Es wird nur vom Verteilen geredet und nicht vom Erwirtschaften

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09 Nov 10:37 2013 von Oswald Schwarzl Print This Article

Deutsche Handelskammer und RLB OÖ luden zur Veranstaltung „Herausforderungen für den Wirtschafts- und Investitionsstandort Europa

Linz. Europa kehrt langsam auf den Wachstumspfad zurück. Ab 2015 soll es laut EU-Kommission in allen Ländern wieder positive Wachstumsraten geben. Um die Wettbewerbsfähigkeit abzusichern, bedürfe es insbesondere der Umsetzung einer ideologiefreien Industriepolitik, betonte Dr. Eggert Voscherau, Vorsitzender des Aufsichtsrates der BASF SE, am 5. November 2013 im Raiffeisenforum der Raiffeisenlandesbank OÖ. Über Herausforderungen für den Wirtschafts- und Investitionsstandort Europa diskutierte Voscherau gemeinsam mit Prof. Dr. Dieter Hundt, Präsident der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände, Dr. Andreas Ludwig, Vorsitzender des Vorstandes der Umdasch Group, und Dr. Heinrich Schaller, Vorstandsvorsitzender der Raiffeisenlandesbank OÖ.

Mehr Lust auf Innovationen
Gerade in Deutschland sei derzeit die Gefahr groß, dass der Vorsprung verspielt werde, warnte Voscherau. „Es wird nur vom Verteilen geredet und nicht vom Erwirtschaften. Aber es kann nur verteilt werden, was zuvor erwirtschaftet wurde.“ Um die Wettbewerbsfähigkeit langfristig abzusichern, müssen die Innovationskraft gestärkt, eine zukunftsorientierte Industriepolitik umgesetzt und das Prinzip des freien Welthandels geachtet werden. „Fundament für diese drei Eckpfeiler muss die soziale Marktwirtschaft sein“, so Voscherau.
Europa brauche insbesondere Investitionen in das Bildungssystem und wieder mehr Lust auf Innovationen. „Wir neigen dazu, Innovationen als Bedrohung statt als Chance zu sehen. Statt ‚Yes, we can’ heißt es vielfach ‚But what if’“, sagte Voscherau.

Energiepolitik überdenken
Auch in der Energiepolitik muss man sich von festgefahrenen Pfaden trennen. Voscherau: „Wir müssen die Energiepolitik neu überdenken. So kann es nicht weitergehen. Eile in der Lösung ist angesagt.“ Den Blaumann oder den Weißkittel durch grüne Gummistiefel zu ersetzen, sei keine Alternative. Vielmehr komme es bei der Energiepolitik auf eine Balance zwischen Versorgungssicherheit, Preisstabilität und Umweltverträglichkeit an. Zudem müssten zur Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit der freie Welthandel und der Zugang zu Ressourcen ganz oben auf der Agenda stehen.

Hundt: Ohne Änderungen Gefahr für Industriestandort
Zwischen Österreich und Deutschland sei das Handelsvolumen in den vergangenen zehn Jahren um 60 Prozent auf rund 90 Milliarden Euro gewachsen, sagte der Präsident der Deutschen Handelskammer in Österreich und Arbeitgeber-Präsident Deutschlands Dr. Dieter Hundt. Die stabile wirtschaftliche Entwicklung in Österreich und Deutschland sei insbesondere innovativen Unternehmen zu verdanken, die sich auf den Weltmärkten behaupten. Zur Absicherung des Wohlstandes und des Wirtschaftswachstums seien solide öffentliche Finanzen unverzichtbar. „Österreich und Deutschland befinden sich derzeit in einer regierungsfreien Orientierungsphase. Eine entschlossene Konsolidierung der öffentlichen Finanzen muss am Ende das Ziel sein“, so Hundt, der vor allem Potenziale sieht, die Ausgabenseite effizienter zu gestalten. „Wir brauchen keine Steuer- und Abgabenerh öhung, sondern wir brauchen ein dynamisches Wachstum.“

Energiewende korrigieren
Eine ernste Bedrohung für den Industriestandort sieht Hundt in der derzeitigen Energiepolitik Deutschlands: „Wenn die beschlossene Energiewende nicht drastisch reduziert wird, verspielen wir die Zukunft. Dann droht eine dramatische De-Industrialisierung.“ Deutschland und auch Österreich brauchen eine wettbewerbsfähige Stromversorgung, keinen unkontrollierten Ausbau der erneuerbaren Energie. Darüber hinaus sprach sich Hundt für eine international koordinierte Energiepolitik aus.

Ludwig: Mehr Flexibilität notwendig
Neben Innovation und Maßnahmen im Bereich der Aus- sowie Weiterbildung forderte Dr. Andreas Ludwig, Vorsitzender des Vorstandes der Umdasch Group, mehr Flexibilität in allen Bereichen ein, nicht nur in der Arbeitswelt. Nur so könne eine Antwort auf die immer schneller vor sich gehenden Veränderungen auf den globalen Märkten gegeben werden. Auch Ludwig verwies auf die hohen Energiekosten. Hier müsse es zu einer Wettbewerbsfähigkeit mit dem Rest der Welt kommen. Beispielsweise haben die USA deutlich niedrigere Energiekosten, man sei jenseits des Atlantiks flexibler und weniger reguliert.

Schaller: Überbordende Regulierung zurückdrängen
Nachdem in der Zeit um die Jahrtausendwende insbesondere in der Finanzwirtschaft, aber auch in Teilen der Realwirtschaft, zu wenig Grenzen gesetzt worden sind, gebe es jetzt einen extremen Pendelschlag in die Gegenrichtung, meinte RLB OÖ-Generaldirektor Dr. Heinrich Schaller. „Wenn wir es nicht schaffen, die überbordenden Regulierungen zurückzudrängen, werden die Banken ihrer Aufgabe, die Realwirtschaft zu unterstützen, möglicherweise nicht mehr im gewohnten Ausmaß nachkommen können.“ Die Umsetzung neuer Regularien binde extrem viel Personal, Zeit und Geld.

Scharfe Worte fand Schaller für die Studie des IWF, wonach die Heranziehung privater Sparguthaben eine Möglichkeit zur Reduktion der Staatsschulden sei: „Da fehlt jedes Gespür. Das ist absurd und grotesk.“

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Oswald Schwarzl

CR

Chefredakteur in Ruhe

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