Große Skepsis gegenüber EU-Dienstleistungskarte

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Große Skepsis gegenüber EU-Dienstleistungskarte
Foto: AK Niederösterreich/Mario Scheichel
14 Nov 13:12 2017 von OTS Print This Article

ExpertInnentagung von AK Niederösterreich und EWSA: Reformen bestehender Richtlinien statt neuer Projekte

St. Pölten (OTS) - Die EU-Kommission will das grenzüberschreitende Angebot von Dienstleistungen vereinfachen. Das soll mit der so genannten EU-Dienstleistungskarte geschehen, einer Art EU-weitem Gewerbeschein. Heimische ExpertInnen und EU-PolitikerInnen zeigen sich skeptisch. Auf einer gemeinsamen Veranstaltung von AK Niederösterreich und dem Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss forderten sie, bestehende Richtlinien zu reformieren statt neue Projekte anzugehen.

Sie soll eine Art EU-weiter Gewerbeschein werden: Die EU-Dienstleistungskarte. Eine Behörde im Herkunftsland stellt sie aus und zum Beispiel ein ungarischer Dachdecker kann mit ihr seine Dienstleistungen auch in Österreich anbieten, ohne sich extra einen Gewerbeschein lösen zu müssen. Soweit die Theorie. Der Entwurf der EU-Kommission weise aber entscheidende Schwächen auf, sagt EU-Parlamentarierin Evelyn Regner: „Im EU-Parlament gibt es große Skepsis, dass mit der Dienstleistungskarte die so genannte Entsenderichtlinie umgangen werden kann.“ Heißt: Ein Mitarbeiter des ungarischen Dachdeckers würde sich auf Druck des Arbeitgebers als selbstständig deklarieren. Wenn er in Österreich für seinen Chef arbeitet, müsste der keinen österreichischen Kollektivvertragslohn mehr zahlen. Das könnte die jüngst erzielten Verbesserungen bei der Entsenderichtlinie konterkarieren.

Die EU-Kommission spüre starken Gegenwind bei dem Projekt, sagt Rudolf Kolbe, Mitglied des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses (EWSA) und Vizepräsident der Kammer für Architekten und Zivilingenieure. „Das Konzept stellt nicht sicher, dass hier nicht über die Hintertür das Herkunftslandprinzip wieder eingeführt wird.“ Soll heißen: Ähnlich wie Regner befürchtet er, dass ein ungarischer Dachdecker zu ungarischen Löhnen in Österreich arbeiten könnte. Kolbe plädiert dafür, die bestehenden Instrumente wie die Dienstleistungsrichtlinie besser zu kontrollieren.

Grenzüberschreitende Dienstleistungen müssten nicht mehr angekurbelt werden, sagt Angela Pfister vom Volkswirtschaftlichen Referat des ÖGB: „Im Vorjahr hat es zwei Millionen grenzüberschreitende Entsendungen von ArbeitnehmerInnen gegeben, davon zehn Prozent allein nach Österreich. Es stimmt also nicht, dass es wenige grenzüberschreitende Dienstleistungen gibt.“

Einen Schwachpunkt sehen die ExpertInnen und InteressenvertreterInnen unisono: Nach dem aktuellen Entwurf wäre es etwa für die österreichische Finanzpolizei sehr schwierig, die EU-Dienstleistungskarte eines ungarischen Dachdeckers zu überprüfen. Selbst wenn der Verdacht besteht, dass der Dachdecker Arbeitnehmer ist und nicht selbstständig, würde die Karte gelten, bis die ungarischen Behörden sie für ungültig erklären.

Thomas Wagnsonner, Bereichsleiter für Interessenpolitik in der AK Niederösterreich und Mitglied im EWSA, forderte die EU-Kommission auf, die bisherigen Einwände gegen das Projekt zu berücksichtigen. Die EU müsse sich weitaus mehr um soziale Fragen kümmern. „Ein EU-Finanzminister wird angedacht. Wir sollten aber auch das Amt eines EU-Sozialministers diskutieren, damit der Arbeits- und Sozialthemen die Wichtigkeit gibt, die sie verdienen“.


Quelle: OTS



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