Die wundersame Geldvermehrung im alten Österreich oder „Papier ist geduldig“
Ein Vergleichsversuch der gegenwärtigen europäischen Finanzprobleme mit jenen der seinerzeitigen Österreichischen Monarchie
WIEN. Solange „Geld“ gleich „Münze“ war und diese Münze selbst –meist in Silber – ihren Wert verkörperte, war eine wundersame Geldvermehrung für die Regierenden relativ mühsam, da man bei gleichem Nominale für jeder Münze beim Prägen den Silbergehalt verringern musste.
Um die im Laufe der Zeit entstandene Zweifelhaftigkeit von Münzen zu beseitigen, wurde unter Maria Theresia (1717-1780) im Jahre 1750, kurz nach Beendigung ihres Erbfolgekrieges, mit den süddeutschen Staaten die so genannte Conventionsmünze vereinbart : 1 Gulden (fl) = ½ Taler hat einen Silbergehalt von 14 Gramm zu haben. 60 Kreuzer in Kupfer entsprechen einem Gulden.
Aber schon kurz darauf begann der nächste vergebliche, gleich siebenjährige Krieg um Schlesien mit Preußen (1756 – 63), der Menschen und Geld verschlang. Da hatte die von der Monarchin neu geschaffene Hofkammer für Finanzen als einer der ersten Staaten im Jahre
1762 die Idee der Geldschöpfung mit Papier. Die so genannten Bancozettel waren eine Anweisung auf Conventionsmünze und Steuern und Abgaben etc. an den Staat mussten zu einem Drittel, später mit mindestens der Hälfte damit bezahlt werden. Für den Ausgeber stellten sie somit einen zinsenlosen Kredit dar und für den Erwerber waren sie müheloser zu handhaben als Münzgeld, solange kein Zweifel an ihrer Einlösbarkeit bestand.
Nach Maria Theresia regierte ihr Sohn und Mitregent Joseph II (1741-90) zehn Jahre lang allein, dann nur zwei Jahre sein Bruder Leopold II (1747-92), nach dessen Tod dessen ältester Sohn Franz (1768-1835), der mit 24 Jahre die Kaiserwürde übernahm und 43 Jahre lang trug
Die kriegerischen Auseinandersetzungen gingen in dieser Zeit immer weiter, zunächst mit der Türkei und dann kam das dicke Ende mit den napoleonischen Kriegen.
Nun wollen wir die Regierungszeit des Kaisers Franz mit einem Blick in die damaligen Akten näher beleuchten.
Dem schloss sich der Kaiser an und fügte zur ebenfalls vorgeschlagenen Verwaltungsreform hinzu: „Die Verminderung des Personals sei um so wichtiger, als viele Beamte zur Lauigkeit im Dienste verleiten, neue Arbeiten erfunden und die Geschäfte in unnützer Weise vermehrt werden“.
Solche klare Worte würde sich ein gewählter Staatenlenker heute aber höchstens zu sagen wagen, wenn er glaubt, dass die Mikrophone schon abgeschaltet sind! Da war der Kaiser doch in einer besseren Position, denn er bzw. seine Familie übte die Macht mit Bezug auf Gottes Gnade aus und daher konnte sie ihm kein Sterblicher nehmen; zumindest in der Theorie. Pech für die Untertanen war, wenn durch Inzucht ein geistig Unbedarfter am Throne saß und die göttliche Gnade nicht wirkte.
So ging der bequeme Weg der Bancozettel–Vermehrung immer weiter. Waren 1762 am Jahresende noch solche für 12 Mio fl. (Gulden) in Umlauf, waren es 1802 schon 337 Mio fl.
