Getreideernte 2023: Trübe Stimmung trotz sonniger Ertragsaussichten

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Getreideernte 2023: Trübe Stimmung trotz sonniger Ertragsaussichten
Foto: LKÖ
29 Jun 21:00 2023 von OTS Print This Article

Schwierige Marktlage bei Getreide, Verluste bei Herbstkulturen wie Zuckerrüben und Kürbis absehbar

Bei Getreide ohne Körnermais wird derzeit von einem 2%-igen Ernteplus gegenüber 2022 bzw. einer Gesamtmenge von 3,065 Mio. Tonnen ausgegangen - bei einem 2%-igen Flächenrückgang auf insgesamt rund 520.100 ha. Trotz dieser guten Ernteaussichten ist die Stimmung im österreichischen Ackerbau wegen stark gefallener Preise, hoher Kosten, fehlender Pflanzenschutzmittel und damit absehbarer Verluste bei den Herbstkulturen mehr als getrübt. Wie die Situation im Detail aussieht, beleuchteten LK Österreich-Präsident Josef Moosbrugger und LK Burgenland-Präsident Niki Berlakovich heute beim Ernte-Pressegespräch 2023 in Leithaprodersdorf, Bezirk Eisenstadt-Umgebung.

"Auch wenn die Getreidebestände heuer recht gut dastehen und wir aktuell damit rechnen, dass gute Brot- und Backqualitäten bei Weizen und Roggen geerntet werden können, ist die Stimmung der Ackerbäuerinnen und -bauern im Keller. Die Preise für die kommende Ernte sind wieder stark und sogar unter das Niveau vor dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine gefallen. Da die Verfügbarkeit vieler Betriebsmittel im Herbst bzw. Winter zuvor unsicher war und daher zu extrem hohen Kosten eingekauft werden musste, klafft die Preis-Kosten-Schere massiv auseinander", berichtet Moosbrugger. "Das EuGH-Urteil zu Notfallzulassungen verschärft den Mangel an notwendigen Pflanzenschutz-Wirkstoffen. Der damit verbundene Schaden bringt viele Betriebe zusätzlich unter Druck", so der LKÖ-Präsident.

Witterung: Vorteilhaft für Getreide, herausfordernd für Herbstkulturen

Klassisches Getreidewetter, so lässt sich die Witterung der letzten Wochen zusammenfassen. "Wüchsiges Wetter und großteils passende Wasserversorgung lassen auf eine gute österreichische Getreideernte hoffen. Das war lange Zeit so nicht absehbar, da es ab dem Anbau im Herbst bis Mitte April äußerst trocken und überdurchschnittlich warm war. Beginnend mit ausgiebigen Niederschlägen hatten wir ab Mitte April großteils günstige Verhältnisse. In manchen Regionen wurden daraus in Summe teilweise 400 mm und mehr", berichtet Berlakovich, der auch Vorsitzender des Pflanzenbau-Ausschusses der LKÖ ist.

"Was für das Getreide im Osten des Landes positiv war, sorgte bei Kulturen, die erst im Frühjahr angebaut und im Herbst geerntet werden, den so genannten Herbstkulturen, für problematische Anbau- und Auflaufbedingungen. Im Westen und in Oberösterreich war es regional hingegen auch vergleichsweise trocken, was zu einer schnelleren, vorzeitigen Abreife etwa von Wintergerste führte", berichtet der LK Burgenland-Präsident.

"Die feuchte Witterung führte auch zu starkem Pilzdruck. Vor allem, als die Temperaturen wieder etwas wärmer wurden, wurde der Druck von Infektionen mit unterschiedlichen Blattkrankheiten, vor allem sogenannten Rostpilzen, die sich auf den Getreideblättern entwickeln, extrem stark. Die geschädigten Blätter können nicht mehr assimilieren, die Pflanze reift früher ab und das Korn wird nicht vollständig gefüllt. Es bleiben nur kleine Körner, die in der Vermahlung nicht verwendet werden können. Pflanzenschutzmittel als 'Erste Hilfe' waren notwendig, um Ertrag und Qualität zu sichern. Bleibt das Erntewetter stabil, sollte einer guten Getreidequalität nichts im Wege stehen", berichtet Berlakovich.

