HÄTTI – WARI

22 Dez 14:20 2011 von Oswald Schwarzl Print This Article

Eine Glosse (oder Posse?)

 

Zum Jahreswechsel mit den Rückblicken und  neuen guten Vorsätzen kommt immer die große Zeit des HÄTTI – WARI. 

Klingt sehr finnisch, das Ganze. Eine Schlagzeile wie: „Auch der finnische  Skilangläufer Paavo Hättiwari  war gedopt!“ würde ganz authentisch klingen. Aber Irrtum! 

 

Es ist ein im Großteil Österreichs üblicher Dialektausdruck für den zweiten Konjunktiv 1. Person Einzahl von HABEN und SEIN. Mit diesem hätte und wäre  werden also dann die Sätze über das Bedauern um die versäumten Gelegenheiten gebildet.

 

Hier eine kleine Auswahl von häufig vorkommenden guten Vorsätzen, mit denen nach einem bekannten Sprichwort der Weg zur Hölle gepflastert ist:

 

Hätti  doch nur Diät g´halten,      wari  heut um 10 Kilo leichter

          mit´n Rauchn aufghört                gsünder und reicher

          mehr drüber nachdacht              net auf den (die)reingfalln

          net s´Studium gschmissn           heut´ besser dran

          mehr g´spart                               net stier

          net  so brodelt                             längst fertig

          usw. usw. usf.!!

 

 

Dieser  Konjunktiv hat aber im Dialekt noch eine zweite mögliche Form, welche in der Schriftsprache unbekannt ist. Hierbei kann durch Anhängung des Suffixes  -ad  an die Grundform  dann das Ungewisse  und Bedauerliche verstärkt zum Ausdruck gebracht werden.

Beispiele: Warad i nur gangen, jetzt is` z´spät.

                 Hättad i des g´wusst, wari nia hinganga

 

Das Dilemma des Hättivari ist eine Folge der Spannung zwischen dem Sollen und dem Wollen und somit ein altes menschliches Problem. „Zwei Seelen wohnen, ach, in meiner Brust, die eine will sich von der anderen trennen“ heißt es in Goethes „Faust“ und im weiteren dann aber: „Ein Mensch in seinem dunklen Drange, ist sich des rechten Weges wohl bewusst.“ 

 

Auch Siegmund Freud ging davon aus, dass das Soll dem Menschen immanent bewusst wäre, er nennt es das  „Über-Ich“.


Neben der inneren Stimme gibt es dann noch die weltlichen und religiösen Institutionen, die glauben, durch Gebote und Gesetze den Menschen dieses Soll deutlich machen zu müssen  

 

Wenn nun das S0LL anscheinend so deutlich gesehen werden könnte, warum dann die Probleme, danach auch zu handeln?

„Grau, teurer Freund, ist alle Theorie….“ denn ein Ziel zu erreichen erfordert Anstrengung.

 

  • Ist es dafür längere Zeit nötig, auf die Bequemlichkeit des Jetzt zu verzichten, wird das Vorhaben gar nicht angefangen oder rasch wieder aufgegeben, weil das Jetzt mehr zählt als das bessere, aber unsichere Später.
  • Ist mit Verstößen gegen gesellschaftliche Regeln ein Wunschziel mit anscheinend geringen Mühen erreichbar, setzt sich mancher darüber hinweg.
  •  

    Auch neigt der Mensch einfach dazu, gern an das zu glauben, was er sich wünscht. Oder glauben Sie, dass es einen Dieb oder Betrüger gibt, der nicht meint, schlauer zu sein als seine Opfer? Keiner  glaubt  ernsthaft, dass er gefasst wird. Nur das erwünschte Ergebnis steht im Blickpunkt. Die negativen Konsequenzen und die Moral – falls letztere noch vorhanden – werden ausgeblendet. 

     

    Auch Generationen von Politikern leben davon, dass ihnen die Wähler immer wieder die Verwirklichung der in Aussicht gestellten Wohltaten glauben. Die Einzelheiten werden rasch vergessen, aber schleichend geht das allgemeine Vertrauen in die Politik verloren. Nur markante versprochene und gebrochene Dinge wie der Ederer- Tausender2 und die Auflassung der Studiengebühren führen zur prompten Bestrafung durch die Wähler!

     

    Allemal sind mit der Abweichung vom Wege des Solls  aber  unvermeidliche Sanktionen verbunden. Hier muss man aber jetzt in zwei unterschiedliche Kategorien teilen:

     

    Die eine ist jene der Sanktionen auf Abweichungen von gesellschaftlichen Normen: Diese Sanktionen verschlechtern die Lage des Sünders absolut, sei es durch Strafen des Gesetzes oder durch das diskriminierende Absinken von Stellung und Rang-ordnung in der Gesellschaft oder den Folgen von Umweltsünden.

     

    Die andere  Kategorie ist jene, wenn man  durch Nichtnutzung vorgegebener Möglichkeiten nur sich selbst relativ einen Schaden zufügt, wobei aber abhängige oder verbundene Personen meistens mit leiden werden. Dies sind die Fälle, in denen jemand aus Bequemlichkeit oder mangelndem Selbstvertrauen  untätig bleibt.

     

    Es gibt also gewissermaßen eine Automatik der Sanktionen für die Sünder wider die Regeln des Lebens. Das alte Sprichwort „Jeder Mensch ist seines Glückes Schmied“ schießt aber wohl übers Ziel, denn „mit des Geschickes Mächten ist kein ew´ger Bund zu flechten“ und „es irrt der Mensch solang er lebt.“


    So schleppt wohl jeder so einige Hättiwaris mit sich herum. Zu einigen wird man sagen: „Na wenn schon!“ oder „Wer weiß, wozu es gut war!“


    Manche werden aber zeitlebens einen kleinen oder größeren Nadelstich verursachen. Das kann zum Beispiel vom kleinen Ärger über leichtfertig vergebene, geschätzte Gegenstände bis zu versäumten Gelegenheiten der Ausbildung in der Jugend gehen.

     

    Viele Politiker werden an das Sprichwort denken müssen:

    „Hättest Du geschwiegen, wärst du Philosoph geblieben.“  Ein paar unbedachte Worte können einen dauernden Schaden anrichten.  Spontan fallen einem da Jörg Haiders Ausspruch von der „ordentlichen Beschäftigungspolitik des Dritten Reiches“ ein  oder der Ausspruch Gusenbauers über „das übliche Gesudere“ seiner Genossen.

     

    Am besten ist es aber wohl, die nicht ausgeglichenen Sollsalden der Vergangenheit auszubuchen und nach vorne zu sehen.


    Tröstlich erscheint zudem, dass  mit zunehmenden Alter die „Hättiwari“ abnehmen, sei es, dass man aus Erfahrung durch Schaden doch noch klüger geworden ist, oder sei es, dass man seine Ziele weitgehend erreicht hat oder einfach bescheidener wurde. Sicher sinken mit dem Alter auch die Begehrlichkeiten.

     

    Grillparzer schrieb:

    „Des Menschen Dasein, alt und jung,,

    lebt zwischen Hoffnung und Erinnerung.

    Jung- glaubt dem Wunsch er alle Pfade offen

    und alt – erinnert er sich eben an sein Hoffen.“

     

    Trotzdem schauen die Alten mit ein wenig Neid auf die Jugend  mit ihrem Optimismus, der an die Welt voller unbegrenzter Möglichkeiten glaubt. Und das ist gut so, denn sie sollen den alten Spötter und Pessimisten  Grillparzer ad absurdum führen.

     



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