Delogierungsprävention NEU - Nachhaltige Sicherung von Wohnraum

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Stadt Salzburg

07 Feb 10:00 2020 von Redaktion Salzburg Print This Article

Hagenauer: „Helfen, wo andere nicht mehr wollen!“

Bei einem Pressegespräch am 6. Februar 2020 präsentierte Stadträtin Anja Hagenauer mit ihrem engagierten Team aus der Sozialabteilung ein neues Konzept, um Zwangsräumungen von Wohnungen (Delogierungen) zu vermeiden. „Delogierungen sind immer noch ein Tabuthema und wie ein aktueller Fall zeigt, sind das harte menschliche Schicksale. Hier setzen wir an. Wir wollen den Menschen in einer wirklich harten Zeit zur Seite stehen“, so Anja Hagenauer: „Ich bin für rund 1.700 städtische Wohnungen zuständig und es stört mich, dass es hier immer wieder Delogierungsfälle gibt, die aus meiner Sicht zu vermeiden gewesen wären, wenn man sich rechtzeitig darum gekümmert hätte.“

Das neue Konzept der Delogierungsprävention der Sozialabteilung sieht ein Frühwarnsystem für drohende Delogierungen vor. In einem ersten Schritt konzentrieren sich die Anstrengungen auf die städtischen Wohnungen die von der KgL (Kommunale gswb Liegenschaftsverwaltung GmbH) verwaltet werden. „Neben den menschlichen Schicksalen geht es aber auch ums Geld. Aus den Geschäftsberichten der KgL geht hervor, dass in den letzten drei Jahren aus Delogierungen, Klagen, Mietausfällen und Exekutionsanträgen der Stadt ein Schaden von über 200.000 Euro entstanden ist“, sagt die Wohn-Stadträtin Hagenauer. In diesem Betrag sind auch die Rechtskosten enthalten. In der KgL gab es in den letzten Jahren 336 Räumungsklagen, 174 Exekutionsanträge und 18 Delogierungen. Eine Erhebung unter den gemeinnützigen Wohnbau Genossenschaften ergab, dass es in Salzburg in den letzten beiden Jahren 2.175 Klagen und 175 Zwangsräumungen gab.
Die Fachstelle für Gefährdetenhilfe betreute in den Jahren 2017 und 2018 landesweit knapp 2.000 Personen. Im Durchschnitt errechnen die Expert*innen einen Mietrückstand von knapp über 1.500 Euro pro betroffenem Haushalt. „Die Gründe für Mietrückstände und drohende Delogierungen sind vielfältig“, so Abteilungsvorstand Patrick Pfeifenberger „und mit unserem neuen Ansatz wollen wir möglichst früh Unterstützung anbieten.“


Die neue „Delogierungsprävention“ im Check
Das Konzept der Delogierungsprävention beinhaltet ein breites Portfolio an Hilfestellungen und Maßnahmen. Zukünftig gibt es einen klar definierten Prozess, der Räumungsklagen und Delogierungen in stadteigenen Wohnungen vermeiden soll. Aktuell geht die KgL so vor: Liegt ein Mietrückstand vor, wird gemahnt. Macht der Mietrückstand zwei Monatsmieten aus, wird der Fall innerhalb der KgL an die GSWB Rechtsabteilung übergeben. Eine weitere Mahnung erfolgt nicht, ein Verfahren auf Räumung wird eingeleitet. Bleibt der Mietrückstand unterhalb von zwei Monatsmieten, weil es Zahlungen des Mieters gibt, bleibt der Fall so lange im Mahnlauf, bis das Mietenkonto ausgeglichen ist.

Das Konzept sieht nun folgenden Ablauf vor:
* Zukünftig wird es ein neues Frühwarnsystem mit Case-Management-Elementen geben. Die Delogierungsprävention greift frühzeitig ein und moderiert die Fälle.

* Die langjährige Erfahrung zeigt, dass die potentiellen Klient*innen keinen Überblick über ihre Einnahmen und Ausgaben Situation haben. Der Großteil der von Wohnungslosigkeit betroffenen Personen haben multiple Problemstellungen zu bewältigen. Teilweise fehlt ein geregeltes und organisiertes Wirtschaftsverhalten oder die Betroffenen sind aufgrund anderer Problemstellungen (Krankheit, Sucht, etc.) mit der Gesamtsituation schlichtweg überfordert und blenden die drohende Räumung schlichtweg aus.

* Wird ein Mietrückstand bekannt, soll die Delogierungsprävention so früh ansetzen, dass im besten Fall gar kein Verfahren auf Räumung einer Wohnung notwendig ist, weil es vorab zu Regelungen bezüglich Mietrückstand gekommen ist.

* Gelingt dies, kann eine Win:Win-Situation für alle Beteiligten entstehen, denn die Einleitung des Verfahrens verursacht Kosten (für den Beklagten) sowie Aufwand (für den Vermieter bzw. die Genossenschaften).

