G20 geben sich ehrgeizige Ziele beim Defizitabbau

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27 Jun 22:01 2010 von Elisabeth Schwarzl Print This Article

Die 20 stärksten Volkswirtschaften wollen entschiedener gegen globale Ungleichgewichte vorgehen

 


TORONTO. Die G20-Gruppe der führenden Schwellen- und Entwicklungsländer hat bei ihrem Gipfel in Toronto Zeichen zum Schuldenabbau gesetzt.


 


Sie einigte sich darauf, dass die großen Industrieländer bis 2013 ihre riesigen Haushaltsdefizite halbieren und bis 2016 sogar ganz ohne neue Schulden auskommen sollen, wie Kanzlerin Angela Merkel am Sonntag noch vor dem Ende des Gipfels erklärte. "Ehrlich gesagt ist das mehr als ich erwartet habe", sagte sie und sprach von einem sehr anspruchsvollen Zeitplan. "Das entspricht offenbar genau unserer Zeitachse", freute sich die Kanzlerin. Mit einem "wachstumsfreundlichen" Defizitabbau lege man auch die Basis für eine nachhaltiges globales Wachstum in der Zukunft.


 


Die Einigung in der G20, die sich zuvor beim Gipfel der acht führenden Industrieländer (G8) angedeutet hatte, kam nach einem wochenlangen Streit zwischen Deutschland und den Europäern einerseits und den Amerikanern andererseits zustande. Es ging darum, ob der Zeitpunkt für ein Umsteuern auf Haushaltsdisziplin gegeben ist, oder ob Länder wie Deutschland das Wachstum noch etwas stärker fördern sollten, wie es US-Präsident Barack Obama verlangt hatte. Am Ende einigte sich die G20, das jedes Land selbst über den Start dieses Prozesses entscheiden könne, wie aus dem Entwurf für ein G20-Kommunique hervorgeht. Jedenfalls liefen die großen Konjunkturprogramme nun aus.


 



Eine Bankenabgabe und eine Finanztransaktionssteuer auf globaler Basis zur Beteiligung der Banken an Krisenkosten hatte Merkel schon vor dem Ende des G20-Gipfels abgeschrieben. "Wir haben hier leider weder bei der Bankenabgabe unter allen G20-Staaten eine einheitliche Meinung, noch bei der Finanztransaktionssteuer", sagte Merkel zum Ende des G8-Gipfels am Samstagabend. Und nach den G20-Diskussionen merkte sie dann an, gegen beide Instrumente gebe es Vorbehalte. Einig sei man sich immerhin, dass nicht vor allem der Steuerzahler die Kosten der Krisen finanzieren sollte. Europa sei nun frei, für sich eigene Lösungen zu finden. "Das ist das, was man nun erreichen kann", sagte die Kanzlerin. Man werde in der EU darüber beraten. Nach Ansicht der US-Regierung ist es noch nicht an der Zeit, die im Kampf gegen Wirtschaftskrise aufgelegten Konjunkturprogramme zurückzufahren. Deutschland will bereits 2011 mit den ersten Konsolidierungsmaßnahmen beginnen.



 



Auch US-Präsident Barack Obama ging im Streit um Defizitabbau und Wachstumsförderung auf Entspannungskurs. "Wir bewegen uns auf dasselbe Ziel zu - nämlich langfristiges, nachhaltiges Wachstum, das den Menschen Arbeit bringt". Wie viele seiner Gipfelkollegen ist Obama daran interessiert, die Einheit der G20 zu bewahren. Der Zirkel avancierte erst mit der Finanzkrise zum wichtigsten Forum für eine Koordinierung der weltweiten Wirtschaftspolitik. Das Schreckensszenario einer neuen Weltwirtschaftskrise vor Augen kämpften die G20 mit Billionen von Dollar gegen die Rezession. Jetzt rücken nationale Interessen in den Vordergrund.


 


In dem Entwurf für die G20-Erklärung wird festgehalten, dass die Volkswirtschaften weltweit nach der Wirtschaftskrise in unterschiedlichem Tempo wieder auf die Beine kommen. Zwischen Wachstumsförderung und der Rückkehr zu mehr Haushaltsdisziplin müsse ein feines Gleichgewicht gefunden werden. "Es besteht das Risiko, dass sich eine synchronisierte Anpassung der Finanzen in den wichtigsten Volkswirtschaften negativ auf die Erholung auswirkt." Gleichzeitig dürfe eine notwendige Konsolidierung aber nicht versäumt werden, weil dies das Vertrauen störe und das Wachstum behindere. Die G20 wollten sich auch auf strengere Regeln für die Eigenkapitalquoten der Banken verständigen.


 


Anders als erwartet soll das Abschlussdokument Kreisen zufolge keine direkte Erklärung zur jüngsten Yuan-Aufwertung Chinas enthalten. Zuvor hatte es geheißen, die G20 begrüßten das Ende der faktischen Kopplung der chinesischen Währung an den US-Dollar. Insbesondere die USA hatten der Volksrepublik vorgeworfen, mit einem unterbewerteten Yuan ihre Ausfuhren zu beflügeln. Bei den WTO-Handelsgesprächen in der seit langem stockenden Doha-Runde gaben G8 und G20 das Ziel auf, noch in diesem Jahr zu einer Einigung zu kommen.


 


Am Samstagabend ging der G8-Gipfel mit einem Arbeitsessen der G20 in das Treffen der größeren Runde über. Am Rande kam es zu Ausschreitungen nach zuvor weitgehend friedlichen Demonstrationen. Mehr als 400 Personen wurden festgenommen. (Reuters/Gernot Heller)




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