vonRedaktion Salzburg
NOVEMBER 09, 2025
Foto: Franz Neumayr
Unglück am 11. November 2000 hat das Land verändert / Interview mit dem Leiter des Landes-Katastrophenschutzes Markus Kurcz
(LK) Die Brandkatastrophe in Kaprun am 11. November 2000 hat sich in die kollektive Erinnerung Salzburgs eingeprägt. Beim Unglück kamen 155 Menschen ums Leben, nur zwölf Personen konnten sich retten. Am 11. November jährt sich die Katastrophe zum 25. Mal. Sie hat Salzburg verändert und war in mehrerer Hinsicht ein Wendepunkt wie Markus Kurcz, Leiter des Katastrophenschutzes des Landes Salzburg betont.
Das Brandkatastrophe von Kaprun war mit 155 Todesopfern das größte Unglück, das sich in Österreich nach dem Zweiten Weltkrieg ereignet hat. Die Katastrophen in Kaprun sowie ein Jahr zuvor im Tauerntunnel haben auch die Arbeit des Katastrophenschutzes und der Einsatzkräfte in Salzburg geändert. Das Landes-Medienzentrum hat mit dem Leiter des Katastrophenschutzes des Landes, Markus Kurcz, über die Zusammenarbeit zwischen Behörden und Organisationen, Kommunikation, Krisenintervention und aktuelle Herausforderungen gesprochen.
LMZ: 1999 gab es die Katastrophe im Tauerntunnel, ein Jahr später in Kaprun. Welche Auswirkungen hatten beide Unglücke auf die Zusammenarbeit von Behörden und Einsatzorganisationen?
Kurcz: Man kann durchaus sagen, dass beide Katastrophen so gut wie alles verändert haben – sie waren ein Wendepunkt. Die Tiefe und Intensität der Zusammenarbeit zwischen den Behörden und den Einsatzorganisationen wurde schrittweise intensiviert. Ebenfalls wurden die Sonderalarmpläne für kritische Infrastruktur, beispielsweise Tunnel, Kraftwerke oder auch Bergwerke und Speicheranlagen, landesweit über alle Bezirksverwaltungsbehörden vereinheitlicht.
LMZ: Haben Sie hier ein konkretes Beispiel aus der Praxis?
Kurcz: Wenn sich heute ein Unglück ereignet, dann ist die Startphase des Einsatzes hinsichtlich der Erstmaßnahmen und Einsatzraumordnung genau definiert. Es ist festgelegt, wo die Einsatzorganisationen ihre Bereitstellungsräume haben, wo sich Hubschrauber oder Medienbetreuer platzieren können. Sogar begleitende straßenpolizeiliche Verkehrsmaßnahmen, etwa wo Straßen umgeleitet werden sollen, stehen fest und sind vorbereitet.
LMZ: Wie oft trainieren die Einsatzorganisationen mögliche Katastrophenfälle?
Kurcz: In regelmäßigen Übungen wird dabei die Zusammenarbeit trainiert und Sonderalarmpläne auch laufend adaptiert, um den in der Startphase führenden Einsatzleitern den Einstieg ins Szenario möglichst zu erleichtern. Die Arbeit der Einsatzorganisationen im Bundesland kann man in zwei Worten bescheiben: höchstes Niveau! Sie stehen ständig im Training und ihr Ausbildungsstand ist sehr hoch.
LMZ: Hätte der Katastrophenschutz des Landes bei einem ähnlich gelagerten Unglück 2025 eine andere Rolle als vor 25 Jahren?
Kurcz: Das kann man so nicht beantworten, da sich die Rollen nach den gesetzlichen Grundlagen und Zuständigkeiten richten und sich im Kern ja nicht geändert haben. Das Ausrufen einer Katastrophe ist im Salzburger Katastrophenhilfe- und Managementgesetz definiert. Was man jedoch festhalten kann, ist, dass sich die Zusammenarbeit massiv verbessert hat.
LMZ: Wie würde die Zusammenarbeit heute aussehen?
Kurcz: Der Katastrophenschutz des Landes ist während eines Schadensfalls eng abgestimmt mit der Landesregierung, den Leitstellen, den Bezirksverwaltungsbehörden und dem Landes-Medienzentrum. Ein Beispiel: Heute können wir in Zusammenarbeit mit dem LMZ in Kürze ein Pressezentrum errichten, in dem die Öffentlichkeitsarbeiter aus den Organisationen unter Federführung des LMZ zusammengeführt werden und integrierte Krisenkommunikationsarbeit betrieben wird.
