vonRedaktion International
AUGUST 27, 2025
Foto: JÜDISCHES MUSEUM BERLIN, INV.-NR. 2014/192/117
1924 hielt die Gesellschaft Deutscher Naturforscher und Ärzte ihre Jahrestagung in Innsbruck ab. Tausende Wissenschaftler, aber auch so manche Forscherin besuchten die Stadt. Von Andreas Hauser
Anlässlich der 88. Versammlung Deutscher Naturforscher und Ärzte diskutierten 1924 rund 6.000 Wissenschaftler in Innsbruck aktuelle Fragen aus Naturwissenschaft und Medizin, darunter über 20 Nobelpreisträger, bekannte Wissenschaftler und zukünftige Spitzenforscher. Albert Einstein und Erwin Schrödinger waren hier, Max Planck und Wolfgang Pauli, Otto Loewi und Julius Wagner-Jauregg. Vom 21. bis 27. September wurden Hunderte Vorträge gehalten – aber nur eine Handvoll von Frauen.
Frauen am Podium
Eine von ihnen war die 1877 geborene Zoologin Margarete Zuelzer, die in Berlin und Heidelberg Naturwissenschaften studiert und 1904 promoviert hatte. Nach Anstellungen an der Versuchs- und Prüfanstalt für Wasserversorgung in Berlin und am Gesundheitsamt leitete sie nach 1919 als eine der wenigen weiblichen „Regierungsräte“ das Protozoenlaboratorium in Berlin. Bekannt wurde Zuelzer aufgrund ihrer Erforschung der Weilschen Krankheit und deren Auslöser, den Spirochäten. In Innsbruck präsentierte Zuelzer ihr Wissen zu dieser Gruppe von Bakterien. 1933 wurde sie aufgrund ihrer jüdischen Herkunft in den Ruhestand versetzt, 1939 emigrierte sie nach Amsterdam und arbeitete am Institut für tropische Hygiene. Im Mai 1943 wurde Margarete Zuelzer in das Durchgangslager Westerbork deportiert, wo sie am 29. August 1943 starb.
Weitere Vortragende waren die Pathologin Else Petri (1887-1947) aus Berlin sowie Selma Meyer (1881–1958), die sich 1922 als erste Frau Deutschlands im Fach Pädiatrie habilitiert hatte. Zudem wurde sie 1927 als erste Frau zur außerordentlichen Professorin für Kinderheilkunde ernannt. Wegen ihrer jüdischen Herkunft wurde ihr 1933 die Lehrbefugnis, 1938 die Approbation entzogen. 1939 konnte sie nach New York emigrieren, wo sie bis zu ihrem Tod eine Praxis betrieb. Anders verlief die Karriere von Petri. Als Gaukulturwartin der NS-Frauenschaft des Gaues Groß-Berlin war die Expertin für Vergiftungen von 1933 bis 1945 Direktorin des Pathologischen Instituts am Urban-Krankenhaus Berlin. Auch Emmy Noether (1882-1935) referierte, die Pionierin der Abstrakten Algebra sprach auf der Versammlung der Deutschen Mathematiker-Vereinigung, die zeitgleich in Innsbruck abgehalten wurde. In der Sitzung Technische Physik und Elektrotechnik kamen Henny Cohn und Anne Marie Katsch zu Wort, Patentinhaberinnen und Arbeitskolleginnen bei einem Berliner Unternehmen für Funkentelegrafie. Cohn floh 1935 vor der NS-Verfolgung nach Eindhoven, wo sie für Philips arbeitete. 1943 wurde sie im KZ Herzogenbusch, 1944 in Auschwitz interniert. Cohn überlebte, emigrierte in die USA und starb 1950 an den Folgen einer Operation. Katsch arbeitete weiter in Berlin, meldete mehrere Patente an und erlag im November 1945 einem Herzinfarkt.
Quelle: Stadt Innsbruck