Ägypten 2013: Woher, wohin?

28 Jul 18:19 2013 von Oswald Schwarzl Print This Article

Wie es begann

„Feber 2011 in Nordafrika: Eine islamische Revolution? Nein, eine soziale! Die wachsenden Massen leben im Elend. Das Bild erinnert an Europa 1848 und so wird wohl auch das Ende sein: Nach Versprechungen nur neue Unterdrückung, denn zu selbstherrlich ist jede Oppositionsgruppe, jeder Clan. Demokratie mit Kompromissen? Wesensfremd! Es würde als Schwäche oder Dummheit verstanden werden. Dies weiß jeder und jeder würde es so machen, so lange er genügend Macht hat.! Also eine Art von Fairness  im „Jeu d´ hazard orientale“ ?  Ergebnis: Wahrscheinlich Chaos auf Jahre!
Leider sind für Bevölkerungsexplosionen  ohne Wirtschaftswachstum rasche volkswirtschaftliche Wundermittel unbekannt.“

Statistische Werte sind Durchschnittszahlen. Somit ist klar, dass dies keine Aussage darüber erlaubt, wie ein Bruttoinlandprodukt (BIP) sich auf die Bevölkerungsschichten verteilt. Meist ist gerade in armen Ländern der Unterschied zwischen arm und reich besonders groß.

Aus den Daten wird aber jedenfalls schnell klar, dass es sich bei Ägypten nicht um einen lokalen Einzelfall handelt, sondern dass dieser die Folge eines globalen Problems ist, dem Problem der Überbevölkerung ganzer Weltteile. Die Unmöglichkeit großer Massen junger Leute, sich in den Wirtschaftskreislauf einklinken zu können, schafft die Sprengkraft für Krawalle und Unruhen. meist findet sich dann auch ein Interessent im Hintergrund, der sich dies für seine Zwecke  zu Nutze macht und schürt.

In früheren Jahren war das Rezept der Herrscher  bei Übervölkerung in der Regel, sich vom Nachbarn durch Krieg einfach Raum und Vermögen zu holen. Dies ist heute viel schwieriger geworden und so richtet sich der Zorn der Massen gegen die Regierenden selbst. Der Versuch derselben, die Schuld einfach auf eben die Nachbarn, die koloniale Vergangenheit, die USA etc. zu schieben, verliert mit der Zeit an Wirkung.

Eigentlich hat Europa im 18. und 19. Jahrhundert ja  nicht anders gehandelt und  seine Überbevölkerung in ferne Kontinente geschickt um dort zu plündern. Dieses Spiel lassen die anders gearteten militärischen Verhältnisse heute nicht mehr zu.

Aber der Bevölkerungsdruck wird Wege finden, das ist gewissermaßen ein physikalischer Vorgang. Dabei ist zu berücksichtigen, dass im Süden gegenüber Europa zunächst die islamischen Staaten als Filter wirken, dahinter aber mit noch viel größeren Kesseldruck Schwarzafrika steht. Siehe die Zahlen des beispielhaft angeführten Nigerias.

Nun ist die westliche Welt nicht so borniert, dies nicht erkannt zu haben. Die Entwicklungshilfe hat den Westen zwar Milliarden gekostet, doch war der Effekt in Verkennung der kulturellen Voraussetzungen fast Null.  Diesbezüglich wird auf zwei Bücher von Kennern der Materie verwiesen:
William Easterly: (16 Jahre Afrika für Weltbank, heute Prof. in N.Y.)): „ Wir retten die Welt zu Tode“. Verlag Campus 2006. und
Volker Seitz: (14 Jahre als Diplomat in Afrika):  „ Afrika wird armregiert.“  Dtb - Verlag 2009.

*Reuters
Zurück zu Nordafrika:  Hat die Religion auf die wirtschaftliche Lage eines Staates einen  Einfluss?
Ursprünglich waren  die Araber unter den Kalifen doch ein Hort des Wissens und der Gelehrsamkeit und besaßen berühmte Bibliotheken mit dem Wissen der alten Griechen und Indiens.

Da setzte Ende des 13. Jh. eine Gegenbewegung ein, welche wissenschaftliche Untersuchungen als Gotteslästerung verdammte. Auch der 1445 erfundene Buchdruck war bis 1885 verboten, Korankopien durften nur handschriftlich erstellt werden. Noch heute werden sehr wenige Bücher aus dem Westen in arabischer Schrift gedruckt. Der Wunsch nach mehr Wissen setzt daher die Erlernung einer Fremdsprache (Englisch!) voraus und beschränkt so das Wissensniveau der Massen.


Kompromissloser Richtigkeitsanspruchs der Religionsfanatiker
Die herausragende Stellung der Türkei (siehe Statistik!)  ist der Reform Atatürks zu verdanken, der die lateinische Schrift und die Trennung von Staat und Religion verfügte. Heute wird er aber  in zunehmenden Maße als Verräter an der Religion angesehen. Konservative Kreise mit breitem Rückhalt außerhalb der Städte wollen die religiösen, im frühen Mittelalter formulierten Gesetze der Religion als alleinige Grundlage des Staates.

Angesichts  des kompromisslosen Richtigkeitsanspruchs der Religionsfanatiker kann daher die Betrachtung der Zukunft  nicht mit einem „Alles wird gut!“ schließen sonder muss lauten: „Alles ist möglich“!“


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