Spielberg: Zehn der spektakulärsten Großen Preise von Österreich

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16 Jun 13:51 2015 von Oswald Schwarzl Print This Article

Die F1-Grand-Prix-Woche 2015 in Österreich hat begonnen

Spielberg. Bevor die Piloten von 19. bis 21. Juni am Red Bull Ring in Spielberg erneut um WM-Punkte kämpfen, offenbart ein Rückblick auf zehn der spektakulärsten Großen Preise von Österreich unvergessene, emotionale, ja mitunter skurrile Momente, die in den vergangenen fünf Jahrzehnten Motorsport-Geschichte geschrieben haben: Von der ersten Formel-1-Schlacht am Österreichring - zugleich Jochen Rindts letztes Rennen vor seinem Tod – über Niki Laudas legendären Heimsieg 1984 bis hin zum Comeback der Formel 1 nach Österreich 2014.

1970: Jochens letzter Start
Am Papier: Ferrari-Doppelsieg mit Jackie Ickx sechs Zehntelsekunden vor Clay Regazzoni, und der Deutsche Rolf Stomelen fährt
mit seinem Brabham-Ford zum ersten und einzigen Mal aufs Podest. Unvergessen ist der erste Grand Prix am Österreichring freilich
aus einem ganz anderen Grund: Es war DAS Rennen von Jochen Rindt, sein erster Heim-GP auf der neuen Strecke, die das
Flugplatzrennen in Zeltweg abgelöst hatte. Jeder wollte ihn, den WM-Fu?hrenden, auch zu Hause in seinem neuen Wohnzimmer
siegen sehen, doch ein technischer Defekt kostete ihn das Rennen. Der nächste Defekt sollte ihn das Leben kosten: Der Große
Preis von Österreich 1970 war das letzte Rennen des unvergessenen Jochen Rindt.

1975: Mach mir den Brambilla!
Es war einer der wildesten Sonntage der Formel-1-Geschichte: Zuerst platzte Mark Donohues linker Vorderreifen, er kam von der
Strecke ab und verunfallte – kein sonderlich schwerer Unfall nach damaligen Maßstäben. Tags darauf fiel er dennoch ins Koma –
und starb. Das Rennen selbst war eine Regenschlacht sondergleichen, in der kaum einer den Überblick behielt. Die Bedingungen
wurden so schwierig, dass rundenlang u?ber einen Renn-Abbruch diskutiert wurde. Als es endlich tatsächlich soweit war, lag der
Italiener Vittorio Brambilla in Front. Nachdem er als Erster die schwarzweiß karierte Flagge gesehen hatte, jubelte er beidhändig –
und crashte seinen March in die Boxenmauer. Es solle Brambillas einziger Sieg in seiner Karriere bleiben. Pole-Sitter Lauda kam
einen Platz vor seinem Teamkollegen Clay Regazzoni ins Ziel und benötigte bei den kommenden Rennen bloß noch einen einzigen
Punkt fu?r seinen ersten WM-Titel.

1978: Regenschlacht
Das Rennen begann feucht, wurde nass und endete fu?r die neun Autos, die zum Schluss noch u?brig waren, im Trockenen: 1987 war
das Rennen mit den meisten Drehern, Verbremsern, Ausrutschern und Hoppalas. Aufkommender Regen machte die Strecke zur
Rutschbahn. Dass viele Autos nach ihren Ausflu?gen in die Wiese Erde zuru?ck auf die Fahrbahn brachten, half auch nicht. (Kiesbetten
waren am Österreichring zu dieser Zeit noch unbekannt.) In der achten Runde wurde das Chaos so schlimm, dass man das
Rennen unterbrechen und neu starten musste. Noch gleich beim Re-Start ging das bunte Materialverformen weiter – mit Unfällen
noch auf der Startgeraden. Erst zum Schluss beruhigte sich der Rennverlauf ein wenig. Es siegte Ronnie Peterson auf Lotus.

1982: Windschatten fu?r Colin Chapman
Der alte Österreichring mit seinen langen Geraden war immer gut fu?r Windschatten-Duelle, eine durch moderne Aerodynamik
völlig verlorengegangene Kulturtechnik. Man ließ sich vom Vordermann ziehen, steckte seine Nase im letzten Moment in die Luft
und zog vorbei. Besonders gut ging das natu?rlich in der Turbo-Ära, wo man zusätzlich am Dampfrad drehen und im Bedarfsfall
extra Leistung abrufen konnte. Allerdings war es mit der Haltbarkeit der Turbo-Motoren 1982 noch nicht weit her, und so mussten
die Turbo-Piloten Ricardo Patrese, Nelson Piquet, René Arnoux und Alain Prost einer nach dem anderen aufgeben. Um den Sieg
kämpften so u?berraschender Weise Elio de Angelis im Lotus und Keke Rosberg im Williams, beide mit Saugmotoren im Heck. Die
beiden u?berquerten die Ziellinie nahezu parallel: Gerade 12/100 Sekunden konnte der Italiener auf den Finnen retten. Es war der
letzte Sieg, den Lotus-Gru?nder Colin Chapman erleben sollte: Im Winter 82 starb er an Herzversagen.

