Linz: Städtische Jugendarbeit 2020

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05 Feb 14:00 2017 von Redaktion Vorarlberg Print This Article

Leitlinien zur Optimierung der Beratung, Unterstützung und Begleitung junger Linzerinnen und Linzer

Jugendliche suchen sich verstärkt ihre eigenen Räume, in denen sie sich aufhalten wollen. Programme der 1990er Jahre sind davon ausgegangen, dass Jugendliche zusehends aus dem öffentlichen Raum verdrängt werden und ihnen eigene Räumlichkeiten ohne Konsumzwang angeboten werden müssten. Aktuellen Jugendstudien zufolge sucht sich die überwiegende Mehrheit der Jugendlichen heute erneut ihre Räume in den szenerelevanten Bereichen. Die Shell-Jugendstudie spricht von der „Generation im Aufbruch“, die mehrheitlich optimistisch in die Zukunft blickt, für die Bildung und die Erfüllung des Berufswunsches im Vordergrund steht und für die Familie der wichtigste Rückzugsort ist.

Der aktuelle Bericht zur Lage der Jugend in Österreich definiert zwei relevante Szenen: die Fitness- und die Computerszene. Erstere ist vor allem auch für Mädchen offen, während die zweite sehr stark von Burschen dominiert ist. An diesen Szenen orientieren sich auch die Räume, in denen sich Jugendliche vermehrt aufhalten: Sporteinrichtungen und Fitnesscenter sind ebenso wichtig wie günstige Internetanbindungen. 95 Prozent der Jugendlichen verfügen über ein Smartphone und haben damit – zumindest theoretisch – jederzeit Zugang ins Internet. Überwiegend wird beim Surfen auf Musikvideos zugegriffen, „House“ und „HipHop/R´n´B“ sind die bevorzugten Musikrichtungen. Daneben gibt es allerdings auch eine Zahl sozial weniger integrierter bzw. armutsgefährdeter Kinder. Diese halten sich nach wie vor im öffentlichen Raum auf und sind durch verstärkte, aufsuchende Jugendarbeit (Streetwork) zu betreuen.

Für den laufenden Evaluierungs- und Optimierungsprozess bis 2020 sollen daher folgende Leitlinien die Basis bilden:

  • Stärkung der aufsuchenden Jugendarbeit
  • Stützpunktarbeit an Hotspots
  • Optimierung der Beratungsangebote in Zusammenarbeit mit anderen AnbieterInnen
  • Sozialräumliche Analyse und Neuausrichtung der Jugendzentren
  • Inhaltliche Ausrichtung: Wertevermittlung und digitale Kompetenzen

Stärkung der aufsuchenden Jugendarbeit

Die JugendarbeiterInnen sollen sich mehr zu den Szeneräumlichkeiten begeben, in denen sich Jugendliche von sich aus aufhalten. In den Stadtteilen gilt es, diese Räume auszumachen und ein Programm für die Abdeckung auszuarbeiten. Mobil erreichbare Streetworker sollen als AnsprechpartnerInnen für Jugendliche und Erwachsene in den Stadtteilen agieren.

„Tatsache ist, dass wir mit dem bestehenden Angebot des Vereins Jugend und Freizeit viele Jugendliche nicht erreichen können“, betont Stadträtin Hörzing. „Wir brauchen daher mehr Personal ‚auf der Straße‘, um mit jenen Jugendlichen in Kontakt treten zu können, die von sich aus keine vorhandenen Angebote aufsuchen“, so Hörzing weiter.

In der Zukunft bedeutet dies auch den Ausbau von Streetwork und sozialraumorientierter Jugendarbeit. Die sozialraumorientierte Jugendarbeit ermöglicht dabei eine Vernetzung zu anderen jugendrelevanten Institutionen im jeweiligen Stadtteil (Schulen, Vereine), die Kontaktaufnahme mit Jugendlichen, die das Jugendzentrum nicht besuchen und eine Begleitung der Club-BesucherInnen bei ihrer Freizeitgestaltung in der Umgebung.

