Gute alte Zeit ?

29 Aug 13:19 2013 von Oswald Schwarzl Print This Article

Ein kritischer Blick ins 18. Jahrhundert. Die Zeit Maria Theresias ohne Schönfärberei anhand eines Gesetzbuches

Wien. Politiker haben zu allen Zeiten die Geschichte für ihre Zwecke missbraucht. So schrieb Schiller schon 1800 im Wallenstein:

„Von der Parteien Zank und Hass verwirrt schwankt sein Charakterbild in der Geschichte.“

 

So wurde auch uns Kindern in meiner nun schon recht lange zurückliegenden Linzer Volksschulzeit  unter der Dollfuß-Diktatur ein r  echt idyllisches Bild der Kaiserin Maria Theresia (1717-1780) gezeigt, um daran einen unduldsamen vaterländischen Nationalismus hochzuziehen. Uns wurde vermittelt, dass „unsere große Kaiserin diejenige war, die uns aus gotischem Dunkel in die geistige Helle der Neuzeit geführt hat und gewissermaßen überlief im Verlangen, ihren Ländern eine wirkliche Mutter zu sein!“ Da gab es auch ein Lesestück, in dem der kleine Wolferl Mozart vor der Kaiserin Klavier spielte, auf ihrem Schoß sitzen durfte und ihr ein süßes Busserl gab.

So wurde die Kaiserin irgendwie ein Synonym für die romantische, so genannte gute alte Zeit, die nur das Wohl der Bürger wollte.


REGIONEWS

Tatsächlich aber war die Einstellung Maria Theresias zur Kunst recht prosaisch und als einige Jahre später ihr jüngster Sohn Ferdinand (1754-1806) bei ihr anfragte, ob er dem 15-jährigen Mozart eine Anstellung anbieten dürfte, schrieb sie ihm: „Ich wüsst` nicht wofür, da ich nicht annehme, dass Sie einen Komponisten oder sonstige unnötige Leute benötigen.“ Auch schrieb sie an Sonnenfels (1733-1817), der das Theater fördern wollte: „Die Komödianten sind eine Bagage und bleiben eine Bagage!“

 

Damit will ich ihre Verdienste um Verwaltungsreform, Gesundheits- und Schulwesen (erstmals allgemeine Schulpflicht) und  beim Militär keineswegs schmälern, wohl aber die Einseitigkeit der Darstellung kritisieren, die auch ihre bigotte katholische Einstellung beschönigte. Sogar eine Keuschheitskommission zur Hebung der allgemeinen Moral und Bespitzelung der Bürger wurde geschaffen. Bei der drakonischen Unterdrückung der Evangelischen ging die selbst 16-fache Mutter so weit, diesen bei ihrer Deportation die unmündigen Kinder wegzunehmen, um deren Seelenheil zu retten!


So recht mit den Schattenseiten ihrer Herrschaft wurde ich aber erst durch die Betrachtung eines Gesetzbuches aus ihrer Zeit konfrontiert und das kam so:


Foto: Verleger

Um 1970 wurden im kommunistischen Ungarn einmal die staatlichen Büchereien und Depots von den alten Beständen aus der Monarchie geräumt und diese tauchten dann zu Spottpreisen in den ebenfalls staatlichen Antiquariaten auf. So erstand ich unter anderem ein ungarisches Strafgesetzbuch aus der Zeit  Maria Theresias.

Es wurde 1751 in Pressburg, auf ungarisch Posony, in lateinischer Sprache gedruckt.

Zu jener Zeit war ja Pressburg, welches schon immer ein Teil des Ungarischen Königreichs war, auch der Sitz des Reichstages. Erst zehn Jahre vor obigem Datum war es, dass die Kaiserin als Königin von Ungarn dort, mit dem kleinen Josef (1741-1790) am Arm, die ungarischen Noblen um militärische Hilfe im Kampf um ihr Erbe gebeten hatte. Die Hilfe bekam sie dann auch, aber es hat sie die Zusage der Steuerfreiheit und Privilegien für den ungarischen Adels gekostet.

Apropos Kaiserin: Dieser Titel hat sich zwar allgemein eingebürgert und auch in der einleitenden Hommage des Buches an Maria Theresia wird sie neben ihren vielen Titeln als ROMANORUM IMPERATRICI bezeichnet, aber tatsächlich wurde 1745 nur ihr Gatte Franz Stephan (1708-1765) als  Franz I. zum römisch-deutschen Kaiser gekürt.