LMZ: Wie hat sich die Kommunikation innerhalb der Einsatzorganisationen geändert?
Kurcz: Mit dem digitalen Bündelfunk haben wir heute ein Instrument, das die Arbeit im Vergleich zu vor 25 Jahren immens erleichtert hat. Im Krisenfall, vor allem bei Kaprun, schaute die gesamte Welt auf das Unglück. Die Grenze der Belastbarkeit der Mobilfunksysteme wurde damals erreicht. Aber wir verlassen uns nicht ausschließlich auf das digitale Hilfsgerät. Als Katastrophenschutz halten wir beispielsweise auch eine mobile Kleinvermittlungsanlage vor, mit der wir innerhalb kürzester Zeit ein Telefonnetzwerk für bis zu 20 Telefone und zehn Computer aufbauen können. So können wir in einem Schadensraum unabhängig von der Funktionsweise des Bündelfunks über die Festnetzleitung intern wie extern kommunizieren. Wir haben also beim Schlüsselthema Kommunikation einen Plan B.
LMZ: Wie hat sich das Thema Krisenintervention in den vergangenen 25 Jahren verändert?
Kurcz: Heute ist die Krisenintervention schon am Beginn eines Einsatzes so selbstverständlich wie Druckverband oder Bergeschere. Kaprun hat auch gezeigt, wie wichtig es ist, dass die Menschen vor Ort einen Platz zum Trauern haben, auch professionell betreut werden. In Kaprun wurde etwa sehr schnell ein einfaches Kreuz mit Blick auf die Unglücksbahn errichtet und sehr stark genutzt - daraus wurden Lehren gezogen. Die Unglücke in Lassing, Galtür und Kaprun haben in Österreich viel verändert. Auch das Thema der psychosozialen Betreuung der Einsatzorganisationen hat heute zum Glück einen anderen Stellenwert. Es ist fest bei den Organisationen verankert.
LMZ: Das Smartphone mit Internet hat die individuelle Kommunikation revolutioniert. Welche Bedeutung kommt der Information an die Bürgerinnen und Bürger heute zu?
Kurcz: Katastrophenschutz und Kommunikation, in unserem Fall das Landes-Medienzentrum in Salzburg, gehören wie siamesische Zwillinge zusammen. Nur wenn beide Einheiten eng abgestimmt zusammenarbeiten, ist es möglich, die Bevölkerung zu sensibilisieren, zu informieren und damit das Beste zu erreichen, das es braucht, um die Krise durchzustehen. Denn jeder und jede hat mittlerweile ein Smartphone. Das Problem der Desinformation im Krisenfall kann nur mit professioneller sowie gesicherter Kommunikation über die offiziellen Kanäle des Landes kompensiert werden.
LMZ: Welche aktuellen Herausforderungen gibt es derzeit in ihrer Arbeit als Katastrophenschützer?
Kurcz: Bei den Naturgefahren nehmen Häufigkeit und Heftigkeit der Szenarien zu. Wir merken schon länger, dass auch die Dauer und der Ablauf in mehreren Wellen oder gar das Ineinandergreifen unterschiedlicher Szenarien die Akteure mehr als bisher fordern. Der Aspekt des „Kraft-Raum-Zeitkalküls“ reduziert sich damit nicht mehr nur auf die Frage: „Wer kann wo, wie schnell wirksam werden“, sondern die Frage lautet zunehmend: „Wer kann wo, wie lange wirksam bleiben“ und „wer ist imstande derartig komplexe Lagen zu koordinieren“.
LMZ: Welche Rolle spielen hier Cyberangriffe oder ein Blackout?
Kurcz: Eine sehr relevante Rolle. Gerade in den technischen Szenarien steigen die Anforderungen. Brownout, Blackout oder Cyberangriffe: hier wird gezielt von außen kritische Infrastruktur angegriffen oder gar lahmgelegt. Das alles fordert Zivil- und Katastrophenschutz in einer neuen Ausprägung und auch mehr als in den letzten Jahrzehnten. Daher sind laufende Übungen und eine zielgerichtete Einsatzplanung für den Notfall essenziell und unverzichtbar.
Quelle: Land Salzburg