Flächenentwicklung: Weniger Weizen, mehr Mais und Roggen

"Zu den Flächenverlierern zählt in diesem Jahr die gesamte Getreidefläche, sie hat in Summe um 10.400 ha bzw. 2% auf 520.100 ha abgenommen. Zurückzuführen ist das primär auf den Rückgang der Dinkelfläche um 15.900 ha. Der Grund ist vor allem im gut versorgten Dinkelmarkt zu finden und den damit verbundenen niedrigen Marktpreisen. Auch Ölkürbis wurde von einer im letzten Jahr hohen Anbaufläche deutlich um 7.800 ha bzw. 21% reduziert und auf nur noch 30.200 ha angebaut. Wieviel jedoch tatsächlich zur Ernte verbleibt, wird sich erst in den nächsten Wochen klären. Soja wurde nach einem Rekordhoch im letzten Jahr wieder um 6.800 ha bzw. 7,4% weniger und somit auf 86.100 ha angebaut", so der Ausschuss-Vorsitzende.

"Flächengewinner ist heuer der Körnermais, der im Vergleich zum Vorjahr bereits um 5.000 ha bzw. 2,6% zugelegt hat. Aufgrund des Umbruchs von Kürbis, Zuckerrübe, Winterraps etc. wird die Fläche noch weiter zulegen. Bisher sind über 198.000 ha angebaut, mehr Körnermais wurde zuletzt nur 2013 ausgebracht. An Fläche zulegen konnte auch Roggen um 4.100 ha bzw. 11,9% auf 38.400 ha. Bei der Zuckerrübe ist noch abzuwarten, wie viele der abgefressenen 5.000 ha tatsächlich wieder mit Zuckerrübe bestellt wurden. Es ist zu erwarten, dass das derzeit verzeichnete Plus deutlich kleiner ausfallen wird und die 38.100 ha nach unten korrigiert werden müssen. Die Wintergerste konnte ebenfalls um 2.000 ha bzw. 2% zulegen, die Sommergerstenfläche ist hingegen wieder um 2.700 ha bzw. 10,7% auf 22.900 ha geschrumpft", erklärt Berlakovich.

Durchschleusung ukrainischen Getreides an Hungernde von EU gefordert

"Für angespannte Stimmung sorgt die Situation auf den Märkten. Die Frage, ob die Talsohle der Getreidepreise erreicht ist, trauen sich selbst Marktexpertinnen und -experten nicht beantworten. Geopolitische Ereignisse können jederzeit weiter für starke Schwankungen bei den Getreidepreisen sorgen. Diese sind auf das Niveau von 2021, also weit vor Beginn des Ukraine-Krieges gefallen und das bei deutlich höheren Betriebsmittelpreisen", berichtet Moosbrugger. "Die weltweit gute Ernte im letzten Jahr sowie positive Ernteaussichten in Kombination mit einem niedrigeren Verbrauch haben die Preise deutlich gedämpft. Gleichzeitig sorgen die Importe aus der Ukraine für Marktstörungen. Speziell die Nachbarländer der Ukraine spürten als erste den Druck auf die Erzeugerpreise. Importbeschränkungen in fünf angrenzenden Mitgliedsstaaten schieben das Problem weiter auf andere EU-Mitgliedstaaten, so auch nach Österreich. Wenn der offene europäische Markt mit ukrainischem Mais, Weizen, Raps, Soja und Sonnenblumenkernen bedient wird, führt das zu Verzerrungen am gesamten EU-Binnenmarkt", betont Moosbrugger.

"Selbst wenn laut Statistik nur geringe Mengen direkt aus der Ukraine nach Österreich importiert werden und Preisrückgänge auch verschiedene andere Ursachen haben, sind die massiv höheren EU-Importmengen vor allem bei Weizen und Mais mit deutlich geringeren Preisen am Markt ein großes Thema. Auch die Preise in Österreich sind deutlich gefallen. Bei weiter stark fallenden Preisen besteht die Gefahr, dass die Produktionskosten über die Verkaufspreise nicht mehr abgedeckt werden können. Daher fordern wir, dass die EU rasch Maßnahmen setzt, damit die ukrainischen Ernteprodukte den Weg in die eigentlichen Zielländer finden und den dort herrschenden Hunger stillen", fordert der LKÖ-Präsident.

Große Schäden wegen fehlenden Pflanzenschutzes

Aber nicht nur die niedrigen Getreidepreise vermiesen die Stimmung vieler Ackerbäuerinnen und -bauern. Auch der Ausfall tausender Hektar bereits angebauter Kulturen wegen fehlender Pflanzenschutz-Wirkstoffe sorgt für Unverständnis. "Dass die EU weiter auf rigorose Verbote, statt auf Bewährtes und innovative Lösungen setzt, ist weder nachhaltig, noch dient es der Versorgungssicherheit der Bevölkerung. Ca. 5.000 ha Zuckerrüben wurden heuer vom Rübenderbrüsselkäfer abgefressen - trotz einer Vielzahl an Vorsorgemaßnahmen wie Pheromonfallen etc. Somit ist umgerechnet mehr als der gesamte Zuckerbedarf von Wien dem Mangel an Pflanzenschutz zum Opfer gefallen - eine für uns absolut nicht zufriedenstellende Situation. Schließlich haben unsere Betriebe viel Arbeit und auch Geld investiert. Der Kampf gegen die Lebensmittelverschwendung muss am Feld beginnen, indem wir unsere Kulturen schützen können, um Ertrag und Qualität zu sichern", fordert Moosbrugger.

