TOYOTA ist im Motorsport zurück
TOYOTA Racing gab heute (25. Jänner) Details zu seiner Teilnahme an der FIA Langstrecken-Weltmeisterschaft bekannt
KÖLN. Der Rennstall wird bei ausgewählten Rennen mit zwei Fahrzeugen an den Start gehen.
Das neue Team, das bei der TOYOTA Motorsport GmbH (TMG) in Köln ansässig ist, debütiert am 5. Mai beim Sechs-Stunden-Rennen von Spa-Francorchamps, dem zweiten Lauf zur FIA Langstrecken-Weltmeisterschaft.
Anschließend wird TOYOTA Racing mit zwei TS030 HYBRID Rennwagen bei den 24 Stunden von Le Mans (16. bis 17 Juni) an den Start gehen. Über eine Teilnahme an weiteren Rennen ist noch keine endgültige Entscheidung gefallen. Als Fahrer des ersten Autos hat TOYOTA Racing Alex Wurz, Nicolas Lapierre und Kazuki Nakajima verpflichtet. Gespräche mit Kandidaten für das zweite Auto sind derzeit noch im Gange. Der Italiener Andrea Caldarelli aus Pescara wird TOYOTA Racing als Nachwuchsfahrer angehören.
Der TS030 HYBRID tritt die Nachfolge der legendären TOYOTA Rennwagen TS010 und TS020 - TS steht für „TOYOTA Sport“ - an, die in den 1990-er Jahren in Le Mans mehrfach auf das Podium fuhren.
TOYOTA ist der erste Hersteller, der ankündigt, mit Hybrid-Rennwagen an Rennen zur FIA Langstrecken-WM teilzunehmen. Damit bestätigt das Unternehmen, das weltweit bereits über 3,5 Millionen Hybridfahrzeuge verkauft hat, seine Vorreiterrolle bei dieser Technologie. Der THS-R Antrieb (TOYOTA Hybrid System - Racing) ist auf maximale Fahrleistungen ausgelegt und umfasst einen völlig neu konstruierten V8-Benzin-Saugmotor mit 3.4- Litern Hubraum sowie ein Hybridsystem mit Kondensatoren zur Energiespeicherung, die vom Projekt-Partner Nisshinbo entwickelt worden sind. Gemäß Reglement dürfen Hybridsysteme zwischen zwei Bremszonen jeweils maximal 500 kJ Energie zurückgewinnen und mit dieser Energie über Elektromotoren zwei Räder des Rennwagens antreiben. Beim ersten Test des TS030 HYBRID wird das Team zwei Systeme miteinander vergleichen: eines, das von Aisin AW entwickelt wurde und die Vorderräder antreibt, und das System des Projekt-Partners DENSO, das die Hinterräder antreibt.
Wie bei den Toyota Pkw mit Vollhybridantrieb gewinnt das Racing-Hybridsystem beim Bremsen Energie zurück, mit welcher der TS030 HYBRID ohne Kraftstoffverbrauch und ohne Emissionen rein elektrisch fahren kann. Das völlig neue LMP1 Chassis aus Kohlefaser wurde bei TMG entwickelt und produziert, wo der Rennwagen auch in Vorbereitung auf den Roll-out vom 11. bis 13. Januar in Paul Ricard erstmals vollständig montiert wurde. Beim exklusiven Training auf der französischen Rennstrecke, das auch Nachtfahrten umfasste, legte der TS030 HYBRID bereits mehrere hundert Kilometer zurück und erwies sich für ein Fahrzeug in diesem frühen Stadium der Erprobung als beeindruckend zuverlässig und leistungsstark.
Alex Wurz und Nicolas Lapierre testeten den TS030 HYBRID in Paul Ricard auf Herz und Nieren. Zu ihnen stieß der 30-jährige japanische Fahrer Hiroaki Ishiura, der als Kandidat für jene Rennen im Gespräch ist, bei denen TOYOTA Racing mit zwei Fahrzeugen antreten wird.
Weitere Projektpartner von TOYOTA Racing sind ZENT, Aisin, Nippon Steel, Takata, Toyoda Gosei und Michelin. Yoshiaki Kinoshita, Teamchef: „Natürlich würden wir in Le Mans gern gewinnen. Das ist natürlich der ultimative Traum aller, die dort antreten. Doch wir müssen realistisch bleiben und wissen genau, dass wir uns weiterentwickeln und noch viel lernen müssen, um gegen die teils sehr starke Konkurrenz zu bestehen. Unser Ziel für diese Saison besteht also zunächst darin, die Leistungsfähigkeit unseres Autos und insbesondere des THS-R Antriebs unter Beweis zu stellen. Der Hybridantrieb bildet eine Schlüsseltechnologie für TOYOTA, daher ist es wichtig, sein Potenzial auch im Motorsport zu demonstrieren. Wir wollen beweisen, dass er sowohl bezüglich der Rundenzeiten als auch beim Kraftstoffverbrauch entscheidende Vorteile mit sich bringt. Alle Beteiligten bei TMG und in der Motorsport-Abteilung in Japan haben bei der Konstruktion, Entwicklung und Vorbereitung des Autos unglaublich hart gearbeitet, um uns dorthin zu bringen, wo wir heute stehen. Wir freuen uns ganz besonders darauf, endlich wieder auf die Rennstrecke zurückzukehren“.
