Wunderkammer Oberösterreich - El Dorado (ob der Enns)

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Goldhaube
Foto: Otto Saxinger
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Katharina Gruzei, Yaw, 2019
Foto: Otto Saxinger
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Rainer Nöbauer, goldluck, 2019
Foto: Otto Saxinger
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Sam Bunn, Gold Hauben Chips, 2119, 2019
Foto: Otto Saxinger
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Reinhold Bidner, Die Goldwurst, 2019
Foto: Otto Saxinger
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Laurien Bachmann / Sebastian Six Prospektion (OÖLA), 2019
Foto: Otto Saxinger
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Betty Wimmer, Thron, 2019
Foto: Otto Saxinger
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Claudia Seigmann, Die Goldene Frau, 2019
Foto: Otto Saxinger
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Goldhauben Installation
Foto: Otto Saxinger
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Jakob Dietrich, Thomas Philipp, Andre Zogholy (qujOchÖ), Bricklebrit, 2019
Foto: Otto Saxinger
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Jakob Dietrich, Thomas Philipp, Andre Zogholy (qujOchÖ), Bricklebrit, 2019
Foto: Otto Saxinger
16 Dez 16:56 2019 von Redaktion Vorarlberg Print This Article

In der Ausstellungsreihe Wunderkammer Oberösterreich können die Besucher*innen anhand von Bildern, Objekten, Kunstwerken und Fundstücken über Unbekanntes staunen – und über ein ungewöhnliches, überraschendes und vielschichtiges Oberösterreich.

Nach Wiar a Hünderl sein Herrn folgt nun die zweite Wundergeschichte. El Dorado (ob der Enns) spielt mit einer besonderen Form der Heimatsuche. Denn einst – so erzählt die Sage – war Oberösterreich ein El Dorado. Ein Land von unglaublichem Reichtum also, in dem Gold so alltäglich war, im Sand der Donau und in den Alpen, dass seine Bewohner*innen gar nicht wussten, welcher Reichtum sie umgab.

Mehr noch: Steine, Kerne, Kohle, Blumen oder Blätter konnten zu Gold verwandelt werden – für jene, die ein reines Herz mitbrachten. Meist waren es Frauen, die diese und andere sagenhafte Kräfte besaßen: alte Weiblein, Wetterhexen, das Dullweib, die Permutter, Wetterhexen, Bergweibl, die bösen Truden, die Wildfrauen, hilfreiche Zwerginnen, verwandelte Schlangenköniginnen, wilde Geisterinnen, Nixen, königliche Jungfrauen, schöne Riesinnen oder das unfassbare Donauweibchen.

Oft waren diese Frauen gemeinsam unterwegs und führten auf ihre Weise die Geschicke des El Dorado ob der Enns. Im Laufe der Jahrhunderte allerdings gingen die geheimen Frauenbünde vergessen – wie das Gold in den Alpen. Aber die Goldhauben, getragen von Frauen aller Gesellschaftsschichten und „eher Helm als Haube“, sind noch heute ein mächtiges Zeichen für das Wirken des damaligen Matriarchats.

Deshalb steht im Zentrum der neuen Ausstellung, die Julia Stoff und Martin Heller gemeinsam kuratiert haben, eine prächtige Installation von Goldhauben, als Nachhall der goldenen Zeit. Elf zeitgenössische künstlerische Arbeiten umgeben sie: auf der Suche nach Spuren und Reflexen des El Dorado in der oberösterreichischen Wirklichkeit von heute.

In dieser Wirklichkeit, so die Kurator*innen, sind Utopien selten. Der Spannungsbogen der neuen Wunderkammer, den sie gesucht haben könnte deshalb kaum grösser sein. Er verbindet Welten, die sich oft genug völlig fremd gegenüberstehen und die doch zusammengehören. Die oberösterreichischen Goldhaubenfrauen, die durch ihre Tätigkeit ein hohes Mass an karitativer und gesellschaftlicher Förderung ermöglichen, sind ebenso ein Beispiel für selbstbestimmtes Handeln wie kulturell und wohl auch politisch anders positionierte Gemeinschaften und Allianzen.

