Wien: Cities for Nuclear Free Europe (CNFE) - „Träume von nuklearer Renaissance in Europa absolut unrealistisch.“

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Wien

02 Mär 15:00 2024 von Redaktion Salzburg Print This Article

Neue Reaktoren und Uranabbau in Schweden – Brief aus Wien

Besorgt zeigt sich Wiens Klimastadtrat und Vorsitzender der Cities for Nuclear Free Europe (CNFE), Jürgen Czernohorszky, über die Pläne der schwedischen Regierung, zwei neue Reaktoren bis 2035 bauen zu wollen. Langfristig sollen noch weitere Einheiten folgen. „Atomkraft ist um ein Vielfaches teurer und neuer Reaktor benötigt in Europa rund 20 Jahre für die Fertigstellung. Abgesehen von den massiven Umweltbelastungen – Atomkraft wird den Klimawandel nicht aufhalten können!“ so Jürgen Czernohorszky.

Weiters soll in Schweden auch wieder Uran abgebaut werden. Davor warnt Wiens Umweltanwältin Iris Tichelmann: „Der Uranabbau ist ein massiver Eingriff in die Umwelt. Dabei kann es auch zu Verunreinigungen des Grundwassers kommen.“

Aufgrund der Gefahr der massiven Umweltbelastung hat sich CNFE-Präsident Jürgen Czernohorszky mittels Brief an die zuständigen Ministerien in Schweden gewandt. Darin wird deutlich darauf hingewiesen, dass Atomkraft weder CO2-neutral ist, noch im Einsatz gegen den Klimawandel eine Rolle spielen kann: „Atomkraftwerke benötigen eine lange Bauphase und sind aktuell die teuerste Energieform am Markt. Darüber hinaus sind die Gefahren, die mit dieser Technologie einhergehen, einfach zu groß – ein schwerer Unfall kann nie ganz ausgeschlossen werden“, so Czernohorszky.

„Im Einsatz gegen den Klimawandel ist es notwendig, wirkungsvolle Maßnahmen zu setzen, die schnell greifen. Deshalb setzt Wien auf den Ausbau erneuerbarer Energieträger, die schnell umsetzbar sind“, so der Klimastadtrat.

Fünf weitere Jahre Verzögerung und 40 Mrd Euro Kosten in GB

Beispiele aus anderen Ländern zeigen, wie ineffizient Investitionen in Atomkraft sind: 1995 wurde der letzte Atomreaktor in Großbritannien (GB) fertig gestellt. Mit dem Projekt Hinkley Point C war geplant, eine nukleare Renaissance einzuleiten. Anfang 2024 wurde verkündet, dass die geplante Fertigstellung um fünf weitere Jahre auf 2030 verschoben werden muss. Darüber hinaus sind auch die Kosten auf insgesamt rund 40 Milliarden Euro gestiegen.

Zum Vergleich: Um 40 Milliarden Euro kann man aktuell ca. 40 GW Windkraft installieren, die in 3-5 Jahren verfügbar wären. „Investitionen in Nuklearkraft binden finanzielle Mittel, die für die Umsetzung der Energiewende dringend benötigt werden“, ist Jürgen Czernohorszky überzeugt.

Überteuerte Neubauprojekte in Frankreich und Tschechien

Frankreich hat ein ähnliches Projekt wie Großbritannien. Der Reaktor Flamenville 3 ist seit 17 Jahren im Bau und wird frühestens 2026 fertig werden. Aktueller Kostenpunkt laut französischem Rechnungshof sind 19 Milliarden Euro, was ungefähr dem Doppelten der ursprünglich projektierten Summe entspricht.

Dennoch hat Frankreich angekündigt, 13 neue Reaktoren zu erbauen. Frankreich sieht sich hier unter Zugzwang, da die französische Reaktorflotte, bestehend aus 56 Reaktoren, inzwischen in die Jahre gekommen ist. Viele der Reaktoren werden in den nächsten Jahren ihre Lizenz verlieren und müssen abgedreht werden. Auch in Tschechien wurde kürzlich bekannt gegeben, vier neue Reaktoren errichten zu wollen. Erste Schätzungen belaufen sich auf Kosten von 20 Milliarden Euro pro Reaktor.

Kleine Modulare Reaktoren in Europa

In Europa werden vermehrt Projekte von „Small Modular Reactors“ (SMR) angekündigt. Das sind Reaktoren, die in modularer Bauweise produziert und dadurch kostengünstiger sein sollen. Allerdings wurde bis dato noch keiner dieser Reaktoren gebaut. Es gibt aktuell nur Prototypen und auch noch keine Fabrik, wo die modularen Bauteile produziert werden könnten. Dennoch sprechen einige Industrielle und Politiker*innen in Europa davon, dass einem großflächigen Einsatz von SMR nichts im Wege steht.

Dies sorgt für Kritik von Wiens Umweltanwältin Iris Tichelmann: „Die Nuklearindustrie verbreitet das Narrativ, dass kleine modulare Reaktoren den Nuklearsektor retten sollen, aber eine Umsetzung ist aktuell überhaupt nicht in Sicht. Zu viele technische Fragen können nicht gelöst werden.“

Die Wiener Umweltanwaltschaft und das CNFE-Netzwerk haben eines der angekündigten SMR - Projekte ausgewählt und von einem internationalen Expertengremium ein Gutachten erstellen lassen. Dabei wurde ein BWRX-300 Reaktor untersucht, der in Polen im Gespräch ist. Auch die Expert*innen kommen zu dem Schluss, dass diese Reaktortechnik für eine kommerzielle Umsetzung noch nicht gut genug entwickelt. Außerdem wurde angezweifelt, dass die neuen Reaktoren Vorteile gegenüber den herkömmlichen AKW haben. Ein schwerer Unfall mir verheerenden Auswirkungen auf Europa kann nach wie vor passieren.

Das ganze Gutachten sowie eine Zusammenfassung mit den wichtigsten Aussagen kann hier eingesehen werden: https://shorturl.at/FHQZ3


Quelle: Stadt Wien



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