienen sollte. Kritiker im Innern wurden erbarmungslos vernichtet.
Fazit: Es scheint eine Art Naturgesetzlichkeit zu sein, dass anfänglich positive, dynamische Ideen bei breiter, massenpsychologischer Verankerung im Zuge einer anscheinend unaufhaltsamen Eigendynamik entarten, z.B. in überbordender Bürokratie, Chaos oder Diktatur. Dies würde wieder zu einem Gegenausschlag mit verkehrtem Vorzeichen führen.
Weiter müssen wir zur Kenntnis nehmen, dass der Mensch auf Grund seiner Herkunft zwar als Gruppenwesen programmiert ist, aber nicht als Ameise.
Die Zukunft wird zeigen, in welcher Phase der Entwicklung wir uns im europäischen Integrationsprozess befinden.