Also beinhaltet die Ausstellung auch eine Form der Annäherung und Auseinandersetzung. In einer Zeit, in der das, was unter ‚Zugehörigkeit‘ oder gar ‚Heimat‘ zu verstehen ist, mit grossem ideologischem Aufwand gesellschaftlich verhandelt wird, zu Recht kritisch befragt werden muss. Gewiss ist jedoch, dass es dazu Räume wie eine Wunderkammer braucht, die nicht von vornherein besetzt sind – und so etwas wie kleine Wunder ermöglichen.

Goldhauben-Installation

Mit Hilfe der OÖ Goldhaubengemeinschaft und privater Leihgeber*innen konnten 150 Goldhauben zusammengetragen werden. Als eigentliche Schatzkammer innerhalb der Wunderkammer, inszeniert von Christine Hechinger, verkörpern sie die Essenz des behaupteten El Dorado: einen Wert, der sich nicht im Materiellen erschöpft, sondern getragen wird von der Haltung und vom sozialen Engagement der Goldhaubenfrauen.

Laurien Bachmann / Sebastian Six
Prospektion (OÖLA), 2019
Video, Farbe, Ton, 12' 35", Neuproduktion

Das Künstlerpaar ist getrieben von einer archivalischen Neugier und einer Leidenschaft, wie sie nur Goldschürfer*innen zu eigen ist. Über viele Tage hinweg haben Laurien Bachmann und Sebastian Six im oberösterreichischen Landesarchiv sämtliche Belege zum Thema ‚Gold‘ durchgesehen und zu einem ebenso vergnüglichen wie erhellenden Bilderreigen montiert. Erwartbares und Entlegenes findet darin zusammen, Alltägliches und Besonderes, Vergangenes und Gegenwärtiges – Prospektion (OÖLA) wird damit zum Schlüssel für eine Reise durch den tatsächlichen, aber oft trügerischen Glanz des Bundeslandes.

Reinhold Bidner
Die Goldwurst, 2019
Stop Motion Video, Farbe, Ton, 1' 10", Neuproduktion

Wie kam es vom einstigen El Dorado-Reichtum, der auch die Kunst förderte und beflügelte, zur aktuellen Dürftigkeit, mit der die scheinbar so wichtigen und gesellschaftstragenden Künstler*innen für ihre Leistungen abgegolten werden? Die von Reinhold Bidner in Stop Motion realisierte Arbeit Die Goldwurst sucht dafür nach einer einleuchtenden und nachvollziehbaren Erklärung. Diese gelingt ihm, auf absehbar schmerzliche und bei allem Humor demütigende Weise: indem die einst goldene Wurst auf der Strecke bleibt und sich in hartes Brot verwandelt.

Sam Bunn
Gold Hauben Chips, 2119, 2019
Video, Farbe, Ton, 4', Neuproduktion

Gold Hauben Chips, 2119 ist eine zutiefst soziale – wenn auch ironische – Utopie, wie der Reichtum der Goldhauben neu und zum Nutzen aller angewendet werden könnte. Mit dem leicht und schmerzlos implantierbaren Goldhauben-Chip lässt sich eine Vielzahl von Fähigkeiten erwerben, die der Integration in die Komplexität Oberösterreichs dienen. Bunn, vor einigen Jahren selbst aus Großbritannien zugewandert, legt den Finger lächelnd auf eine Wunde, die mehr schmerzt, als es viele wahrhaben wollen.

Karin Fisslthaler
We’re in the Money (The Gold Diggers’ Song 1933/2019), 2019
Found Footage, Super 8, HD Video, 3', Musik: Cherry Sunkist, Neuproduktion

Fisslthalers Film ist eine Auskoppelung aus einer längeren (und noch in Realisierung befindlichen) Arbeit zum Wesen und zur Wirkung des Geldes. We’re in the Money (The Gold Diggers’ Song) 1933/2019 greift dafür formal auf ein amerikanisches Musical aus den dreißiger Jahren zurück und montiert dieses gefundene Material neu. Damit wird auf eindringliche und Weise sichtbar, was im alltäglichen Geldverkehr unsichtbar bleibt: eine komplexe Körperlichkeit des Geldes, die weit mehr ist als seine Gestalt, und die unseren Umgang mit ihm in hohem, und aber keineswegs immer bewussten Maße bestimmt.