1984: Niki unsterblich
Ganz Österreich zitterte geistig mit: Noch nie hatte ein Österreicher den Heim-GP gewonnen, noch nie wäre es so wichtig wie
diesmal: Niki Lauda kämpfte im McLaren Porsche einen erbitterten Kampf gegen seinen Teamkollegen Alain Prost und Nelson
Piquet im Brabham mit dem ultra-starken BMW-Motor. Das Thema Prost hatte sich an diesem Sommersonntag bald erledigt, aber
Piquet holte im letzten Renndrittel massiv auf den in Fu?hrung liegenden Lauda auf. Was keiner wusste: Laudas Getriebe hatte ein
paar Gänge verloren. Piquet hielt das geringe Tempo allerdings fu?r eine Finte des Österreichers und steckte ebenfalls zuru?ck. Zu
Saisonende sollte Lauda einen halben Punkt Vorsprung auf Prost haben. Mit ein wenig Phantasie kann man sagen: Lauda hat seinen
dritten WM-Titel in Spielberg gewonnen.

1987: Das große Crashen
Das Wochenende, das das letzte auf der urspru?nglichen Strecke des ultra-schnellen Österreichrings werden sollte, begann mit
einer Kollision des McLaren-Fahrers Stefan Johansson mit einem Reh. Im Rennen selbst brauchte es drei Startversuche, um die
Piloten u?berhaupt auf die Reise zu schicken. Bei der ersten Startkarambolage auf der welligen Start-Ziel-Geraden torpedierte
Martin Brundle mehrere Kollegen, während beim zweiten Versuch das Feld auf die schlecht gestarteten Nigel Mansell und Gerhard
Berger auflief. In Summe wurden bei den beiden Kollisionen mehr als zehn Autos beschädigt – und das, noch ehe das Rennen so
richtig begonnen hatte. Fu?rs Protokoll: Gewonnen hat dann u?brigens Nigel Mansell auf Williams Honda.

1997: Wiedergeburt
Der Österreichring ist Geschichte, der A1 Ring, benannt nach einem österreichischen Mobilfunk-Unternehmen, die Gegenwart:
Deutlich ku?rzer als die Originalstrecke, aber viel u?bersichtlicher. Die Passage nach Flatschach fiel der neuen Realität zum Opfer,
damit auch die Mut-Passage Hella-S und die schnellste Gerade der Formel 1 am Schönberg, auf der zum Schluss Tempo 350 gegolten
hatte. Die Fans nahmen die neue Zeit dankbar an, und die Piloten genauso: Erster Sieger auf der Strecke mit dem bis heute
gu?ltigen Layout war Jacques Villeneuve im Williams-Renault, in der Steiermark bis heute ein Publikumsliebling.

1999: Erfolglose Aufholjagd
Michael Schumacher war nach seinem Silverstone-Unfall mit gebrochenen Beinen out, fu?r Ferrari fuhren Eddie Irvine und Mika
Salo. Eine vermeintlich einfache Übung also fu?r die u?berlegenen McLaren Mercedes von Mika Häkkinen und David Coulthard, die
auch in der ersten Reihe starteten: Im Qualifying waren sie u?ber eine Sekunde schneller gewesen als der Rest der Welt. Im Rennen
allerdings drehte Coulthard Teamkollegen Häkkinen in der zweiten Bergauf-Kurve um, der Finne musste das komplette Feld ziehen
lassen, bevor er nachstu?rmen konnte. Dank klu?gerer Strategie u?berholte Irvine später Coulthard, und der mächtig angasende
Häkkinen sorgte zwar fu?r die Show des Wochenendes, konnte aber nicht mehr zur Spitze aufschließen. Überraschungssieger:
Eddie Irvine aus Irland, und in Maranello läuteten die Glocken.
2002: „Let Michael pass for the Championship!“
Das WM-Duell in diesem Jahr lautete Schumacher auf Ferrari gegen Häkkinen auf McLaren Mercedes. Allerdings hatte an diesem
Tag Schumachers Wasserträger Rubens Barrichello den besseren Tag erwischt und lag bis in die letzte Runde sicher in Fu?hrung.
Da ereilte ihn der heute beru?hmt gewordene Befehl vom Ferrari-Kommandostand: „Let Michael pass for the championship.“ Der
Brasilianer gehorchte trotzig in der letzten Kurve, unter lauten Buhrufen der österreichischen Zuschauer. Kein Sieg in Spielberg
hat jemals schaler geschmeckt. Dabei hätte Schumacher dieses Geschenk ohnehin nicht gebraucht: Bereits sechs Rennen vor
Schluss sollte er sich in diesem Jahr zum Weltmeister krönen. Die Teamorder-Farce war demu?tigend, auch und vor allem fu?r ihn.
Dermaßen platte Stallorder hat es seither nie wieder gegeben.

2014: Fest der Gastlichkeit
Die Ru?ckkehr der Formel 1 nach Spielberg nach elf Jahren Pause geriet zum Triumph. Der neue Red Bull Ring setzte Maßstäbe in
allen Belangen: Modern, sicher, komfortabel, ästhetisch. Zweierlei unterschied Spielberg 2014 von allen anderen Rennen: Einerseits
der gesamtheitliche Zugang, der Anreise der Zuschauer per Rad genauso integrierte wie die Verquickung von lokaler Lebensqualität
mit High Tech. Und andererseits die unglaubliche Begeisterung, ja beinahe Dankbarkeit, mit der die Fans das Rennen aufnahmen:
Spielberg hatte sich stets als Formel-1-Kernland verstanden, seit u?ber vier Jahrzehnten. Endlich trafen sich steirische Gedankenwelt
und Realität wieder. Es siegte Nico Rosberg vor Lewis Hamilton.

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Oswald Schwarzl

CR

Chefredakteur in Ruhe

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