Auch damals war es die jüngere Generation, welche versuchte, unabhängig zu denken. Zwar war der Kaiser Franz nur wenige Jahre älter als der Nächste seiner Brüder als da u.a. waren: Carl (*1771) der als Heerführer zwar bei Aspang den einzigen Sieg gegen Napoleon errang, aber die entscheidende Schlacht von Wagram verlor, Joseph (*1776) der sich als Palatin von Ungarn (Stellvertreter des Kaisers) Verdienste erwarb, Johann (*1782) der als der volkstümliche Erzherzog der Steiermark beliebt war und Rainer (*1783), die von der Natur wohl mit größerer Intelligenz und Tatkraft ausgestattet ihn mit ungebetenen Vorschlägen ärgerten.
So vertrat Erzherzug Carl in einem vertraulichen Brief vom
15. 1. 1802 an den Leiter der Staatskanzlei zum Problem der wachsenden Schulden die Meinung, „dass ein wohl einge-leiteter partieller Bankerott dem Staate sowohl als seinen Gläubigern und Unterthanen weniger nachtheilig wäre, als der gegenwärtige Zustand, der den Staat dem Verderben immer mehr entgegenführt und am Ende einen gänzlichen Bankerott nach sich ziehen müsse.“
Fast vermeint man, der Erzherzog habe prophetische Worte über die EU-Finanzpolitik des 21. Jahrhunderts gesprochen!
Auch die Meinung des Volkes über Banker – alles schon da gewesen: „Die herrschende Meinung sehe den Grund des Übels in dem schlechten Charakter der hiesigen Bankiers, lautet ein Bericht des Polizeidirektors, welche so lieblos an dem Ruin des Staates arbeiten. Dermalen, heißt es in einem anderen Bericht, gleiche die Börse einem Tandelmarkte, der Auswurf der niedrigsten Menschenclasse bestürme dieselbe, ordentliche und zum Geschäft befugte Männer werden von dieser Gattung Leute zurückgedrängt und überschrien.“
Der Öffentlichkeit war es aber nicht erlaubt, die Dinge beim Namen zu nennen: „..verfügte der Kaiser, gegen Personen einzuschreiten, welche eine Beängstigung des Publikums hervorrufen. Vorzüglich seien jene ins Auge zu fassen, welche in weiteren Kreisen dem Gedanken eines Staatsbankerottes Eingang verschaffen.“ (Kaiserliche Entschließung v. 28. 6. 1808).
Im Frieden von Schönbrunn (14.10.1809) musste sich Österreich dem Franzosenkaiser geschlagen geben und neben Gebietsverlusten ihm noch 200 Mio fl. Kriegsentschädigung versprechen.
In der nun folgendem Atempause wurde eine Konsolidierung der Finanzen versucht.
1811 wurden die inzwischen inflationär angewachsenen Bancozettel im Verhältnis 5 zu 1 auf die sogenannte „Wiener Währung“ umgewechselt. Das neue Papiergeld hieß nun Einlösungsschein oder Antizipationsschein und darauf steht, dass es an allen Staatskassen angenommen wird.
Mit anderen Worten: War ursprünglich für 1 Conventions-münze auch nur 1 Bancozettel erforderlich, wurde dieser nun um 80 % abgewertet.
Nach Napoleons Niederlage in Russland erhob sich Europa erneut gegen ihn und Österreich trat dem neuen Krieg 1813 bei.
Nach dem endgültigen Sieg und der Neuordnung im Wiener Kongress ( 1814 /15 ) war aber auch die schon wieder infla-tionierte Wiener Währung zu sanieren:
1816 gab es für 350 fl. Wiener Währung, die im Ausland mit nur 20% ihres Nominales gehandelt wurde, eine neue papierene Anweisung auf 100 fl. Conventionsmünze, für die nun die neu gegründete Nationalbank als Herausgeber firmierte
und die Werthaltigkeit sichern sollte.
