München: Die Grande Dame des Belcanto

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14 Apr 17:26 2011 von Redaktion Kultur Print This Article

Edita Gruberova als Norma an der Bayerischen Staatsoper München


MÜNCHEN: Der Name Edita Gruberova wirkt wie ein Magnet auf Menschen. Der Ansturm an die Theaterkassen war vorprogrammiert. Innerhalb kürzester Zeit waren die Eintrittskarten der Bellini Oper „Norma“ ausverkauft. Wie auch im Jänner 2006, als sich Gruberova erstmals in München an deren szenische Realisierung wagte. Ihr erstes konzertantes Norma-Debüt führte sie erfolgreich bereits 2003 in Tokio auf. 


Die Titelrolle verlangt einen Charakter, den Bellini selbst als „enzyklopädisch“ bezeichnete. Gruberova – die Koloraturmeisterin dieser Zeit – hat diese ungemein breite Palette von Ausdrucksmitteln in ihrer Stimme, in ihrer Kehle. Ihre extreme stimmliche Virtuosität, ihre exzellente Koloraturtechnik und ihre Fähigkeit zu eindringlicher Deklamation macht sie zur Primadonna assolute des Belcanto. Größter Respekt und höchste Ehrfurcht vor dieser Frau, die sich mit fast 60 Jahren noch diese Aufsehen erregend schwierige Koloratur der Titelpartie der Norma erarbeitete.


Alle warten an diesem Sonntagabend gespannt auf den Auftritt der Grande Dame Edita Gruberova. Der Vorhang geht auf. Dunkle Nacht, düster graue Landschaft, nur der Druidenstein, der als Altar dient, eine Schale mit loderndem Feuer und ein großer Gong sind zu sehen. Drei Symbole, die Regisseur Jürgen Rose in jeder Szene der Oper präsent sein lässt. Von Ferne sind die religiösen Klänge des stimmlich beeindruckenden Chores zu hören. Dutzende von Kriegern und gallischen Soldaten mit Lanzen und Speeren, Druiden, Priesterinnen und der Oberpriester Oroveso marschieren auf den Hain der Druiden zu. Fast alle Kostüme distanziert in Grau gehalten. Lediglich von den Kleidern der Novizinnen blitzen feine Silberstreifen in die dunkle mystische Nacht hinein. Jürgen Rose füllt die Bühne mit Mengen von Menschen und gibt trotzdem den Künstlern Raum für ihre musikalische Darbietung. Spartanisch auch das zweite Bühnenbild. Zweiteilig – gleich dem Leben der Norma. Der obere Teil zeigt die Außenwelt – die Welt der Druiden; der untere Teil die Innenwelt – Normas Welt mit ihren Kindern. Die Unterkunft zurückhaltend in Grau. Nur ein Dreieck in der Mitte der Decke, welches das einfache und doch effektvolle Lichtdesign von Jürgen Rose und Michael Bauer nur in beseelten und liebevollen Momenten weiß erscheinen lässt: Norma zu sehen als liebende Mutter mit ihren Kindern und in der Szene als Norma mit Adalgisa Freundschaft schließt.


 


Bellinis eigene Worte: „Die Oper muss das Publikum weinen, schaudern, sterben machen – durch den Gesang.“ An diesem Abend ist dies den Protagonisten gelungen.


Edita Gruberova in der Rolle der Norma, der pflichterfüllten Druidenpriesterin und der liebevollen, doch leidenden Mutter. Nach der eher zurückhaltenden Auftrittsarie „Casta Diva“ (Keusche Göttin), die das Publikum dennoch mit stürmischem Applaus anerkannte, entfaltete sich ihr Auftritt im Laufe des Abends zu einer fulminanten Koloraturen-Herrlichkeit. Zart, leise, sinnlich. Gruberovas Stimme berührt, entführt. Die Koloraturen ertönen wie lichtvoll strahlende Sphärenklänge aus anderen Welten. Sie zieht das Publikum in ihren Bann. Das nivellierte Legato in der Szene, wo sie vor ihren Kinder steht und überlegt sie zu töten, ist zutiefst ergreifend. Ihr "Messa di voce Einsatz" bemerkenswert, die Piani wunderbar getragen, die hervorragende Biegsamkeit ihrer Stimme, die klaren Höhen und impulsiven Tiefen begeistern das Publikum. Doch die zutiefst verletzte Frau, die erfahren muss, dass sich ihr Geliebter und Vater ihrer Kinder einer anderen, jungen Frau zugewandt hat – dieser Schmerz, der wie ein Blitz durch den ganzen Körper jagen müsste, wurde weder in der Mimik noch im Gesang offenbart.


