Familienrecht - Frequently Asked Questions

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Graz

20 Mär 14:00 2020 von Redaktion International Print This Article

> Darf/muss ich mein Kind (auf Basis der gerichtlichen Kontaktrechtsregelung/unabhängig davon) zu seinem Elternteil bringen (der nicht in demselben Haushalt lebt wie wir)?

> Kann ich derzeit für mein Kind einen Unterhalts- oder Unterhaltsvorschussantrag stellen und wird über diesen auch (zeitnah) ein Verfahren geführt?

> Können/dürfen Besuchsbegleiter*innen, Kinderbeistände und Familienberatungsstellen derzeit ihre Dienstleistungen erbringen?

> Wie können derzeit die Rechte von Menschen, die zwangsweise in der Psychiatrie angehalten werden, gewahrt werden?

Quelle: Dr. Peter BarthLeitender StaatsanwaltLeiter der AbteilungBundesministerium für JustizSektion I - ZivilrechtssektionAbteilung 1 - Abteilung für Personen-, Familien- und Erbrecht

Kontaktrecht

Darf/muss ich mein Kind (auf Basis der gerichtlichen Kontaktrechtsregelung/unabhängig davon) zu seinem Elternteil bringen (der nicht in demselben Haushalt lebt wie wir)?

Kurze Antwort:

Nein, da das Kind auf Grund der Verordnung des Gesundheitsministeriums den Haushalt des Elternteils, der das Kind betreut, nicht verlassen darf. Kontakte sollten nach Möglichkeit bis zum Außerkrafttreten der Verordnung (22. März 2020) nur mittels Telefon oder Skype (o.ä.) stattfinden.

Lange Antwort:

Gemäß § 1 der Verordnung des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz (kurz: BMSGPK) gemäß § 2 Z 1 des COVID-19-Maßnahmengesetzes ist das Betreten öffentlicher Orte verboten. Ausgenommen vom Verbot sind nach § 2 der Verordnung Betretungen, die zur Abwendung einer unmittelbaren Gefahr für Leib, Leben und Eigentum erforderlich sind (Z 1), „die zur Betreuung und Hilfeleistung von unterstützungsbedürftigen Personen dienen" (Z 2), „die zur Deckung der notwendigen Grundbedürfnisse des täglichen Lebens erforderlich sind und sichergestellt ist, dass am Ort der Deckung des Bedarfs zwischen den Personen ein Abstand von mindestens einem Meter eingehalten werden kann" (Z 3), „die für berufliche Zwecke erforderlich sind und sichergestellt ist, dass am Ort der beruflichen Tätigkeit zwischen den Personen ein Abstand von mindestens einem Meter eingehalten werden kann" (Z 4) und „wenn öffentliche Orte im Freien alleine, mit Personen, die im gemeinsamen Haushalt leben, oder mit Haustieren betreten werden sollen, gegenüber anderen Personen ist dabei ein Abstand von mindestens einem Meter einzuhalten" (Z 5).

Da solche Kontakte in aller Regel nur stattfinden können, indem - jedenfalls kurzzeitig (wie etwa bei Benützung des privaten PKW) - öffentliche Orte betreten werden, müsste einer der Ausnahmetatbestände erfüllt sein, was aber nicht der Fall ist. Kinder gelten nicht per se als „unterstützungsbedürftig" im Sinn des § 2 Z 2 der Verordnung. Dass unter den „Grundbedürfnissen des täglichen Lebens" im Sinn des § 2 Z 3 der Verordnung nicht auch das Bedürfnis, seine Eltern zu sehen, zu verstehen ist, zeigt der Zusatz, dass „am Ort der Deckung des Bedarfs" ein Abstand von mindestens einem Meter einzuhalten ist. Öffentliche Orte im Freien dürfen nach § 2 Z 5 der Verordnung wiederum nur mit Personen, „die im gemeinsamen Haushalt leben" betreten werden. Das trifft aber nach dem Telos der Verordnung (Schutz vor Verbreitung des Virus) wohl nur für einen Haushalt zu, und zwar jenen, wo das Kind derzeit lebt.