Diese Sanierung hielt nun gut 40 Jahre. Doch unablässig wurde an den Grundfesten der Monarchie gerüttelt: Kriege gegen Aufständische in Italien und Bosnien, 1835 stirbt Kaiser Franz und für den schwächlichen Sohn Ferdinand regiert de facto ein Staatsrat unter Metternich und dann 1848 der große Aufstand auch innerhalb der Grenzen. Die rebellischen Ungarn können nur mit Hilfe Russland erst im Oktober 1850 endgültig besiegt werden. Die eigenen Aufständischen erhalten zunächst Zugeständnisse, die dann der dem zurückgetretenen Ferdinand nachfolgende Franz Joseph (1830 – 1916) bald wieder kassiert.
Radetzky schlichtet in Italien weiter Unruhen und Österreich mischt sich am Balkan ein und besetzt 1854 die von den Türken im Krimkrieg (Russland –Türkei ) geräumten Donaufürstentümer. Die Preußen wollen unter Federführung von Bismarck (1815-98) zunehmend allein den Ton in Zentraleuropa angeben. Die Deutsche Zollunion ist deshalb ohne Österreich. Unter diesen Aspekten erfolgt 1858 die nächste Währungsreform. Mit dem Auschluss Österreichs vom „Deutschen Zollverein“ ist auch die Münzconvention Vergangenheit. 100 Gulden Conventions-währung entspricht 105 Gulden der neuen, ebenfalls auf Silber basierenden österreichischen Währung. Untereinheit 60kr =1fl.
Nun macht das Währungsmonopoly wieder einen größeren zeitlichen Sprung auf 1892, aber dazwischen liegt die ganze Tragödie des Abbaus der Monarchie. Sie verliert Einfluss und Besitzungen in Italien, (Schlagwort Schlacht von Solferino 1859) und nach einen unglücklichen Krieg gegen Preußen (Schlagwort Schlacht von Königgrätz 1866) allen Einfluss und zahlt noch 20 Mio Taler Kriegsentschädigung.. Nun erreichen die rebellischen Ungarn in der nun k.u.k. österreichisch ungarischen Monarchie weit-gehende Autonomie. Österreich erreicht am Berliner Kongress 1878 Okkupationsrechte für Bosnien – Herzegowina zur Beschränkung des türkischen Einflusses.
Die neue Währung basiert erstmals auf Goldstandard. Eine Krone zu 100 Heller entsprach ½ Gulden alter Währung. Es gab Goldmünzen sowohl wie Banknoten, auf denen z.B. vermerkt ist: „Die Österreichisch-ungarische Bank zahlt gegen diese Banknote bei ihren Hauptanstalten in Wien und Budapest sofort auf Verlangen zehn Kronen in gesetzlichen Metallgelde.“
Das österreichische Interesse am Balkan hat schließlich zum Konflikt mit Serbien und also mit Russland geführt. Die verschiedenen Pakte führten so zum bekannten Ersten Weltkrieg 1914 – 1918 und zum Ende der Donaumonarchie. Ihre Währung überdauerte diese noch einige Jahre als Papierkronen und ging erst 1925 in einem Inflationsstakkato unter. Für 10 000 Papierkronen gab es 1 neuen Schilling.
Es wäre falsch, hier den Eindruck zu vermitteln, Papiergeld an sich wäre etwas Negatives. Wie die meisten dynamischen Ideen macht aber das Pendel nicht in der vernünftigen Mitte halt und der Missbrauch einer Idee ist nicht zu verhindern.
Die ganze industrielle Entwicklung Europas des 19. Jahrhun-derts, ausgehend von der Erfindung der Dampfmaschine 1765 in England, wäre ohne eine flexible Geldpolitik der Staaten nicht möglich gewesen. In den Großstädten der ehemaligen Monarchie stellen noch heute die Gründerzeitbauten einen wesentlichen Teil der alten Bausubstanz dar. Das Zuviel führte aber zu Spekulation und Börsenkrach (Wien 1873) und auch auf die Probleme der damals entstehenden Arbeiterklasse darf nicht vergessen werden.
Seit es Papiergeld gibt, wiederholt sich das üble Spiel immer wieder. Immer wieder sind auch in erster Linie die Massen von kleinen Leuten die Opfer, die sich keine materiellen Werte schaffen konnten.