Der Antrieb des Mercedes-Benz SLS AMG E-CELL
Hightech - sichtbar gemacht
STUTTGART. Mit dem Elektrik-Antriebsstrang des SLS AMG E-CELL gibt die Mercedes-AMG GmbH einen weiteren Einblick in ihr aktuelles Entwicklungsprojekt.
Der Antriebsstrang wird seit 2010 als Ergebnis der Kooperation von Mercedes-AMG und „Mercedes AMG High Performance Powertrains“ in Brixworth gemeinsam entwickelt. Vier radnah angeordnete Synchron-Elektromotoren mit 392 kW Höchstleistung und einem Drehmoment von 880 Newtonmetern sorgen im SLS AMG E-CELL für faszinierende Fahrdynamik. Als Monocoque-Gehäuse für die Hochvoltbatterie dient ein Carbon-Mitteltunnel, der konstruktiv in die Aluminium-
Rohkarosserie integriert und fest mit ihr verklebt ist.
Die leichten Faserverbundstoffe haben ihren Ursprung unter anderem in der Formel 1. Eine Kleinserie des Mercedes-Benz SLS AMG E-CELL wird 2013 ihre Markteinführung erleben.
Der kraftvolle und lokal emissionsfreie Supersportwagen mit Elektroantrieb ist ein weiteres Synonym für die Innovationskraft und Entwicklungskompetenz der Performance-Marke AMG. Das wegweisende Antriebspaket des Technologieträgers überzeugt: Für kräftigen Vortrieb sorgen vier Synchron-Elektromotoren mit einer Höchstleistung von zusammen 392 kW und einem maximalen Drehmoment von 880 Newtonmetern. Die vier kompakten Elektromotoren erreichen eine Maximaldrehzahl von jeweils 12.000/min und sind radnah angeordnet; damit werden die ungefederten Massen gegenüber Radnabenmotoren erheblich reduziert. Ein Getriebe pro Achse stellt den Kraftschluss her. Beschleunigung von null auf 100 km/h in 4,0 Sekunden.
In puncto Dynamik setzt der elektrisch angetriebene SLS ein Statement:
Die Beschleunigung von null auf 100 km/h absolviert der Flügeltürer in
4,0 Sekunden und rangiert fast auf dem gleich hohen Niveau wie der
SLS AMG mit 420 kW (571 PS) starkem AMG 6,3-Liter-V8-Motor; dieser erreicht
Tempo 100 aus dem Stand in 3,8 Sekunden.
Für Begeisterung sorgen das agile Ansprechverhalten auf Fahrpedalbewegungen
und die lineare Leistungsabgabe: Anders als bei einem Verbrennungsmotor erfolgt der Momentenaufbau bei einem Elektromotor verzögerungsfrei – das maximale Drehmoment steht praktisch aus dem Stand parat. Der spontane Drehmomentaufbau und die druckvolle Kraftentfaltung ohne jegliche Zugkraftunterbrechung vereinen sich mit einem vibrationsfreien Motorlauf.
Die wichtigsten Daten im Überblick:
SLS AMG E-CELL
Höchstleistung 392 kW
Drehmoment 880 Nm
0-100 km/h 4,0 s
Energieinhalt 3 x 16 kWh = 48 kWh
Allradantrieb mit Torque Vectoring ermöglicht völlig neue Freiheiten
Vier Räder, vier Motoren – der intelligente und permanente Allradantrieb des
Elektro-SLS garantiert Fahrdynamik auf höchstem Niveau bei gleichzeitig
bestmöglicher aktiver Sicherheit. Damit ist bei sämtlichen Witterungsbedingungen
die bestmögliche Traktion sichergestellt. Unter dem Fachbegriff
„Torque Vectoring“ (engl.: torque – Drehmoment, vectoring – Verteilung)
verstehen die AMG Entwickler die individuelle Ansteuerung der E-Motoren, was
völlig neue Freiheiten ermöglicht. Torque Vectoring ist permanent aktiv und
ermöglicht eine selektive Kraftverteilung für jedes einzelne Rad.
Von der intelligenten Verteilung der Antriebsmomente profitieren Fahrdynamik,
Fahrverhalten, Fahrsicherheit und Fahrkomfort.
Jedes Rad kann separat und je nach Fahrsituation elektrisch angetrieben
und elektrisch gebremst werden, um
· das Einlenkverhalten des Fahrzeuges zu optimieren,
· die Unter-/Übersteuertendenz zu reduzieren,
· die Gierdämpfung des Grundfahrzeuges zu erhöhen,
· den Lenkaufwand und den Lenkwinkelbedarf zu reduzieren,
· die Traktion zu erhöhen,
· die Anzahl der ESP®-Eingriffe zu minimieren.
