Berufsunfähig – Wiedereinstieg durch Reha oder Armut durch Krankheit?

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Foto: Verein ChronischKrank® Österreich
27 Mai 21:00 2017 von Redaktion Salzburg Print This Article

Ein Einblick in die Thematik Berufsunfähigkeit - wie rasch es einen selbst betreffen kann - wie unerbittlich - oft auch unmenschlich das System zuschlagen kann.

Die Ziele der BU- und Invaliditätspensionsreform 2014 waren weniger Berufsunfähigkeits- und Invaliditätspensionisten, eine Milliarde Euro mehr an Steuereinnahmen, späterer Pensionsantritt sowie rasche Wiedereingliederung ins Erwerbsleben. Das Ergebnis der Reform in der Praxis auf die Betroffenen im staatlichen BU-System zeigt sich oft als zusätzliche schwerwiegende Belastung und nicht als Rehabilitation und Wiedereinstieg. Die Zahl der abgelehnten Anträge auf Reha ist seit 2014 massiv im Steigen, 2016 werden fast schon 70 % der Anträge abgelehnt. Die Rehabilitationsdauer und die Umschulungen zur Wiedereingliederung ins Erwerbsleben dauern oft mehrere Jahre und müssen wiederholt werden, 2015 haben diese Maßnahmen bei rund der Hälfte der in Reha befindlichen Personen versagt. Fakt ist, dass Betroffene durch die massiven Sanktionsdrohungen mit der Mitwirkungspflicht, den oft unqualifizierten Begutachtungen der PVA und den falschen Rehamaßnahmen extrem unter Druck stehen und leiden.

Das Ziel wäre eigentlich, kranke Menschen rasch wieder ins Arbeitsleben einzugliedern und vor allem gesund zu machen. Im Moment sieht die Situation aber eher gegenteilig aus, derzeit quält man die Betroffenen und gefährdet deren Existenz. 18.546 Menschen bezogen im Jahr 2015 Rehageld, 3155 wurde das Rehabgeld wegen „Nichtmitwirkung“ entzogen. Wobei schon eine Nichteinnahme oder Infragestellung einer Medikation oder Therapie eine Verletzung der Mitwirkungspflicht bedeuten kann. Oft entscheiden nicht qualifizierte Begutachter über einen Therapieplan, der aufgezwungen wird.

Wird ein Antrag auf Rehabilitation oder Umschulung aufgrund Krankheit abgelehnt, werden die Betroffenen an das AMS zurückverwiesen. Dort müssen sie sich „arbeitswillig“ erklären, ansonsten erhalten sie keine Geldleistungen vom AMS.

Aus der Praxis - Erster von fünf Teilen – Die Wiederbegutachtung

Ich bin Tom, 45 Jahre alt, Familienvater und Bezieher der Berufsunfähigkeitspension, da ich unter Depressionen leide.
Am 14. 10. war es wieder so weit: Ich war von der PVA zu einer neurologisch-psychiatrischen Begutachtung bei einem Dr. W. in Linz geladen.
Wie immer hat diese Ladung einen neuen Schub verursacht. Die Ungewissheit, das Gefühl, einem wildfremden Menschen völlig ausgeliefert zu sein, Panik vor der Großstadt – da kommt Vieles zusammen.
Ich habe es geschafft, rechtzeitig beim Gutachter zu sein. Was ich dort erlebt habe, möchte ich hier in insgesamt fünf Berichten schildern:

Nachdem ich, wie immer überpünktlich, angekommen war, fand ich das Wartezimmer so überfüllt vor, dass ich keinen Sitzplatz finden konnte. Dr. W. empfand ich als unfreundlich und eiskalt. Auf seinem Schreibtisch lagen Riesenstapel an PVA-Dokumenten.
Nun, der Gutachter saß vor seinen Stapeln, das Gesicht hinter seinem Diktiergerät, blätterte in meinen Akten und riss dabei einfach Sätze aus dem Zusammenhang. Was er gelesen hat, hat er dann völlig verdreht in sein Diktiergerät gesprochen.
Dr. W. hat über die vorhandenen Gutachten nur abfällig gesprochen.
An mich richtete er nur ganz kurze Fragen, die er dann ohnehin mehr oder weniger selbst beantwortete.
Ich war so perplex, so eingeschüchtert und sprachlos, dass ich einfach nicht fähig war, in das merkwürdige Geschehen einzugreifen.
Ich habe sogar vergessen, das Formular für die Fahrtkosten ausfüllen zu lassen, obwohl meine Finanzlage so etwas einfach nicht zulässt…
Der ganze Spuk dauerte circa 10 Minuten, dann wurde ich hinauskomplimentiert.
War das jetzt einer der berühmten Gutachter mit Genieblick? Oder einer der Wunderheiler, deren Praxis man nach 10 Minuten gesund verlässt?
Nein, also gesund hab‘ ich mich nicht gefühlt – ganz im Gegenteil.

Dass die Pensionsversicherung kategorische Ablehnungen vornimmt, zeige laut dem Verein „Chronisch krank“ die Tatsache, dass die Hälfte aller Verfahren für die Antragsteller gewonnen werde. Das bedeutet: „50% der negativen PVA-Gutachten sind schlichtweg falsch!

Dass so eine „Begutachtung“ kein vernünftiges Ergebnis hervorbringen kann, war mir sofort klar. Naja, erst einmal wieder ein Zusammenbruch, aus dem mir dann die Wut herausgeholfen hat.
Also habe ich das „Gutachten“, nach zwei schlaflosen Nächten, am 16. 10. per E-Mail von der PVA angefordert, da hat man ja ein Recht dazu….

Was ich dann bekommen habe, war nicht das „Gutachten“, sondern am 20. 10. eine Einladung zu einer weiteren Untersuchung in der PVA:
„Aufgrund der neurologisch-psychiatrischen Begutachtung (Was für eine Begutachtung, verdammt nochmal?) hat sich die Notwendigkeit der Durchführung einer psychodiagnostischen Untersuchung ergeben.“

Am 24. 10. nach der Schockstarre ein Anruf bei der PVA:
Auf die Frage nach dem Gutachten, wurde mir erklärt, es sei noch nicht verfügbar und nicht im System. Merkwürdig, nachdem sich die PVA bei ihrer Ladung ja genau auf dieses Gutachten bezogen hatte… Ich bekomme das Gutachten so schnell als möglich zugesendet, war das Versprechen.

Auf die Frage, warum ich nach dieser „Begutachtung“ noch eine Untersuchung brauche, war die Antwort: „Beschluss der Kommission“.

“Es gibt viele Arten zu töten. Man kann einem ein Messer in den Bauch stechen, einem das Brot entziehen, einen von einer Krankheit nicht heilen, einen in eine schlechte Wohnung stecken, einen durch Arbeit zu Tode schinden, einen zum Suizid treiben, einen in den Krieg führen usw. Nur weniges davon ist in unserem Staat verboten.” (Bertolt Brecht)


Quelle: Verein ChronischKrank® Österreich



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