Sepp Wiegand: Ich will ins Ziel kommen und lernen

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24 Aug 00:26 2012 von Peter Podznik Print This Article

WRC Rallye Deutschland 2012

WOLFSBURG. Sepp Wiegand gilt als eines der größten Talente im deutschen Rallyesport. Der 21-Jährige bestreitet an diesem Wochenende für Volkswagen Motorsport die ADAC Rallye Deutschland. Im Interview steht Wiegand, der derzeit mit einem Fabia S2000 im Team ŠKODA AUTO Deutschland Gesamtvierter der Intercontinental Rally Challenge (IRC) ist, kurz vor dem Start des deutschen Rallye-WMLaufes Rede und Antwort.


 


Das Aufschrieb-Training hat bereits begonnen. Haben Sie so etwas wie


Lampenfieber vor dem WM-Heimspiel? Sepp Wiegand: „Klar, Lampenfieber ist schon dabei. Ich fahre zum ersten Mal mit einem S2000 im eigenen Land vor so großartiger Kulisse. Das motiviert natürlich zusätzlich.


 


Außerdem habe ich mit Sébastien Ogier und Andreas Mikkelsen zwei sehr starke und erfahrene Teamkollegen – Andreas kenne ich schon als Konkurrenten aus der IRC, gegen Sébastien bin ich noch nie gefahren.“


 


Sébastien Ogier ist der Sieger des Vorjahres, wenn auch damals in einem WRC-Auto und nicht in einem S2000. Haben Sie ihn schon mal um einen Tipp gebeten?


„Noch nicht. Aber ich bin mir sicher, dass er mir helfen würde. Beim WM-Lauf in Finnland vor drei Wochen haben sich unsere Wege zum ersten Mal gekreuzt. Ich war dort mit dem Team von Volkswagen Motorsport und konnte mir die ganzen Abläufe schon mal ansehen.


 


Sébastien und ich konnten auch hier schon kurz reden, die eigentlichen Fragen kommen aber bestimmt erst nach dem Aufschrieb oder im Shakedown.“


2011 sind Sie zum ersten Mal bei der Rallye Deutschland gestartet, damals


allerdings noch mit einem 170 PS starken Fronttriebler. Hilft diese Erfahrung für den Einsatz im Fabia S2000?


 


„Was die genaue Streckenkenntnis angeht, schon mal nicht. Die meisten Prüfungen sind neu oder werden im Vergleich zum vergangenen Jahr andersherum gefahren. Ich habe aber zumindest eine Ahnung, wie stark sich die Strecken vom ersten zum zweiten Umlauf ändern können – Stichwort Dreck vom Cutten in den Kurven. Außerdem verlangt mein Fabia S2000 mit Allradantrieb einen ganz anderen Fahrstil, ich kann später bremsen und komme mit viel besserer Traktion aus den Kurven.“


 


Wie unterscheidet sich Ihre Vorbereitung auf eine Rallye zur IRC von einem WMLauf wie der Rallye Deutschland? Was haben Sie anders gemacht?


„So gut wie nichts. Ich wollte bewusst wenig ändern, um mich damit nicht selbst aus der Ruhe zu bringen. Ich fahre dann am besten, wenn ich meinen Rhythmus finde und den auch beibehalten kann. Stopp: Etwas war doch anders! Jeder Teilnehmer hat vom Veranstalter vorab eine DVD bekommen, auf der die Strecken schon mal anzusehen waren.


 


Aber ohne Aufschrieb-Ansage meines Beifahrers Timo Gottschalk hilft das nur


wenig. Ich kann zwar den Charakter der Prüfungen ersehen, mehr aber auch nicht.


 


Und alles auswendig lernen geht ebenfalls nicht. Viele Kurven sehen einfach zu ähnlich aus – speziell in den Weinbergen.“


 


Wie sieht Ihr Fitnessprogramm aus? So eine Rallye verlangt bestimmt eine gute


Kondition ...


 


„Egal wo ich bin, gehe ich joggen. Meine Hausstrecke ist so etwa zehn Kilometer lang. Mittendrin liegt eine kleine Hütte, in der ich Dinge wie Liegestütze, Rumpfbeugen oder Dehnungsübungen machen kann. Das sind pro Tag bestimmt etwa zwei Stunden.


 


Außerdem gehe ich regelmäßig ins Fitnessstudio.“


Sie kommen aus dem Enduro-Sport. Was kostet mehr Überwindung: mit dem


Motorrad im Gelände schnell und auf Sicht zu fahren oder im Rallye-Auto dem


eigenen Aufschrieb blind zu vertrauen?


 


„Ich finde den Rallye-Sport wesentlich anspruchsvoller. Ich muss meinen eigenen


Aufschrieb so machen, dass ich ihm später auch traue. Und ich muss mich darauf


verlassen, dass mein Co im richtigen Moment die richtige Passage vorliest. Es sind ganz einfach mehr Möglichkeiten, einen Fehler zu machen und dann irgendwo abzufliegen. Und das kann dann auch in einem Rallye-Auto wehtun. Deshalb haben Timo und ich in der bisherigen Saison genau an diesen Punkten viel gearbeitet.“


Gibt es hier Prüfungen, vor denen Sie besonders viel Respekt haben?


 


„Ich nehme alle gleich ernst. Die Straßen in den Weinbergen sind sehr schmal und oft auch rutschig durch den bei Regen schlammigen Boden. Außerdem wechselt häufig der Rhythmus – von langsamen Ecken, um die man ohne Handbremse gar nicht herumkommt, bis hin zu ultraschnellen Abschnitten. Einmal einen Tick zu schnell und man rutscht gleich den Hang runter. Da bleiben beim Winzer im Herbst nicht nur ein paar Flaschen leer … Ich bin auch sehr gespannt auf die langen Prüfungen der Panzerplatte Baumholder. Sie gelten als reifenmordend und tricky wegen der vielen Hinkelsteine.


 


Ein Fehler hat da fix irreparable Folgen.“


Was ist Ihr persönliches Ziel für die Rallye Deutschland?


„Eine konkrete Platzierung nehme ich mir nicht vor. Unabhängig von den auch in der IRC für mich jedes Mal wieder neuen Strecken benutze ich hier ein komplett anderes Fahrwerk und andere Reifen als in meinem Fabia für die IRC. Daran muss ich mich während der Rallye erst gewöhnen. Auf alle Fälle will ich viel lernen – auch von meinen Teamkollegen.


 


Mein oberstes Ziel heißt ankommen. Und dann noch Stück für Stück den Zeitabstand pro Kilometer auf die vor mir Liegenden verringern – das wäre schon toll!“


CPP.




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Claus-Peter Pozdnik

Claus Peter Pozdnik, Redakteur/Motormagazin

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