Auch § 3 der Verordnung hilft nicht weiter, weil demnach nur die Benützung von Massenbeförderungsmitteln für Betretungen gemäß § 2 Z 1 bis 4 der Verordnung zulässig ist. Einen eigenen Ausnahmetatbestand für die Ausübung von Kontakten der Kinder mit Eltern, von denen sie nicht (hauptsächlich) betreut werden, gibt es nicht. Daher können Kinder derzeit ihr Kontaktrecht zum getrenntlebenden Elternteil nicht ausüben, indem sie mit diesen persönlich zusammentreffen. Kontakte sollten nach Möglichkeit aber mittels Telefon oder Skype oder ähnlichen technischen Hilfsmitteln ausgeübt werden.

Diese Rechtslage gilt jedenfalls bis die Verordnung außer Kraft tritt. Dies ist nach § 5 der Verordnung der 22.3.2020.

Unterhalts- oder Unterhaltsvorschussantrag

Kann ich derzeit für mein Kind einen Unterhalts- oder Unterhaltsvorschussantrag stellen und wird über diesen auch (zeitnah) ein Verfahren geführt?

Kurze Antwort:

Ja, und beide Verfahren werden derzeit auch durchgeführt. Unterhaltsvorschüsse können bei Vorliegen eines Unterhaltstitels (insbesondere Gerichtbeschluss, Vereinbarung vor dem Kinder- und Jugendhilfeträger) bis 30. April 2020 auch dann gewährt werden, wenn das Kind keinen entsprechenden Exekutionsantrag bei Gericht einbringt.

Lange Antwort:

Nach dem Einführungserlass zum Umgang mit der aktuellen Corona-Pandemie (SARSCoV-2) sind die elementaren, durch die Verfahrensrechte gewährleisteten Verfahrens- und Parteienrechte weiter zu wahren. Dazu zählt insbesondere die Möglichkeit, Anträge und sonstige Eingaben fristwahrend bei Gericht anzubringen. Sowohl ein Unterhaltsantrag als auch ein Unterhaltsvorschussantrag können daher bei Gericht eingebracht werden. Beide Verfahren werden derzeit auch geführt. Ist die Vornahme einer Anhörung einer Partei oder die Durchführung einer mündlichen Verhandlung unbedingt erforderlich, so ist dies ab Inkrafttreten des COVID-19-JustizbegleitG auch ohne persönliche Anwesenheit aller Beteiligten unter Verwendung geeigneter technischer Kommunikationsmittel möglich (§ 3 COVID-19-JustizbegleitG).

Unterhaltsansprüche können auch mittels einstweiliger Verfügung (in Gestalt des vorläufigen Unterhalts nach § 382a EO oder des einstweiligen Unterhalts nach § 382 Abs. 1 Z 8 EO) zugesprochen werden. Der vorläufige Unterhalt kann höchstens bis zum jeweiligen altersabhängig bestimmten Betrag der Familienbeihilfe bewilligt werden (2020: zwischen 114,- und 165,10 Euro). Dafür ist über den Antrag ohne Anhörung des Elternteils unverzüglich zu entscheiden.

Unterhaltsvorschüsse können grundsätzlich nur dann gewährt werden, wenn es für den Unterhaltsanspruch des Kindes einen Exekutionstitel gibt (zB in Gestalt des vorläufigen Unterhalts) und der Unterhaltsschuldner den laufenden Unterhaltsbeitrag nicht erbringt und das Kind entweder einen Exekutionsantrag eingebracht hat oder eine Exekution aussichtslos erscheint. Nach § 7 COVID-19-JustizbegleitG sind ab Inkrafttreten des Gesetzes (voraussichtlich 21. März 2020) bis 30. April 2020 Vorschüsse auch dann zu gewähren, wenn das Kind keinen entsprechenden Exekutionsantrag bei Gericht einbringt. Die Folgen der Corona-Krise können nämlich dazu führen, dass vermehrt auch an sich zahlungswillige und zahlungsfähige Unterhaltspflichtige mangels derzeit verfügbarer liquider Mittel die laufende Unterhaltspflicht nicht erfüllen können. Eine Exekutionsführung könnte dazu führen, dass ihr Arbeitsplatz gefährdet wird. Es erscheint daher kontraproduktiv, in Krisenzeiten die Voraussetzung der Exekutionsführung für das Kind aufrecht zu erhalten. Solche Vorschüsse sind aber längstens für ein halbes Jahr zu gewähren.

Besuchsbegleiter*innen, Kinderbeistände, Familienberatungsstellen

Können/dürfen Besuchsbegleiter*innen, Kinderbeistände und Familienberatungsstellen derzeit ihre Dienstleistungen erbringen?