Pascal Vasselon, Technischer Direktor: „Die beiden wichtigsten technischen Vorteile unseres TS030 HYBRID sind die Aerodynamik und der Hybridantrieb. Das Reglement gestattet es, Energie beim Bremsen zurückzugewinnen und anschließend wieder einzusetzen, um schneller aus den Kurven herauszubeschleunigen. Das optimiert die Rundenzeiten. Zugleich zeichnet sich der Hybridantrieb durch einen geringeren Kraftstoffverbrauch aus als andere Antriebe vergleichbarer Leistung. Das macht ihn zu einer absolut entscheidenden Technologie, und wir freuen uns sehr, sie in den Langstrecken-Rennsport einführen zu können. Einen weiteren Schwerpunkt unserer Entwicklungsarbeit bildete die Aerodynamik. Das Entwicklungsteam von TMG hat sehr hart an einem optimalen aerodynamischen Konzept gearbeitet. Dabei konnten sie auf unser hochmodernes Aero-Entwicklungverfahren zurückgreifen, eine Kombination von Windkanaltests und Strömungssimulationen im Computer. Nach dem positiven Feedback vom Roll-out zu urteilen haben wir eine hervorragende Basis, auf der wir in den kommenden Wochen aufbauen können.”
Hisatake Murata, Projektleiter Hybridantrieb: „TOYOTA arbeitet schon seit Jahren an Hybridsystemen für den Rennsport, und wir haben in dieser Zeit enorme Fortschritte erzielt. Jetzt fühlen wir uns bereit, unsere Technik dem ultimativen Test im Motorsport zu unterziehen: den 24 Stunden von Le Mans. Einen Hybridantrieb in einen Rennwagen zu integrieren ist natürlich eine andere Herausforderung als bei einem „herkömmlichen“ Antrieb. Doch wir haben bei der Entwicklung des THS-R eng mit Projekt-Partnern wie DENSO, Aisin AW und Nisshinbo zusammengearbeitet, und der außergewöhnliche Antrieb des TS030 HYBRID ist ein integraler Bestandteil des Gesamtkonzepts. Das System wird zwischen den einzelnen Bremsvorgängen bis zu 500 kJ Energie zurückgewinnen, die dann über einen Elektromotor entweder auf die Vorderachse oder auf die Hinterachse abgerufen werden kann. TOYOTA hat mit Hybridtechnik schon einmal ein 24-Stunden- Rennen gewonnen, nämlich die 24 Stunden von Tokachi im Jahr 2007. Jetzt bringen wir die neueste Entwicklungsstufe des THS-R in einer Rennserie von Weltformat an den Start. Wir wissen, dass eine große technische Herausforderung auf uns wartet, doch wir alle wollen uns ihr stellen.”
Alex Wurz: „Es war schon sehr cool, den TS030 HYBRID erstmals zu fahren. Mit Elektroantrieb aus der Box zu fahren, das ist schon ein sehr futuristisches Gefühl. Wenn man dann die Kupplung kommen lässt, springt der Verbrennungsmotor an, und das ist, als ob ein alter Freund zurückkehrt! Nachdem wir die Slicks aufgezogen hatten, spürte ich, dass das Auto ordentlich Grip aufbaut. Daher glaube ich, dass wir eine gute Ausgangsbasis haben, aus der wir ein wirklich schnelles Auto machen können. Ich bin sehr glücklich, aber ich bin auch sehr analytisch veranlagt, und daher ist mir klar, dass noch viel Arbeit vor uns liegt.
Die Zusammenarbeit mit den vielen Mechanikern und Technikern klappt ausgezeichnet; das TOYOTA Racing Team ist sehr international und das funktioniert gut. Ich fühle mich ausgesprochen wohl in dem Team, weil alle eine extrem professionelle Einstellung haben.” Nicolas Lapierre: „Mein erster Eindruck beim Roll-out war sehr positiv. Das Fahrwerk ist erstklassig, und der Hybridantrieb funktioniert sehr gut. Der TS030 HYBRID hat eine Menge Abtrieb und gleichzeitig ein präzises Einlenkverhalten, das fühlt sich sehr gut für den Fahrer an. Der Wagen ist völlig anders als alles, was ich vorher gefahren habe. Er beruht halt auf einer ganz anderen Philosophie. Unser Roll-out verlief sehr vielversprechend und hat das hohe Potenzial des Wagens in vielerlei Hinsicht deutlich gemacht. Es gibt zwar noch viel zu tun, aber ich bin überzeugt, dass wir ein starkes Gesamtpaket haben. Wir haben ganz bei Null angefangen, das ist eine echte Herausforderung, die mich wirklich begeistert.”