Foto: Verleger

Bei der Durchsicht des besagten Gesetzbuches fallen zwei Dinge besonders auf:

Die dort detailliert beschriebene Anwendung der Folter und der zu verfolgenden Straftatbestand der Zauberei und Hexerei! (Magia, Daemoniaca und Venefici).

 

Da die Folter in Preußen schon 1740 abgeschafft wurde, wundert es, dass diese hier 1751 noch immer Bestandteil der Rechtsordnung ist.

Tatsächlich galt diese nicht nur für Ungarn, und als 1768 ein neues, für Böhmen und Österreich einheitliches Strafrecht geschaffen wurde, war noch immer die „peinliche Halsgerichtsordnung“ und der Straftatbestand Zauberei enthalten. Erst 1776 wurde dies unter dem Einfluss von Josef und Sonnenfels endlich abgeschafft.

Zur Verdeutlichung des Geistes der damaligen Zeit nun einige Auszüge aus dem Buch in meiner möglichst sinngemäß bemühten Übersetzung (kursiv):

 

Von der Tortur  sind ausgenommen:

Unreife, Wahnsinnige, Stumme, Taube ,Greise, Schwerkranke, Schwangere, Wöchnerinnen, Geistliche, berühmte Personen, Adelige, Doktoren, Soldaten, Geistliche etc. Somit verbleibt die Tortur für das niedrige Volk.

 

Die folgenden Grade der Folter sind zu beachten und anzuwenden:

1. Den Angeklagten mit der Folter drohen und in Schrecken versetzen, dabei zunächst milde, dann harte Worte gebrauchen.

2. Ernste und grimmige Drohgebärden noch ohne eigentliche körperliche Anwendung.

3. Die Hände des Angeklagten der Tortur unterziehen, zunächst als Schreckmittel, von der Vorbereitung bis zu leichten einleitenden Qualen. Der Angeklagte wird entkleidet, nackt festgebunden, die Folterinstrumente sichtbar bereitgelegt, angepasst und angesetzt, das Feuer angefacht.

4 .Festes Zusammenschnüren der Hände und Finger

5. Anwendung der Streckbank: Gewaltsames Ausziehen und Ausdrehen der Glieder und Gelenke.

6. Anwendung glühender Eisen und Brennen mit diesen.

7. Fingerpressen (Daumenschraube), Einschlagen spitzer Eisen unter die Fingernägel, fixieren derselben, stechen.

8. Anwendung brennender Kerzen oder Kienspäne oder brennenden Strohs am Körper.

9. Auf eine abrasierte Stelle am Kopf über dem Hirn ständiges

Auftröpfeln von Eiswasser.

10. Brennenden Schwefel oder Pech körperlich anwenden.

11. Hohlformen mit innen spitzen Eisen, spanische Eisen genannt, Schienbeinquetsche etc. anwenden.

Die anschließende Aufforderung, in der Anwendung christliche Milde und Mäßigung walten zu lassen, klingt wie eine Verhöhnung. Wie soll man ein spitzes Eisen mit christlicher Milde jemanden unter den Fingernagel schlagen?

Die Tortur ist ein Akt, welcher mit Hilfe von Befragung unter Qualen die Wahrheit herausbekommen und zum Ausdruck bringen will, wenn dies auf übliche Weise nicht gelingt.

 

Diese Texte sprechen für sich. Zunächst fällt einem dazu nur ein: Perverse Sadisten!

Dass die „erhabene, unbesiegbare glorreiche und aller-gnädigste“ und wohl auch allerfrömmste Kaiserin dies  alles in Einzelheiten gekannt und gebilligt hat, bestreitet eigentlich niemand.

Sie kümmerte sich um alle Kleinigkeiten und wenn ihre Reden in lateinischer Sprache auch vom Minister Bartenstein konzipiert waren, der schon ihrem Vater gedient hatte, beherrschte sie diese Sprache neben Italienisch und Französisch doch recht gut.

 

Bevor wir aber jetzt die große Verdammnis über die Vergangenheit aussprechen, sei z. B. erinnert: Selbst die Amerikaner, welche sich weltweit als Verteidiger der Menschenrechte aufspielen, scheinen im Gefangenenlager Guantanamo noch heute im 18. Jahrhundert zu leben und halten seit Jahren Menschen ohne Anklage in Isolierhaft.

Schon die alten Römer sagten: homo homini lupus.

Frei übersetzt, ohne dem römischen Wolf: Der schlimmste Feind des Menschen ist der Mensch!



  Markiert "tagged" als:
  Kategorien:
view more articles

Über den Author

Oswald Schwarzl

CR

Chefredakteur in Ruhe