Torque Vectoring bewirkt in jedem Fahrzustand eine optimale Ausnutzung
des Kraftschlusspotenzials zwischen Reifen und Fahrbahn und stellt somit
eine Erweiterung des fahrdynamischen Grenzbereiches dar.
Hightech aus der Formel 1: Lithium-Ionen Hochvoltbatterie
Der SLS AMG E-CELL verfügt über eine flüssigkeitsgekühlte Lithium-Ionen
Hochvoltbatterie in Modulbauweise mit einem Energiegehalt von 48 Kilowattstunden.
Bei der Entwicklung kommt Hightech aus der Formel 1 zum Einsatz:
Die Batterie ist das erste Ergebnis der Kooperation zwischen der Mercedes-AMG
GmbH in Affalterbach und Mercedes AMG High Performance Powertrains
(früher: Mercedes-Benz High Performance Engines). Das in Brixworth/
Großbritannien ansässige Unternehmen arbeitet schon seit langem eng mit
AMG zusammen.
Dabei profitieren die F1-Motorexperten von ihrem großen Know-how mit KERS Hybrid, das in der Formel 1-Saison 2009 debütierte. Beim Großen Preis von Ungarn 2009 erzielte Lewis Hamilton mit dem Mercedes-Benz KER-System den historischen ersten Sieg eines Formel 1-Fahrzeugs mit KERS Hybrid.
Die Hochvoltbatterie besteht aus 12 Modulen à 72 Lithium-Ionen Polymerzellen
– vom optimierten Arrangement der insgesamt 864 Zellen profitiert nicht nur
die Bauraumausnutzung, sondern auch die Leistungsfähigkeit.
Die maximale elektrische Belastungsmöglichkeit der Hochvoltbatterie liegt bei 480 Kilowatt, ein absoluter Bestwert im Automobilsektor. Technische Voraussetzung für
diese beachtliche Leistungsfähigkeit ist auch die intelligente Parallelschaltung
der einzelnen Batteriemodule – sie maximiert zudem auch die Sicherheit,
Zuverlässigkeit und Lebensdauer des Stromspeichers. Wie in der Formel 1 wird die 400-Volt-Batterie mittels gezielter Rekuperation beim Bremsen im Fahrbetrieb aufgeladen.
Leistungsfähige Steuerung sowie effektive Kühlung aller Komponenten
Eine leistungsfähige elektronische Steuerung wandelt den Gleichstrom aus der
Hochvoltbatterie in den für die Synchronmotoren nötigen Drehstrom um und
regelt die Energieströme in jedem Betriebszustand. Zwei Niedertemperatur-
Kühlkreisläufe sorgen für ausgeglichene Betriebstemperaturen der vier
Elektromotoren und der Leistungselektronik. Ein separater Niedertemperatur-
Kreislauf ist für die Kühlung der Lithium-Ionen Hochvoltbatterie zuständig.
Bei niedrigen Außentemperaturen wird die Batterie mithilfe eines elektrischen
Heizelementes schnell auf Betriebstemperatur gebracht; hiervon profitiert die
Gesamtlebensdauer der Batterie. Bei extrem hohen Außentemperaturen kann
der Kühlkreislauf für die Batterie mithilfe der Klimaanlage zusätzlich gekühlt
werden.
Leichtbaustrategie „AMG Lightweight Performance“
Die zukunftsweisende Rohbaustruktur des SLS AMG E-CELL ist fester
Bestandteil der ambitionierten Leichtbaustrategie „AMG Lightweight
Performance“. Die Batterie findet ihren Platz in einem Carbon-Monocoque, das integrativer Bestandteil der Rohkarosserie und Rückgrat des Flügeltürers ist.
Auch die Faserverbundstoffe haben ihren Ursprung unter anderem in der
Formel 1. Für die Konstruktion des Monocoques nutzen die Ingenieure von
AMG die Vorteile von Carbon. Dazu zählen hohe Festigkeit, die extrem steife
Strukturen in Bezug auf Torsion und Biegung ermöglicht, exzellente Crash-
Performance sowie geringes Gewicht. Bei gleicher Stabilität sind CFK-Bauteile
bis zu 50 Prozent leichter als vergleichbare aus Stahl gefertigte Komponenten.
Gegenüber Aluminium beträgt die Gewichtseinsparung immer noch etwa
30 Prozent bei weitaus geringerer Materialstärke. Die Gewichtsvorteile durch
das Batterie-Carbon-Monocoque kommen der Agilität des SLS AMG E-CELL
zugute und ermöglichen in Kombination mit dem hochinnovativen,
radselektiven Vierradantrieb begeisternden Fahrspaß.
Das Batterie-Carbon-Monocoque ist überdies als „Zero Intrusion Cell“ für die
höchsten Anforderungen an die Crash-Sicherheit ausgelegt. Es schützt die
Batteriemodule im Inneren vor Verformungen und Beschädigungen im Falle
eines Crashs.