* In Abstimmung mit der KgL soll die „Delogierungsprävention“ dann Nachricht von einem Mietrückstand bekommen, wenn dieser zwischen einer und zwei Mieten ausmacht.

* Jene Fälle, die unterhalb von zwei Monatsmieten bleiben, werden von der „Delogierungsprävention“ aufsuchend bearbeitet. Es erfolgt nicht nur ein Schreiben an den betroffenen Haushalt, sondern es werden die Mieterinnen oder Mieter aktiv aufgesucht. Werden die Mieter*innen nicht angetroffen, hinterlässt die „Delogierungsprävention“ eine Mitteilung mit der Bitte um Kontaktaufnahme.

* Meldet sich die Mieterin oder der Mieter, wird zusammen versucht, die aktuelle Problemlage zu ermitteln und Lösungen zu finden. Der Lösungsansatz soll sich vordringlich auf den Mietrückstand beziehen, aber bezieht eine Gesamtanalyse der Situation mit ein. Damit sollen weitere Probleme vermieden werden, denn die Erfahrung der Sozialexpert*innen zeigt, dass es meist nicht nur um das Problem „Mietrückstand“ geht, sondern eben auch um andere Probleme, die den Mietrückstand erst verursachen. Hier wird die neue „Delogierungsprävention“ ansetzen und den Fall im engmaschigen „sozialen Netz“ dieser Stadt vermitteln und helfen. Dadurch sollen die von Wohnungslosigkeit betroffenen Personen lernen, wie sie den Zugang zu entsprechenden Hilfsangeboten finden und in Folge in Anspruch nehmen können.

* Es wird vermutet, dass durch die aufsuchende Tätigkeit sich die sogenannte Schwellenangst bei den Betroffenen in Grenzen halten wird, persönlicher Kontakt ist enorm hilfreich.

* Die langjährige Erfahrung zeigt, dass Menschen, die unter enormen Druck stehen, oft nicht mehr in der Lage sind, selbst ihre Post entsprechend zu bearbeiten.

* Gelingt es durch die persönliche Kontaktaufnahme, dass sich der Mensch rasch öffnet und wieder zur Selbsthilfe motiviert werden kann, wird ein aktiver Lösungsansatz erarbeitet. Hier hilft der persönliche Kontakt sehr.

* Ziel ist, dass es durch dieses neue Pilotprojekt zu weniger Delogierungen kommt, denn eine Delogierung führt nicht nur oft zur Obdachlosigkeit oder schafft eine höchst prekäre Wohnsituation, sondern bringt immer auch neue Schulden. Die Probleme daraus hat nicht nur der Betroffene selbst, sondern immer auch die Allgemeinheit zu tragen.

Günter Österer leitet zukünftig dieses Projekt und er setzt sich das engagierte Ziel, in drei Jahren mehr als ein Drittel der Delogierungen und Räumungsklagen vermeiden zu können. Ziel sei die nachhaltige und längerfristige Sicherung des Wohnraums unter bestmöglicher Nutzung bzw. Stärkung der persönlichen Ressourcen. Etwaige Beratungen erfolgen freiwillig, kostenlos und anonym. „Der Verlust der Wohnung ist für viele Menschen eine reale Bedrohung: Sie sind mit ihrer Miete in Verzug oder es liegt bereits eine Kündigung, eine Räumungsklage bzw. ein Exekutionstitel gegen sie vor und da wollen wir aktiv mithelfen, dass wieder Licht am Ende des Tunnels zu sehen ist“, meint Günter Österer. Aktuell fokussiert man die Anstrengungen auf die 1.700 Wohnungen der Stadt. Sollte jedoch eine betroffene Person Hilfe suchen, egal ob in einer Genossenschaftswohnung oder in einer privaten Wohnung untergebracht, kann sie sich schon jetzt von sich aus bei Günter Österer melden. Nach einer Erprobungsphase und entsprechenden Erfahrungen wäre es aus Sicht der Stadt möglich, dass die „Delogierungsprävention“ ihre Aufgaben auch auf andere Genossenschaften und Hausverwaltungen erweitert. „Wir wollen hinschauen, helfen und der Stadt, aber vor allem den Menschen Ärger, Gerichtsverfahren und Geld sparen. Ich lade bereits heute alle großen Wohnbauträger und –verwaltungen ein, die sozialen Aspekte des Wohnens noch stärker in den Mittelpunkt zu stellen und mit uns gemeinsam an diesem Konzept zu arbeiten. Davon profitieren alle: die betroffenen Menschen gleichermaßen wie die Gesellschaft und nicht zuletzt die Genossenschaften und Vermieter*innen selber die sich neben viel Aufwand und Frust auch eine Menge an Kosten ersparen “, meint Anja Hagenauer.


www.stadt-salzburg.at


Quelle: Stadt Salzburg



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