Katharina Gruzei
Yaw, 2019
Video, Farbe, Ton, 14',

Konzept, Umsetzung, Regie, Schnitt: Katharina Gruzei,
Darstellerinnen: Theresa Palfi, Elfie Schulz, Produktionsassistenz: Evi Pribyl
Kamera: Felix Huber, Katharina Gruzei, Flugaufnahmen, Farbkorrektur: Fabian Erblehner, Sound: Philipp Feichtinger, Schnittberatung: Eginhartz Kanter, Support Bühne: Stefan Brandmayr, Rainer Nöbauer, Felix Pöchhacker, Jan Weiler, Neuproduktion

Mit größter Sorgfalt wird eine Goldhaube, die in hunderten Stunden Handarbeit gefertigt wurde, aufgetrennt – bis ihr Gerüst freigelegt ist. Das Zerlegen der prächtigen Kopfbedeckung und das Zurückdrehen der Zeit kommentieren nicht bloss die handwerkliche, sondern auch die soziale Konstruktion hinter dem Objekt, seiner Geschichte und seiner Gegenwart. Was bleibt, wenn alles aufgelöst wird? Was muss bewahrt werden? Und was muss verändert werden? In der Dekonstruktion, der Hervorkehrung des Helms in der Haube bezieht sich Gruzei nicht zuletzt auf die Luftraumüberwachung des österreichischen Bundesheers, die den Namen „Goldhaube“ trägt.

Hannes Langeder
Ferdinand GT3 RS, 2010
Video, Farbe, Ton, 6' 21", Regie: Ingo Randolf, Kamera: Andreas Teufelauer, Organisation und Special Support: Magnus Hofmüller / Lentos Kunstmuseum Linz, Leihgabe des Künstlers

Hannes Langeders Nachbildung des Porsche 911 verheißt Schnelligkeit, Mobilität und Status. Aus Kunststoffrohren und Klebeband hergestellt, auf ein Fahrradgestell montiert und mit Muskelkraft betrieben, wird das Fahrzeug jedoch seiner Symbolkraft beraubt und zur Persiflage. „Das letzte gebaute Auto wird ein Porsche sein“, soll der Erfinder Ferry Porsche einmal gesagt haben. Er könnte Recht behalten. Denn mit diesem Modell zeigt Langeder, wie sehr wir von bisherigen „goldenen Kälbern“ Abschied nehmen müssen, um einen Wertewandel zu erreichen.

Rainer Nöbauer
goldluck, 2019
Video, Farbe Ton, 1' 13", Loop, Beteiligte: Kaiser Film, Holly Games, Neuproduktion

Die Suche nach Gold war immer auch eine Suche nach dem Glück. Euphorie und Enttäuschung, Erfolg und Ruin lagen dabei nahe beieinander. Heute hat sich das Glücksrittertum von damals in die Hinterzimmer zwielichtiger Lokale verzogen. Dort wird im Glücksspiel oft alles gesetzt, um zu gewinnen. In Rainer Nöbauers goldluck stehen sich Spieler und einarmiger Bandit gleichsam Auge in Auge gegenüber, in letztlich glückloser Endlosschlaufe.

Elisabeth Peterlik
Goldmarie, 2018–19
Goldhaubenmaterialien, Goldfasankopf-Präparat, 40 × 25 × 35 cm

Hut der Zauberin, 2018–19
Goldhaubenmaterialien, Schwarzperlenhaube, Falkenkopf-Präparat, Feuersalamander-Präparat, Rattenschädel, 40 × 25 × 35 cm

Medusenhaube, 2015–17
Goldhaubenmaterialien, Wirbel und Rippen der Äskulapnatter, Ringelnattern-, Frösche-, Kröte-, Feuersalamander-Präparate, Rattenschädel, 40 × 25 × 35 cm

Leihgaben der Künstlerin

Fasziniert von der Ausdruckskraft der traditionellen Goldhauben, hat Elisabeth Peterlik eine Reihe von Hauben, die sich in Form und Machart am bestehenden Typus orientieren, neu interpretiert und gestaltet. Dabei verwendet sie bestehende Materialien und fügt sie neu zusammen. Organische Elemente wie Tiere, Knochen oder Pflanzliches werden zum Blickfang, und eine Düsterkeit hält Einzug, die wie eine Antithese zum Gold erscheint. Aber dennoch sind diese Kunstwerke bei aller Individualisierung eine Hommage an die Kraft der Goldhauben, und eine Überhöhung ihrer Volkstümlichkeit.

