Es war einmal…

05 Aug 21:23 2014 von Oswald Schwarzl Print This Article

Eine möglicherweise wahre Geschichte aus grauer Vorzeit  

Vor fast  30 000 Umdrehungen des Planeten Erde um die Sonne war es,  dass in einer Höhle im Süden Europas eine Horde Steinzeitmenschen, die man später als Aurignac-Menschen bezeichnen sollte, bei einem Festmahl beisammen saßen. Noch vor hundert Jahren hätte man diese unsere Vorfahren wahrscheinlich  „Wilde“ genannt.


Steinzeitliche Höhlenzeichnungen

Sie hatten einen Bären im Winterschlaf aufgespürt und gefahrlos mit Steinäxten und Knüppeln erschlagen. Um an das begehrte, noch warme Blut zu kommen, hatte man ihm mit scharfen Steinmessern die Kehle durchschnitten. Nun saß der ganze Clan schmatzend und zufrieden um ein Feuer und stopfte sich nach langen Hungertagen den Bauch voll. Für die nächsten Tage waren sie jedenfalls die Sorge um das tägliche Überleben los.

So waren die Menschen laut und die Freude groß, denn im Winter war oft Hunger angesagt, das Wild schwer zu jagen und Wurzeln und Pflanzen gab es nicht.

Höhle im Süden Europas

Ihre Sprache klang wohl ähnlich dem heutigen Baskisch.

Der Schamane, der die kultischen Jagdbilder an die Höhlendecke gemalt hatte, war eben erst mit einer Zeremonie fertig geworden, in welcher der Geist des Bären um Verzeihung gebeten wurde  und neues Jagdglück beschworen worden war. Neben der ältesten Clanmutter, die großes Ansehen genoss, war da an Anführern noch der für Jagd und kriegerische Auseinandersetzungen zuständige Clanchef, der ein strenges Regiment über die männlichen Mitglieder führte.

Allmählich brannte das Feuer nieder und die Menschen wurden still und satt.  Das war die Zeit für Alana, die Tochter des Schamanen, eine ihrer beliebten Geschichten zu erzählen, die sie größtenteils noch von ihrer Großmutter gelernt hatte.

Am liebsten hörte man die Sage von den Kämpfen mit den Urmenschen, die früher hier gelebt haben sollen und ein wildes, fürchterliches Aussehen hatten. (Später einmal wird man sie als Neandertaler bezeichnen und sie auch als Riesen in unseren Märchen weiterleben lassen.)


Steinzeitliche Höhlenzeichnungen

„Heute“, begann Alana, „erzähle ich euch eine ganz andere Geschichte und zwar eine, die insofern wahr ist, als ich sie wirklich geträumt habe, den größten Teil jedenfalls.

Also mir hat geträumt, unsere Höhle war ein hohler Fels, der auf einer blühenden Wiese lag. Er hatte teilweise durchsichtige Steinwände, sodass das Sonnenlicht durchschauen konnte.

Wenn es dunkel wurde, konnte man Tag und Nacht, Sommer wie Winter, mit einem Fingerdruck auf eine bestimmte Stelle, eine von Menschen geschaffene Sonne in der Höhle scheinen lassen. Der Höhlenboden wurde auf Wunsch warm, aus der Wand floss jederzeit warmes und kaltes Wasser und keiner musste Hunger leiden.“

 

Alle lachten und eine Tante aus der Gruppe sagte: „Jetzt fehlt nur noch, dass die Menschen auch durch die Luft fliegen, mit viele Stunden entfernten Verwandten reden konnten und deren Bild dabei in einem Wasserspiegel sahen!“

Das war Alana aber denn doch zu viel, sie schüttelte den Kopf und fuhr fort: „ Das habe ich nun gerade nicht gesehen, aber da die Menschen ohnehin alles hatten, was wir uns heute nur erträumen können, waren sie ständig sehr glücklich und lebten für immer in Frieden mit ihren Nachbarn. Das nennt man das Paradies.“

Neandertaler

Nun griff der alte Schamane aber ein: „Oh du meine Träumerin! Noch in tausenden Jahren wird sich die menschliche Natur nicht geändert haben: Gier, Habsucht, Macht und Neid werden bleiben. Eine Wohltat  gibt nur kurze Zeit ein Gefühl der Befriedigung und wird dann als gewohnt nicht mehr wahrgenommen, neue Wünsche kommen und werden immer verwegener, um überhaupt noch ein kurzzeitig gleich hohes Glücksgefühl auszulösen, wie es etwa ein Hungernde beim Finden von nur ein bisschen Nahrung hätte.Hast Du Schmerzen, dann gelobst du, jeden Augenblick ohne Leiden zu schätzen, aber wenn es vorbei ist, hast du alles vergessen. Unersättlich ist die menschliche Gier. Wären alle materiellen Wünsche erfüllt, wäre das Leben langweilig und sinnlos. Vergiss darüber nicht die Geister unserer Ahnen zu ehren und bitte sie, dass  sie weiter helfen, unseren Stamm zu erhalten.

Träume weiter aber bleibe in der Wirklichkeit!“

„Schluss jetzt!“ schaltete sich nun der Clanchef ein. „Wir müssen morgen in aller Früh eine neue Fährte verfolgen, die ich heute entdeckt habe.“ Er rollte sich in sein Bärenfell und zog es sich bis über die Ohren. Doch dann lüftete noch einmal die Rückseite und entließ einen donnernden Furz in die Höhle, dass es wie ein Posaunenstoß klang.

Dann wurde es still und man hörte in der Dunkelheit nur mehr das gleichmäßige Tropfen des Wassers von der Höhlendecke auf einen Stalagmiten, der in den nächsten 1000 Jahren die Höhlendecke erreichen wollte.


In moderner Terminologie: Zur Erzielung eines gleich hohen, temporär positiven emotionalen Effekts durch materielle Wohlstandssteigerung ist mit steigendem Niveau ein progressiv höherer Aufwand nötig. Der einmal erreichte Level zählt nicht mehr.( Gewöhnungseffekt!).

 Der eigentliche Lustgewinn findet nur während der Veränderung statt. In der Erinnerung werden- stetig abnehmend- nochmals die gleichen Neuronen erregt.

Wenn Sie jetzt schockiert sind, sollten Sie bedenken, wir sind in der Steinzeit und selbst noch im Mittelalter wurde Schmatzen, Rülpsen und Furzen als positive Reaktion gesehen!



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