Strom für eine ganze Stadt

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Transport eines 27 Tonnen schweren Generators zum Kraftwerk Obere Sill, 1903
Foto: Stadtarchiv/Stadtmuseum
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Das Kraftwerk Obere Sill befindet sich heute direkt unterhalb der 1963 errichteten Europabrücke.
Foto: Stadtarchiv/Stadtmuseum
04 Mai 07:00 2019 von Redaktion Vorarlberg Print This Article

Das Zeitalter der Elektrizität begann für Innsbruck um 1890. Knapp 15 Jahre später besaß die Landeshauptstadt eines der größten Wasserkraftwerke in der österreichisch-ungarischen Monarchie und Europa.

Der Bau des Kraftwerks Obere Sill stellte eine Pionierleistung dar. Mit der Inbetriebnahme wurde die Grundlage für eine sichere Stromversorgung von Innsbruck und den Umlandgemeinden geschaffen. Bereits 1888 ließ Leopold Rauch für seine Mühle im Stadtteil Mühlau ein kleines Kraftwerk errichten. Ein Jahr später folgte die Errichtung des ersten öffentlichen elektrischen Wasserkraftwerkes in Mühlau durch die Firma Ganz & Co. Damit begann die Ablöse der Gasbeleuchtung durch elektrisches Licht. Das Kraftwerk am Mühlauer Bach bildete zugleich die Geburtsstunde der „Electricitätswerke Innsbruck“ (EWI), deren Nachfolger die heutigen Innsbrucker Kommunalbetriebe (IKB) sind. Vorausschauend hatte sich der damalige Bürgermeister Heinrich Falk das Vorkaufsrecht gesichert und so ging das Kraftwerk 1897 in den Besitz der Stadt über.

Das Kraftwerk Mühlau kam bald an die Grenzen seiner Leistungsfähigkeit. Neue Möglichkeiten für die Errichtung eines Wasserkraftwerkes wurden gesucht. Nach intensiven Untersuchungen und Studien sicherte sich die Stadt Innsbruck letztlich die Wasserrechte an der Sill. Für den Bau des neuen Werks griff man auf die Planungen von Ing. Josef Riehl zurück, der gemeinsam mit Ing. Karl Innerebner seitens der Stadt 1901 damit beauftragt wurde.

Riehl, Innerebner, Kapferer

Riehl und Innerebner waren die treibenden Kräfte bei der Nutzung der Wasserkraft. Sie schufen die Grundlage, durch die sich Innsbruck zu einer modernen Stadt entwickelte, mit elektrischer Beleuchtung, Straßenbahnen und Bergbahnen. Voraussetzung für all diese Bereiche war das Vorhandensein von ausreichender elektrischer Energie. In Finanzstadtrat und Textilfabrikant Karl Kapferer fanden Riehl und Innerebner einen starken Partner, der mit seinem Privatvermögen haftete, um die Nutzung der Wasserkraft zu forcieren. Damit war die Voraussetzung für den Bau des Sillkraftwerkes gegeben.

Das Kraftwerk entsteht

Bereits im September 1901 begannen die Bauarbeiten. Die Bauleitung lag in den Händen Innerebners. Von städtischer Seite nahm Ing. Albert Leyer die Bauaufsicht wahr und Ing. Ferdinand Mayr übernahm die Ausstattung der Hochbauten. Innerhalb von nur zwei Jahren wurde das Mammutprojekt fertiggestellt, was angesichts der damaligen technischen und logistischen Möglichkeiten umso bemerkenswerter ist. So mussten etwa die 27 Tonnen schweren Generatorenläufe mit Pferdetransporten zum Kraftwerk geliefert werden. Das in Form eines Schlosses errichtete Kraftwerk besticht durch klare Architektur und hohe Funktionalität. Die 40 Meter lange und rund 15 Meter breite Maschinenhalle wurde aus Bruchsteinmauerwerk errichtet, welches auf einem Beton-Fundament ruht. Angesichts der abgelegenen Lage des Werkes im Silltal wurden auch Personalunterkünfte und ein Wirtschaftsgebäude gebaut.

In Anwesenheit von Vizebürgermeister Eduard Erler fand am 7. Oktober 1903 die offizielle Eröffnung des Kraftwerks Obere Sill statt. Am darauffolgenden Abend lud der Gemeinderat der Stadt Innsbruck alle Beteiligten zu einem Festdinner ins Hotel Sonne ein. Am Schluss seiner Festrede äußerte Bürgermeister Wilhelm Greil den Wunsch: „Es [das Kraftwerk] möge Innsbruck mit einem Meer von Licht versehen, mit Kraft ausstatten und überhaupt segenbringend wirken.“

Die Technik

Die Ausführung der elektrischen Anlagen bewerkstelligte die „Österreichische Union-Elektrizitätsgesellschaft“ aus Wien. Die Rohrleitungen, die vom Wasserschloss zum Kraftwerk führten, sowie die Maschinen stammten von der Prager Maschinenbau-Aktiengesellschaft. Die Erstausstattung der Maschinenhalle bestand aus zwei Maschinensätzen, welche zweiphasigen Wechselstrom lieferten. Jede dieser Pelton-Turbine hatte eine Leistung von rund 2.500 PS. Bereits 1908 war der Bedarf an elektrischer Energie so groß, dass man auf sechs Maschinensätze erweitern musste. Mitte der 1920er-Jahre wurde auf drei leistungsstärkere Maschinensätze umgerüstet, wobei jeder Generator eine Leistung bis zu 6.000 kW lieferte. Jede einzelne Turbine verarbeitete rund vier Kubikmeter Wasser pro Sekunde. Durch diese Ausbaustufe katapultierte sich das Kraftwerk Obere Sill zum größten Wasserkraftwerk der Donaumonarchie.

Im Zuge der Umrüstung wurde zudem auf die Erzeugung von dreiphasigem Wechselstrom umgestellt. Dies war für den Beginn des Stromverbundes in Tirol von entscheidender Bedeutung. Das 1927 errichtete Achenseekraftwerk und das Sillkraftwerk konnten somit in den Handel mit Strom einsteigen.

Abgesehen von Wartungen und laufenden technischen Anpassungen sind die Maschinensätze heute noch dieselben wie vor 90 Jahren. Mit dem Kraftwerk erlebte Innsbruck einen bedeutenden Aufschwung. Ohne diese elektrische Energie wären die Inbetriebnahme der elektrifizierten Stubaitalbahn (1904) und Straßenbahn (1905) sowie der Beginn der Erschließung der Bergwelt durch die Hungerburgbahn (1906) nicht möglich gewesen. RK


Quelle: Stadt Innsbruck



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Chefredakteur von Regionews Vorarlberg

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