Basis für die CFK-Konstruktion sind feine Carbonfasern, zehnmal dünner als ein
menschliches Haar. Gespannt auf einer Strecke von hier bis zum Mond würde
die innovative Faser nur 25 Gramm wiegen. 1.000 bis 24.000 dieser Fasern
werden zu Einzelsträngen zusammengefasst. Web- und Nähmaschinen fertigen
daraus mehrlagige Fasermatten, die sich zu dreidimensionalen Gebilden formen
lassen. Wird flüssiges Kunstharz injiziert, härtet dies aus und verleiht der
gewünschten Struktur die endgültige Form und Stabilität.
Mercedes-Benz und AMG haben mit dem SLR, den AMG Black Series
Fahrzeugen und im Motorsport mehr als zehn Jahre Know-how im Umgang mit
Carbonfaser-Werkstoffen gesammelt. Aktuell fertigt AMG beispielsweise die
Kardanwelle des SLS AMG aus Carbon. Im SLS AMG Roadster ist die tragende
Struktur zur Aufnahme des Windschotts serienmäßig als Carbonsandwichstruktur
ausgeführt. Dieses Bauteil zeigt heute schon mit extrem kurzen
Zykluszeiten in einem industriell orientierten Fertigungsverfahren, was morgen
möglich sein wird.
Optimale Gewichtsverteilung und tiefer Schwerpunkt
Der rein elektrische Antrieb wurde bereits in der Konzeptphase des Flügeltürers
berücksichtigt. Das Packaging bietet optimale Voraussetzungen für die
Integration des leistungsfähigen und emissionsfreien Technologie-Pakets: So
können die vier Elektromotoren und die zwei Getriebe möglichst nah an den
vier Rädern und tief unten im Fahrzeug platziert werden.
Das Gleiche gilt für die Hochvoltbatterie in Modulbauweise. Die Vorteile dieser Lösung sind der tiefe Fahrzeugschwerpunkt und die ausgeglichene Gewichtsverteilung – ideale Bedingungen für ein optimales Handling, das der elektrisch angetriebene Flügeltürer mit seinem benzinbetriebenen Schwestermodell teilt.
Neue Vorderachskonstruktion mit Pushrod-Federbeinen
Der zusätzliche Antrieb der Vorderräder verlangt nach einer neu konstruierten
Vorderachse: Anders als im Serienfahrzeug mit AMG V8-Motor, das über
eine Doppelquerlenker-Achse verfügt, kommt beim SLS AMG E-CELL eine
Raumlenkerachse mit Pushrod-Federbeinen zum Einsatz. Der Grund: Die
beim Serien-SLS stehend angeordneten Federbeine müssen den zusätzlichen
Antriebswellen weichen. Wie bei zahlreichen Rennfahrzeugen üblich, kommen
nun liegende Federbeine zum Einsatz, die über separate Schubstangen
(englisch: push rods) und Umlenkhebel betätigt werden.
Dank der aufwendigen, Motorsporterprobten Vorderachskonstruktion befinden
sich Agilität und Fahrdynamik des SLS AMG E-CELL auf dem gleich hohen
Niveau wie bei der V8-Variante. Ein weiteres Unterscheidungsmerkmal
betrifft die Parameter-Servolenkung mit Zahnstangen-Lenkgetriebe: Die
Servounterstützung erfolgt elektrohydraulisch statt hydraulisch.
AMG Keramik-Verbundbremsanlage für perfekte Verzögerung
Der Technologieträger verzögert mithilfe der AMG Keramik-Hochleistungs-
Verbundbremsanlage; sie überzeugt durch kürzeste Bremswege, einen präzisen
Druckpunkt und höchste Standfestigkeit auch bei extremen Einsatzbedingungen.
Die üppig dimensionierten Scheiben – vorn 402 x 39 Millimeter,
hinten 360 x 32 Millimeter – bestehen aus mit Kohlefasern verstärkter
Keramik, sind rundum in Verbundbauweise konzipiert und schwimmend radial
mit einem Aluminiumtopf verbunden. Gegenüber den herkömmlichen
Graugussbremsscheiben sind die Keramikbremsscheiben um insgesamt 40
Prozent leichter. Die Reduzierung der ungefederten Massen steigert nicht nur
Fahrdynamik und Agilität, dadurch verbessern sich sowohl der Fahrkomfort als
auch der Grip. Die reduzierten rotierenden Massen an der Vorderachse sorgen
außerdem für ein direkteres Ansprechen der Lenkung, was sich vor allem in
schnell gefahrenen Autobahnkurven auswirkt. Antiblockiersystem und ESPÒ
sind auf das spezielle Einsatzspektrum des permanenten Allradantriebs
abgestimmt.
CPP.
Über den Autor
Claus-Peter Pozdnik
Claus Peter Pozdnik, Redakteur/Motormagazin
Weitere Artikel von Peter Podznik