Jakob Dietrich, Thomas Philipp, Andre Zogholy (qujOchÖ)
Bricklebrit, 2019
KTM Ponny II Deluxe, Baujahr 1968, vergoldet, 96 × 189 x 65 cm, Neuproduktion

Bricklebrit ist eine Parabel über die brummende Förderung von Kunst und Kultur in scheinbar sparsamen, aber irgendwie märchenhaft spendablen Zeiten.

„Der zweite Sohn war zu einem Müller gekommen und bei ihm in die Lehre gegangen. Als er seine Jahre herum hatte, sprach der Meister: ‚Weil du dich so wohl gehalten hast, so schenke ich dir einen Esel von einer besonderen Art, er zieht nicht am Wagen und trägt auch keine Säcke.‘ ‚Wozu ist er denn nütze?‘ fragte der junge Geselle. ‚Er speit Gold‘, antwortete der Müller, ‚wenn du ihn auf ein Tuch stellst und sprichst: Bricklebrit! so speit dir das gute Tier Goldstücke aus, hinten und vorn.‘ ‚Das ist eine schöne Sache‘, sprach der Geselle, dankte dem Meister und zog in die Welt. Wenn er Gold nötig hatte, brauchte er nur zu seinem Esel ‚Bricklebrit!‘ zu sagen, so regnete es Goldstücke, und er hatte weiter keine Mühe, als sie von der Erde aufzuheben. Wo er hinkam, war ihm das Beste gut genug, und je teurer je lieber, denn er hatte immer einen vollen Beutel.“

Claudia Seigmann
Die Goldene Frau, 2019
Video, Farbe, Ton, 3' 36", Konzept, Regie, Performance: Claudia Seigmann, Kamera, Schnitt, Sounddesign: Elisa Unger, Kamera Drohne: Fabian Erblehner, Setassistenz: Leonie Reese, Luis Wohlmuther, Neuproduktion

In märchenhaften Bildern und Ausschnitten des Körpers, der Hände, des Gesichts, der Bewegungen der Goldenen Frau wird eine längst vergangene Einheit von Mensch und Natur spürbar: Blätter rauschen, Äste knacken, leises Atmen ist zu vernehmen. Das Gold des Kleides verbindet sich mit dem Untergrund des Waldes, gleitet über den Boden und macht dessen Beschaffenheiten erfahrbar. Alles was der Stoff berührt wird ‚zu Gold‘; er verschmilzt mit dem Sand der Insel. Der Wald birgt Wundersames – an manchen Tagen tritt es in Erscheinung.


Oona Valarie Serbest
Out of the Box, Feminismus und Krawall 2012–19, 2019
Illustrationen aus der Streichholzschachtel, Druck auf Papier, 4 × 13 x 8 cm, Neuproduktion

Feminismus und Krawall (f.u.k.) ist ein kollektives Bestreben in Oberösterreich, feministische Fragen zu Gleichstellung auf sozialer, kultureller, rechtlicher und politischer Ebene mit künstlerischen Strategien auf die Bühne des öffentlichen Raums zu bringen. Seit 2013 werden feministische und frauenpolitische Forderungen in einem partizipativ gestalteten Protest in eine breite Öffentlichkeit transportiert: mit der Wahl einer Päpstin, einer antropofagischen Prozession, einer Offenen Tafelrunde oder einem Krawallschiff, bis 2019 schließlich Das Goldene Matriarchat Realität wurde. Oona Valarie Serbest erinnert in einer Zündholzschachtel an den langen Weg, der dahin geführt hat.

Betty Wimmer
Thron, 2019
Extrusionsverfahren (PLA) nach Originalabdruck, 29,2 × 29,9 × 29,6 cm, Neuproduktion

Betty Wimmers Thron basiert auf einem Fauteuil, der mit Gips ausgegossen wurde. Zentrales Moment ist der Abdruck eines nackten, weiblichen Körpers, der den Thron machtvoll und ohne Scham prägt. Einzigartig wie ein Portrait haben Gesäß, Vulva und Schenkel den Thron weiblich besetzt. Anschließend wurde der Guss gescannt und mittels 3D-Drucker – im Maßstab 1:3 – in goldglänzendem Polymer repliziert. Mit ihrer Arbeit schafft Wimmer ein eindrucksvolles Hoheitszeichen für eine Regentinnenschaft.

Wunderkammer Oberösterreich

El Dorado (ob der Enns)

14. Dezember 2019 29. März 2020

Täglich 16.00 20.30 Uhr

EINTRITT FREI



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Chefredakteur von Regionews Vorarlberg

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