 


Eine herausragende Leistung der Italienerin Sonia Ganassi als erstaunlich mitfühlende Adalgisa und als Rivalin Normas. Ihr vielschichtiges Ausdrucksspektrum begeistert bereits in ihrer ersten Arie und besonders im Duett mit Pollione, in der Szene, wo er seiner jungen Geliebten Adalgisa abringt, mit ihm nach Rom zu gehen. Das große Duett zwischen Norma und Adalgisa im zweiten Akt wurde zu einem hoch emotionalen Operngesang. Ihre wunderschön timbrierten Stimmen passen gut zusammen und waren ein Hochgenuss. Das Publikum bedankt sich mit Ovationen.


Der aus Belgrad stammende Tenor Zoran Todorovich gab einen Pollione mit ausgeglichener Stimmführung, sicheren Höhen und einer enormen Farbvielfalt. Er bewies, dass er im Belcanto-Repertoire zu den führenden Tenören unserer Zeit zählt.



Das Ensemblemitglied der Bayerischen Staatsoper, der Bassist Steven Humes, sang einen überzeugenden Oroveso mit beachtlicher Stimme. Flavio, Polliones Freund, gab der Peruaner Francesco Petrozzi mit einem hellen Tenorprofil. Die Mezzosopranistin Okka von der Damerau als Clothilde war in ihrem Gesang sehr gut konturiert.


Unter der musikalischen Leitung von Friedrich Haider zeigte das Bayerische Staatsorchester eine eindrucksvolle Leistung und spielte auf ganz ausgezeichnetem Niveau. Zart und fein und auch ausdrucksstark die Querflöten im ersten Akt, als sich Norma durch die Erzählungen Adalgisas an ihre große Verliebtheit mit Pollione erinnert.


Gut vorbereitet hatte Sören Eckhoff den Chor der Bayerischen Staatsoper. Dieser bot sängerisch eine hochgradige Leistung. Das Publikum bedankte sich zu Recht mit tosendem Applaus.


Das äußerst informativ und spannend geschriebene sowie aufwändig gestaltete Programmheft komplettierte diesen großen Opernabend.


Kurzinhalt:


Norma ist die Liebestragödie der gallischen Oberpriesterin der Druiden und des römischen Prokonsuls, Pollione, dessen heimliche Geliebte sie seit langer Zeit ist, mit dem sie ihr Keuschheitsgelübde gebrochen und mit dem sie bereits zwei Kinder hat. Norma ist zerrissen zwischen religiöser Pflicht und leidenschaftlicher Liebe. Pollione aber hat indes sein Herz an die Novizin Adalgisa verloren und will mit ihr nach Rom fliehen. Normas Schicksal nimmt einen tragischen Verlauf. Am Ende übernimmt sie die Verantwortung für ihr Handeln und will für ihr Vergehen am Scheiterhaufen büßen.



„Norma“ von Vincenzo Bellini


Tragedia lirica in zwei Akten, Libretto Felice Romani


Uraufführung: 26. Dezember 1931 im Teatro alla Scala, Mailand


Musikalische Leitung Friedrich HaiderInszenierung Jürgen Rose   


Choreographische Mitarbeit Jo Siska, Bühne und Kostüme Jürgen Rose   
Licht Michael Bauer, Lichtkonzept Jürgen Rose   
Produktionsdramaturgie Peter Heilker, Chöre Sören Eckhoff   
Pollione Zoran Todorovich, Flavio Francesco Petrozzi, Oroveso Steven Humes   
Norma Edita Gruberova, Adalgisa Sonia Ganassi, Clotilde Okka von der Damerau   





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