Vom Kommen und Gehen der Gemeinden

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Foto: Salzburger Landesarchiv/Vuray 1998 Neg_08
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Foto: Stadtarchiv Seekirchen
17 Mär 14:00 2019 von Redaktion Vorarlberg Print This Article

Salzburgs 119 Kommunen bleiben am liebsten unverändert

(LK) Wie Salzburg zu seinen Gemeinden kam, wer über ihr Entstehen und Verschwinden entscheidet, woran es bei der Selbstverwaltung mitunter hakte und warum Salzburgs jüngster Gemeindeneuzugang von gehörigen Geburtswehen begleitet war, rückt dieser Salzburger Grenzfall aus der gleichnamigen Serie ans Licht.

Salzburgs Orte entwickelten sich über die Jahrhunderte sozusagen aus den Pfarren von ganz allein, über Märkte und Städte entschied die Landesherrschaft. Mitte des 19. Jahrhunderts erhielt das damalige Herzogtum Salzburg erstmals eine Gemeindeordnung und startete mit 157 eigenständigen Kommunen.

Analphabeten als Gemeindevorsteher, Buchhaltung als Fremdwort

Der Versuch, insbesondere im Lungau und Pongau 20 Kleingemeinden zu größeren Einheiten zusammenzufassen, scheiterte, auch wenn das noch nicht ausgereifte Verwaltungs-Knowhow dies nahegelegt hätte. In elf Lungauer Gemeinden hatten die Gemeindevorsteher, also die Vorgänger im Bürgermeisteramt, die Gemeindeordnung gar nicht gelesen, einer hatte erklärt, gar nicht lesen zu können. Die Bauordnung war überhaupt unbekannt, nur in einer Gemeinde wurden Ansätze einer Buchhaltung entdeckt.

Bewegung durch „Groß-Salzburg“

Zusammengelegt wurde trotzdem so gut wie nicht, eher auseinander, sodass bis zur Zeit des Ständestaats Salzburgs Gemeinden einen Höchststand von 161 erreichten. Das Fusionieren gelang erst in autoritären Verhältnissen. Maxglan, Gnigl, Aigen, Morzg, Siezenheim, Leopoldskron-Moos sowie Teile der Flachgauer Anrainergemeinden Anif, Bergheim, Koppl und Hallwang kamen ab 1935 zur Landeshauptstadt, die sich flächenmäßig verdoppelte – „Groß-Salzburg“ war geschaffen. Auf dem Land gab es erst unter Landeshauptmann Franz Rehrl und anschließend unter NS-Herrschaft jeweils 32 Zusammenlegungen. Der Protest gegen die Verbindung von Köstendorf mit Neumarkt wurde als „völlig unnationalsozialistisch“, weil „unter Verwendung von demokratischen Mitteln“ gerügt. Elixhausen entging jedoch aufgrund der Intervention eines damaligen NS-Landesrates seiner Auflösung.

Aufreger „St. Lamprechtsmoos“

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde es ruhig auf dem Gemeindesektor, einige ungeliebte Zusammenlegungen wurden wieder aufgehoben. 1946 erblickte Weißbach bei Lofer das Licht der kommunalen Selbstverwaltung. Die Gründung von Salzburgs jüngster Gemeinde Bürmoos war allerdings ein Politikum. Lamprechtshausen und St. Georgen sollten unter diesem Namen zu einer Großgemeinde zusammengehen, für die SPÖ mit Aussicht auf eine „rote“ Mehrheit. Die ÖVP hielt dagegen und machte sich für eine eigene – dritte – Gemeinde im Bereich des von der Arbeiterschaft dominierten Bürmoos stark. Dieses Vorhaben wurde 1967 mit FPÖ-Unterstützung und trotz Protest-Demo im Chiemseehof beschlossen. Angesichts der heftigen Debatten im Landtag sah man sogar das traditionelle „Salzburger Klima“, also das partnerschaftliche Miteinander von ÖVP und SPÖ, in Gefahr. Die Wolken am Horizont sind inzwischen verfolgen, in Bürmoos ist seither die SPÖ bestimmende Größe, in Lamprechtshausen und St. Georgen hingegen die ÖVP.

Seekirchen: Aus zwei mach eins

Weniger spektakulär verlief die bisher letzte Gemeindeveränderung in Salzburg. Seekirchen gab es seit 1850 gleich zweimal – als Landgemeinde und als Markt. Dieser war als kleinste Gemeinde Salzburgs mit nicht einmal einem Quadratkilometer Fläche in den 1960er Jahren an seinen Entwicklungsgrenzen angelangt. Die im Gegensatz stetig wachsende Bevölkerung der Landgemeinde machte einen Hauptschulneubau im Markt nötig, für den die Markt-Seekirchner auch ihre Land-Kollegen zur Kasse bitten wollten. Am besten durch Zusammenlegung, auch um weitere Gemeindeeinrichtungen gemeinsam zu stemmen. Anfangs stimmten die Land-Seekirchner dagegen, doch schließlich entschieden sich die Vertretungen beider Gemeinden 1972 für die Fusion, die zwei Jahre später Wirklichkeit wurde.

Landtag hat das letzte Wort bei Gemeinden und Städten

Was zur Frage führt, wer überhaupt über das Entstehen oder Vergehen einer Gemeinde bestimmen darf. Darüber entscheidet der Landtag, wobei die betroffenen Gemeinden zuvor angehört werden müssen. Für die Landeshauptstadt braucht es sogar eine Zweidrittelmehrheit. Auch Stadterhebungen beschließt der Landtag. Neben den historischen Salzburger Städten – viele davon wie Laufen, Pettau, Gmünd oder Friesach liegen heute im „Ausland“ – kam auf diese Weise erstmals Zell am See 1928 zu städtischen Ehren, danach herrschte Funkstille bis zur Jahrtausendwende, als Salzburg innerhalb von neun Jahren neunmal „verstädterte“. 5.000 Einwohner, eine überörtliche Bedeutung und eine Bürgerabstimmung sind Mindestkriterien, die auch manche Gemeinde locker erfüllen könnte. Wenn sie wollte. Denn weder der Lungauer Bezirkshauptmarkt Tamsweg (nach wie vor ohne Verkehrsampel) noch Wals-Siezenheim mit mehr als 13.000 Einwohnern im Speckgürtel der Landeshauptstadt hegen Interesse an einem Stadt-Upgrade.

Kurioses über Grenzen hinweg

Die Salzburger Grenzfälle versammeln Kuriositäten rund um die Grenzen Salzburgs und bilden eine aufschlussreiche Lektüre zu Geschichte, Landeskunde und Politik des Landes. Autor Stefan Mayer beschäftigt sich seit 2002 mit grenzfälligen Besonderheiten in und um Salzburg, die bereits vier Bücher füllen. Band 4 kann per E-Mail an [email protected] und unter +43 662 8042-2417 um 6,90 Euro bestellt werden. Digitale Versionen aller vier Bände stehen unter www.salzburg.gv.at/grenzfaelle kostenlos zur Verfügung.


Quelle: Land Salzburg



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Chefredakteur von Regionews Vorarlberg

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