Kazuki Nakajima: „Ich kann es kaum erwarten, den TS030 HYBRID zum ersten Mal zu fahren. Beim Roll-out habe ich viel mit Alex und Nicolas gesprochen – der Rennwagen hat offensichtlich eine Menge Potenzial. Ich habe auch schon einige Zeit im TMG Fahrsimulator verbracht und kenne den Wagen daher aus der virtuellen Welt, wo es unter anderem auch eine Le-Mans-Simulation gibt. Jetzt wird es Zeit, in das echte Cockpit zu steigen. Dies ist eine großartige Chance für mich, und ich freue mich unsagbar darauf, mit TOYOTA Racing in der FIA Langstrecken-WM anzutreten. Mit einem Hybridantrieb nach Le Mans zurückzukehren ist für TOYOTA eine immense Herausforderung, aber es ist auch eine große Chance für alle beteiligten Fahrer. Ich hoffe, meine aktuellen Erfahrungen aus der Super GT werden sich als Vorteil erweisen. An diesem Projekt beteiligt zu sein ist ein tolles Gefühl, und ich bin für die kommende Saison mehr als motiviert.”
Technische Daten
Bezeichnung TS030 HYBRID
Typ Le Mans Prototyp (LMP1)
Karosserie Kohlefaser-Verbund
Windschutzscheibe Polycarbonat
Getriebe Quer eingebautes sequenzielles Sechsgang-Getriebe
Getriebegehäuse Leichtmetall
Antriebswellen Gelenkwellen mit Tripode-Verschiebegelenken
Kupplung Mehrscheibenkupplung
Differential Sperrdifferenzial mit Visco-Kupplung
Radaufhängung Einzelradaufhängung an Doppelquerlenkern, über Pushrods
angelenkte Federbeine vorn und hinten
Federung Torsionsstabfederung
Stabilisatoren Vorn und hinten
Lenkung Hydraulisch unterstützte Servolenkung
Bremsen Hydraulisches Zweikreis-Bremssystem, einteilige Leicht- metall -Bremszangen vorn und hinten
Bremsscheiben Innenbelüftete Kohlefaser-Bremsscheiben vorn und hinten
Räder Magnesium-Schmiederäder
Größe vorn 14.5 x 18
Größe hinten 14.5 x 18
Bereifung Michelin Radialreifen
Größe vorn 36/71-18
Größe hinten 37/71-18
Länge 4.650 mm
Breite 2.000 mm
Höhe 1.030 mm
Tankinhalt 73 Liter
Antrieb TOYOTA HYBRID System - Racing (THS-R)
Verbrennungsmotor 90° V8-Saugmotor
Kraftstoff Benzin
Hubraum 3,4 Liter
Ventile 4 je Zylinder
Ansaugluftbegrenzer 1 x 43,3mm
Kondensator Nisshinbo
Elektromotor (vorne) Aisin AW
Elektromotor (hinten) DENSO
TOYOTA Racing in der FIA Langstrecken-Weltmeisterschaft
TOYOTAs erste Teilnahme an der FIA Langstrecken-Weltmeisterschaft im Jahr 1983 markierte den Beginn einer langen Ära im Langstrecken-Sport mit zahlreichen Starts bei den 24 Stunden von Le Mans. Insgesamt 36 Rennwagen von TOYOTA gingen bei bislang 13 Rennen in Le Mans an den Start. Dabei fuhr das TOYOTA Team drei Mal als Zweitplatziertes auf das Podium. Einschließlich dieser Erfolge landete es insgesamt neun Mal unter den ersten sechs. Im Qualifying konnte TOYOTA vier Mal in die erste Startreihe vorfahren, einmal sogar auf die Pole Position. 2012 kehrt TOYOTA nun in den Langstreckensport und zur FIA Langstrecken-Weltmeisterschaft zurück und geht in ausgewählten Rennen mit dem TS030 HYBRID an den Start, einem LMP1 Rennwagen mit Hybridantrieb. Das Chassis des TS030 HYBRID konstruierte und fertigte die TOYOTA Motorsport GmbH (TMG), bei der das Team auch ansässig ist. Bei TMG waren zuvor auch schon das TOYOTA World-Rallye-Werksteam und das TOYOTA Formel-1-Team beheimatet. Außerdem war TMG 1998 und 1999 verantwortlich für die Konstruktion und den Einsatz des TOYOTA Le-Mans-Rennwagens TS020 (GT-One). Heute beschränkt sich TMG nicht mehr nur auf den Motorsport, sondern ist zugleich als High-Tech-Dienstleister für die Unternehmen der TOYOTA Gruppe sowie für externe Kunden aktiv.
CPP.
Über den Autor
Claus-Peter Pozdnik
Claus Peter Pozdnik, Redakteur/Motormagazin
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