Die Streetworkeinrichtungen richten sich primär an Jugendliche, die andere Unterstützungsangebote nicht wahrnehmen und ist somit eine aufsuchende Jugendsozialarbeit. Konkret bedeutet dies eine Beziehungsarbeit in der Lebenswelt der Jugendlichen – in Lokalen, auf der Straße oder in Park- und Freizeitanlagen. StreetworkerInnen übernehmen verstärkt Informations- und Beratungsaufgaben, begleiten, vermitteln und betreiben Lobbying für benachteiligte Jugendliche und Jugendgruppen. Für alle Angebote gelten die Arbeitsprinzipien Anonymität, Parteilichkeit, Freiwilligkeit und Ganzheitlichkeit.

Freie Ressourcen durch Flexibilität

Durch einen flexibleren Umgang mit Öffnungszeiten und Abbau von Wartezeiten bei der Beratung sollen mehr personelle Ressourcen für den Außendienst geschaffen werden. „In einer Zeit, in der 95 Prozent der Jugendlichen mit einem Handy ausgestattet sind, ist es nicht mehr notwendig, vier Stunden im Büro zu sitzen, um auf Jugendliche zu warten, die zu einem Beratungsgespräch kommen“, erklärt Stadträtin Hörzing. „Durch eine Nachricht beispielsweise an der Türe, wie die JugendarbeiterInnen zu erreichen sind, können die SozialarbeiterInnen mehr Zeit draußen verbringen und die Jugendlichen sich im Bedarfsfall per Telefon melden. Das vermeidet unsinnige Wartezeiten im Bereitschaftsdienst“, so Hörzing weiter.

Ebenfalls denkbar ist der flexiblere Umgang mit Öffnungszeiten der Jugendzentren. Gerade an schönen Sommertagen verbringen die Jugendlichen wenig Zeit indoor. „Mir ist es wichtig, dass die JugendzentrumsleiterInnen das Pouvoir haben, die Öffnungszeiten flexibel zu gestalten, um ihre Angebote dort zu setzen, wo sich die Jugendlichen aufhalten“, erklärt Hörzing. „Die MitarbeiterInnen im VJF kennen ihre Jugendlichen und wissen auch, welches Programm sie anbieten müssen. Dieser Kompetenz darf durch starre Öffnungszeiten keine Schranken für die Kreativität gesetzt werden“, wünscht sich Hörzing für die Zukunft.

Stützpunktarbeit an Hotspots

An Orten, an denen es häufiger zu Konfliktsituationen kommt, sollen die Streetworker in Zusammenarbeit mit anderen Vereinen (etwa Substanz) und der Polizei Stützpunktarbeit leisten.

Derzeit betreibt der VJF die Streetwork-Arbeit an vier Standorten: Innenstadt, Ebelsberg, Auwiesen, und im Netzwerk-Süd in der Matthäus-Herzog-Straße. „Viele Bereiche der Stadt sind damit aber nicht abgedeckt. Langfristig ist es mein Ziel, flexiblere Strukturen umzusetzen, um auf aktuelle Situationen bzw. Hotspots reagieren zu können“, so Hörzing.

Optimierung der Beratungsangebote in Zusammenarbeit mit anderen Anbietern

Die vielseitigen Angebote in den Jugendzentren überschneiden sich mit denen anderer Anbieter. Lehrlings- und Ernährungsberatung etwa werden auch von anderen Stellen angeboten. Eine Evaluierung aller Angebote im Stadtgebiet und ihrer Erreichbarkeit sowie ihre öffentliche Zugänglichkeit soll Grundlage für eine Überarbeitung der Programme in den Jugendzentren sein.