"Ähnlich stellt sich die Situation auch beim Ölkürbis dar, der für die Kürbiskernöl-Produktion verwendet wird. So wurden bei dieser Kultur ca. 10.000 ha bzw. ein Drittel der Fläche geschädigt. Das stellt ein noch nie dagewesenes Ausmaß dar. Bisher konnte der empfindliche Kern im Boden mit einer Beize vor dem Verfaulen geschützt werden, nun wurde die Zulassung des effektiven Beizmittels verboten. In Verbindung mit dem feuchtkalten Wetter hat das zum Verfaulen des Saatgutes im Boden geführt. Die betroffenen Flächen mussten umgebrochen und teilweise neu eingesät werden. Aufgrund des späten Zeitpunktes musste mitunter auf andere Kulturen ausgewichen werden", so Moosbrugger. "Andere Flächen werden lückig zur Ernte geführt - mit geringerem Ertrag, aber gleichem Aufwand. Auch Winterraps wurde wegen fehlender Pflanzenschutz-Wirkstoffe erneut weniger angebaut. Andererseits wurden Flächen mit normalerweise besten Erträgen derart vom Erdfloh befallen, dass im Frühjahr - nach mehr als einem halben Jahr Pflege der Jungpflanzen - Flächen umgebrochen werden mussten. Ob nicht die frühere Situation nachhaltiger war, sei dahingestellt", gibt Moosbrugger zu bedenken.

"Das Unverständnis wird nur noch größer, wenn man sich anschaut, mit welch populistischen Argumenten auf EU-Ebene an Themen, wie dem EU-Kommissions-Vorschlag für eine Verordnung zur Wiederherstellung der Natur gearbeitet wird. Die einschneidenden Vorgaben hätten vielfach die Aufgabe der heimischen Lebensmittelproduktion zur Folge und würden letztendlich weder Umwelt, (Land-)Wirtschaft noch dem Menschen nützen", warnt der LKÖ-Präsident vor steigenden klimaschädlichen Importen und Lebensmittelpreisen.

Nachhaltige Effizienz und Innovationen statt widersinniger, simpler Verbote

"Auch die pauschalen Reduktionsziele im Verordnungsvorschlag zur nachhaltigen Verwendung von Pflanzenschutzmittel, der sogenannten 'SUR', und die hohen bürokratischen Vorgaben für noch mehr Aufzeichnungen stoßen auf Unverständnis. Unsere Bäuerinnen und Bauern beschäftigen sich intensiv mit innovativen Maßnahmen, um Böden vor Erosion zu schützen und noch klimafitter zu werden", so Moosbrugger. "Die rigorosen Verbote führen dazu, dass wertvolle Kulturen wie Zuckerrübe, Körnererbse, Winterraps oder Ölkürbis in Österreich kaum oder nicht mehr wirtschaftlich sind. Gleiches gilt auch für Saatgutvermehrungen, die unter höchsten Qualitätsansprüchen für den nächsten Anbau kultiviert werden. All diese wichtigen Elemente unserer Versorgungssicherheit drohen aus der Kulturlandschaft zu verschwinden. Die massiven Rückgänge und Schäden sind längst nicht mehr Theorie, sondern blanke Realität. Die Situation wird sich von Jahr zu Jahr verschärfen, wenn es der EU nicht gelingt, sich einzugestehen, dass Umwelt, (Land-)Wirtschaft und Soziales in eine gute Balance gebracht und gemeinsam weiterentwickelt werden müssen. Dafür braucht es mehr nachhaltige Effizienz und Investitionen in Forschung und Entwicklung, statt widersinnige Verbote", fordert der LKÖ-Präsident.

"Auch Precision Farming-Lösungen und unser LK-Warndienst tragen dazu bei, Pflanzenschutzmittel noch gezielter einzusetzen. Das geht bis hin zu Spot-Spraying, wo nur der Schaderreger behandelt wird. Moderne mechanische Technik, wie Hackgeräte, die mit GPS und kameragesteuert noch exakter arbeiten können, sind ebenfalls im Vormarsch. Auch Roboter, die über Felder fahren, sind nicht mehr nur vereinzelte Prototypen. Allerdings ist diese Technik noch sehr teuer", ergänzt Belakovich. (Schluss)


Quelle: OTS



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