Kurze Antwort:

Nein, da das Kind auf Grund der Verordnung des Gesundheitsministeriums den Haushalt des Elternteils, der das Kind betreut, nicht verlassen darf. Gespräche können bis zum Außerkrafttreten der Verordnung (Ende 22. März 2020) allenfalls mittels Telefon oder ähnlicher technischer Hilfsmittel stattfinden.

Lange Antwort:

Gemäß § 1 der Verordnung des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz (kurz: BMSGPK) gemäß § 2 Z 1 des COVID-19-Maßnahmengesetzes ist das Betreten öffentlicher Orte verboten. Da Kontakte mit Besuchsbegleiter*innen, Kinderbeiständen und Familienberater*innen nur stattfinden können, wenn - jedenfalls kurzzeitig (wie etwa bei Benützung des privaten PKW) - öffentliche Orte betreten werden, müsste einer der Ausnahmetatbestände des § 2 der Verordnung erfüllt sein, was aber nicht der Fall ist. Auch § 3 der Verordnung hilft nicht weiter, weil demnach nur die Benützung von Massenbeförderungsmitteln für Betretungen gemäß § 2 Z 1 bis 4 der Verordnung zulässig ist, die aber hier nicht relevant sind. Daher können Kinder bzw. Eltern derzeit nicht persönlich mit Besuchsbegleiter*innen, Kinderbeiständen und Familienberater*innen zusammentreffen. Gespräche können aber mittels Telefon oder ähnliche technische Hilfsmittel (sofern im Einklang mit Datenschutz) ausgeübt werden.

Diese Rechtslage gilt jedenfalls bis die Verordnung außer Kraft tritt. Dies ist nach § 5 der Verordnung der 22. März 2020.

Menschen in der Psychiatrie

Wie können derzeit die Rechte von Menschen, die zwangsweise in der Psychiatrie angehalten werden, gewahrt werden?

Kurze Antwort:

Sowohl die Patientenanwälte als auch die Gerichte suchen weiterhin die psychiatrischen Abteilungen auf, um die den Patienten aus dem Unterbringungsgesetz zukommenden Rechte zu wahren. Dabei versuchen sie aber - zum Schutz vor Ansteckung des Patienten und zu ihrem eigenen Schutz - die persönlichen Kontakte auf ein absolut nötiges Mindestmaß zu beschränken. Ab Inkrafttreten des COVID-19-JustizbegleitG (voraussichtlich 21. März 2020) sind Erstanhörung und mündliche Verhandlung ohne persönliche Anwesenheit aller Beteiligten unter Verwendung geeigneter technischer Kommunikationsmittel möglich (§ 3 COVID-19-JustizbegleitG).

Lange Antwort:

Auch die Justiz unternimmt derzeit alles, mit physischer Nähe verbundene Kontakte von Personen weitgehend einzuschränken und so die Übertragung des Virus zu reduzieren. Ungeachtet dessen ist es zur Aufrechterhaltung des Rechtsstaats, der inneren Ordnung und des Rechtsfriedens in Österreich unabdingbar, dass der Gerichtsbetrieb in dem Maße aufrechterhalten wird, das erforderlich ist, damit die Parteien ihre subjektiven Rechte wahrnehmen und ihre Rechtsansprüche durchsetzen können. Verfahren nach dem Unterbringungsgesetz, in denen es um die Wahrung der persönlichen Freiheit und andere fundamentalen Rechte von psychisch kranken Menschen geht, sind daher zu führen. Die Patientenanwälte und die Gerichte versuchen aber - zum Schutz vor Ansteckung der Patienten und zu ihrem eigenen Schutz - die persönlichen Kontakte auf ein absolut nötiges Mindestmaß zu beschränken. Die Anhörung der Patienten und die mündliche Verhandlung sind ab Inkrafttreten des COVID-19-JustizbegleitG (voraussichtlich 21. März 2020) auch ohne persönliche Anwesenheit aller Beteiligten unter Verwendung geeigneter technischer Kommunikationsmittel möglich (§ 3 COVID-19-JustizbegleitG).

Auch wenn jemand nach dem Epidemiegesetz 1950 in seiner persönlichen Freiheit beschränkt wird, bedeutet das nicht, dass er - bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen (psychische Krankheit und darin begründete ernstliche und erhebliche Selbst- oder Fremdgefährdung) - nicht auch unterzubringen ist. Das Epidemiegesetz 1950 und das Unterbringungsgesetz können nebeneinander anzuwenden sein.


Quelle: Stadt Graz



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