Gleichzeitig gibt es diverse Stellen (Stadtteilzentren, Familienberatungsstellen, Schulsozialarbeit, etc.), die den JugendarbeiterInnen als Kontaktstellen in den Stadtteilen zur Verfügung stehen. Einrichtungen wie die genannten wissen oftmals über Probleme, Treffpunkte und Anliegen der Jugendlichen vor Ort bestens Bescheid und können damit den JugendarbeiterInnen als Informations- und Austauschplattform dienen. Es braucht eine intensive Vernetzung von Bestehendem, um künftig mehr Jugendliche zu erreichen.

Sozialräumliche Analyse und Neuausrichtung der Jugendzentren

In Linz ist für die städtische Jugendarbeit der Verein Jugend und Freizeit zuständig. Mit Einrichtungen an neun Standorten sowie einem Teenie-Projekt und vier Streetwork-Stellen bleibt der Verein als weitgehend flächendeckendes Angebot für die Jugendlichen in Linz erhalten.

Dennoch hat sich die klassische Jugendzentrumsarbeit zwischenzeitlich überlebt. In den einzelnen Stadtteilen wird zu untersuchen sein, inwieweit die Jugendzentren noch jene Zielgruppen erreichen, für die sie ursprünglich gedacht waren. Aufgrund der höheren Mobilität der Jugendlichen kann – auch im Hinblick auf die Neuprogrammierung – auch eine Konzentration der Angebote überlegt werden.

„Jugendarbeit muss sich – genauso wie es auch die Jugendlichen tun – immer weiter entwickeln. Erfolgreiche Konzepte der 80er oder 90er Jahre gelten heute nicht mehr und werden nicht mehr angenommen. Das wirklich herausfordernde an der Jugendarbeit ist: sie unterliegt einem ständigen Wandel. Nur wenn wir als Stadt Linz mit diesem Wandel mithalten, werden wir auch in Zukunft erfolgreiche Jugendarbeit leisten können“, zeigt sich Stadträtin Karin Hörzing zuversichtlich.

Inhaltliche Ausrichtung

Nicht erst durch den vermehrten Zuzug von Flüchtlingen ist die Auseinandersetzung mit den Themen Heimat-Integration-Werte-Demokratie entstanden. JugendarbeiterInnen sind Ansprechpersonen, die neben Familie, Schule, usw. Jugendlichen eine Orientierung bieten können. Gerade die Studie aus den Wiener Jugendzentren hat gezeigt, wie wichtig es ist, auch das Thema Radikalisierung zu thematisieren und Tendenzen von Jugendlichen dahingehend rechtzeitig zu erkennen und aufarbeiten zu können.

Da der wohl am häufigsten von Jugendlichen frequentierte Raum das Internet ist, wird es notwendig sein, hier eine stärkere Kompetenz aufzubauen. Den Jugendstudien zufolge haben Jugendliche einen sehr pragmatischen und realistischen Zugang zu den Informationen im Internet, sie vertrauen ihnen nur bedingt. Trotzdem nehmen Verhaltensweisen wie Cybermobbing und Hasspostings zu. Um Jugendliche hier besser beraten zu können, sollen auch die städtischen JugendarbeiterInnen entsprechende Beratungskompetenz aufbauen, etwa in Zusammenarbeit mit der Mobbing-Stelle der Kinder- und Jugendanwaltschaft.

Diskussionsprozess gestartet

„Mir ist bewusst, dass sich neue Strukturen, Aufgaben und Zielsetzungen nicht von heute auf morgen umsetzen lassen. Aus diesem Grund haben wir einen intensiven Diskussionsprozess gestartet, um die Jugendarbeit in Linz auf neue Beine zu stellen“, betont Stadträtin Karin Hörzing. Auf Basis dieser Leitlinien hat der Verein Jugend und Freizeit den Auftrag erhalten, bestehende Angebote zu evaluieren und ein Konzept zu erarbeiten, welches den zeitgemäßen Anforderungen an eine moderne städtische Jugendarbeit entspricht.


Quelle: Stadt Linz



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Chefredakteur von Regionews Vorarlberg

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