Österreich: Hassreport Österreich - Hass im Netz ist weiterhin auf Rekordniveau

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BanHate: App zum Melden von Hasspostings
Foto: BanHate
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Extremismus- und Antidiskriminierungsexpertin
Foto: Foto Fischer
28 Feb 14:13 2022 von OTS Print This Article

2817 Meldungen gegen Hasspostings verzeichnete die Initiative BanHate im Jahr 2021. Kritik: Keine rechtliche Handhabe gegen Verschwörungstheorien im Netz.

Graz/Wien (OTS) - Die aufgeladene Stimmung in Österreich bleibt auf Rekordniveau: In ihrem aktuellen Online-Hassreport veröffentlichen die InitiatorInnen der App BanHate nun die jüngsten Statistiken zu Hass im Netz in Österreich. Insgesamt gingen im vergangenen Jahr 2817 Meldungen über die BanHate-App ein. Nach dem Negativrekord im Jahr 2020 mit 3215 Meldungen liegt man damit noch immer um 66 Prozent über den Zahlen vor Ausbruch der Pandemie.

Wie die Auswertungen der aktuellen BanHate-Statistik im Detail zeigt (Mehrfachnennungen möglich), richtet sich der Hass der Menschen zum überwiegenden Teil gegen die Covid-19-Maßnahmen (61 Prozent) oder hat Verschwörungstheorien (42 Prozent) sowie nationalsozialistische Parolen bzw. Wiederbetätigung (36 Prozent) als Grundlage. „Vor allem bei den als sogenannten Fake News bekannten Verschwörungstheorien fehlt es leider an der rechtlichen Handhabe“, kritisiert die Extremismus- und Antidiskriminierungsexpertin Daniela Grabovac, die BanHate im Jahr 2017 als europaweit erste App zum Melden von Hasspostings initiiert hat.

Wünschenswert wäre laut Grabovac eine Überprüfung der Verschwörungstheorien durch unabhängige gerichtliche Instanzen. In diesem Zusammenhang empfehlen die InitiatorInnen von BanHate auch die Wiedereinführung oder Neugestaltung des im Jahr 2015 außer Kraft getretenen § 276 StGB (Verbreitung falscher und beunruhigender Gerüchte), um eine rechtliche Vorgangsmöglichkeit gegen die wissentliche Behauptung und Verbreitung unwahrer Tatsachen und Nachrichten zu schaffen und somit gezielten sowie manipulativen Desinformations-Kampagnen Einhalt zu gebieten. Grabovac: „Dabei geht es keinesfalls um Zensur, sondern darum, auch rechtlich gegen jene bewusst veröffentlichten Falschmeldungen vorgehen zu können, die eine Spaltung der Gesellschaft vorantreiben.“

Auffallend im vergangenen Jahr war auch, dass es mit 291 Meldungen immer mehr Delikte gegen die Ehre gab (§ 111 StGB, § 115 StGB) – also Verleumdungen und Beleidigungen. 335 Meldungen betrafen den Tatbestand des Verbotsgesetzes und bei 212 Meldungen kam das Delikt der Verhetzung zum Tragen.

Von allen 2817 Meldungen zu Hasspostings, die über die BanHate-App im vergangenen Jahr eingegangen sind, wurden 1589 Meldungen an die zuständigen Stellen in Österreich und Deutschland weitergeleitet bzw. zur Anzeige gebracht. Nicht verfolgt werden gemeldete Hasspostings aus unterschiedlichen Gründen – zum Beispiel weil sie strafrechtlich nicht relevant sind, vor der Bearbeitung durch die zuständige Stelle gelöscht werden oder weil sie etwa Privatanklagedelikte betreffen. Grabovac: „Die BanHate-App funktioniert wie ein Seismograph, wenn es um das Erkennen von hasserfüllter Stimmung in unserer Gesellschaft geht. Und dieser Seismograph schlägt noch immer überdurchschnittlich stark aus.“

Über BanHate Durch die Einführung von BanHate, der europaweit ersten App zum Melden von Hasspostings, verfügt die Antidiskriminierungsstelle Steiermark mit Sitz in Graz über detailliertes Zahlenmaterial aus ganz Österreich zum Thema Hass im Netz. Initiatorin von BanHate ist Daniela Grabovac, Leiterin der Antidiskriminierungsstelle Steiermark sowie der Extremismuspräventionsstelle Steiermark „next – no to extremism“. Seit dem Start der App am 19. April 2017 gingen 11.151 Meldungen zu Hasspostings ein. Der überwiegende Teil der gemeldeten Inhalte betrifft Österreich, der Rest andere deutschsprachige Länder. Knapp 90 Prozent der gemeldeten Postings wurden auf Facebook veröffentlicht. Seit Mai 2020 verfügt die BanHate-App auch über eine Erweiterung zum Melden von sogenannten Hate Crimes. Programmiert wurde die App von der Grazer Kreativagentur Golddiggers. Finanziert wird die App vom Land Steiermark (Ressort Soziales und Integration) sowie von der Stadt Graz (Ressort Soziales, Bildung und Integration).

www.banhate.com

Reaktionen aus der Politik:

Doris Kampus, Landesrätin Steiermark (Soziales, Arbeit und Integration): Hass-Postings, Diskriminierung und Verhetzung sind beinahe allgegenwärtig in den sogenannten Sozialen Medien, die diesen Namen in solchen Fällen gar nicht verdienen. Besonders erschreckend ist die hohe Anzahl an Meldungen im Zusammenhang mit NS-Wiederbetätigung. Für alle Formen des Extremismus gilt, dass Hinschauen statt Wegschauen eine der großen, gesellschaftlichen Aufgaben unserer Zeit ist. Mit dem Meldesystem „Ban Hate“ der Antidiskriminierungsstelle, welches das Sozialressort des Landes fördert und international Vorbildcharakter hat, ist das seit fünf Jahren auch einfach und wirksam möglich.

Robert Krotzer, Stadtrat Graz (Integration): Beim Reden kommen die Leut‘ z’samm“, heißt es zurecht. Leider gilt dieser Satz aber oft dann nicht, wenn es um Debatten im Internet geht. Es ist vielmehr erschreckend, wie sich gesellschaftliche Bruchlinien mittlerweile in der Jahresbilanz des Online-Hassreports widerspiegeln. Hass in all seinen Spielarten ist nicht zuletzt Ausdruck einer Gesellschaft, die von sozialer Spaltung, von der wachsenden Kluft zwischen Oben und Unten sowie von ungleichen Chancen geprägt ist. Umso wichtiger ist gerade jetzt die Förderung und Stärkung gesellschaftlicher Solidarität. Nur umfassende Teilhabe und Mitsprache aller Menschen im politischen, kulturellen und auch wirtschaftlichen Leben können dem Hass den Nährboden entziehen.

Kurt Hohensinner, Stadtrat Graz (Bildung, Jugend und Familie): Vor rund fünf Jahren haben wir die Hassposting-Melde-App BanHate gemeinsam gestartet. Rückblickend hätten wir zum Start nicht gedacht, wie sehr diese seit damals in Anspruch genommen wird. Über 11.000 Meldungen zeigen den großen Erfolg der App, gleichzeitig aber auch eine zu­nehmende Verrohung, Unkultur und gesellschaftliche Bruchlinien im Netz, die manchmal auch mit strafbaren Handlungen einhergehen. Die Corona-Pandemie hat diesen Trend leider noch weiter verstärkt.


Quelle: OTS



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