Romney ist wieder im Spiel

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05 Okt 01:49 2012 von Oswald Schwarzl Print This Article

Obama bleibt dennoch Favorit - es sei denn, er verliert gegen sich selbst

USA/WIEN. (ots) Die erste Fernsehdebatte im US-Präsidentschaftswahlkampf gilt als eine Art Super Bowl der amerikanischen Demokratie.

Mitt Romney hat in diesem Match eine gute Figur gemacht. Der
republikanische Kandidat schaffte es, die Agenda zu bestimmen und
dabei - beinahe - menschlich zu wirken. Präsident Barack Obama
dagegen gewann mit einer seiner schlechtesten Darbietungen seit
langem keinen einzigen Yard.

Im Gegensatz zum Finale der National Football League ist mit dieser
Debatte die politische Saison allerdings noch lange nicht zu Ende.
Romney kann sich nach diesem Mittwochabend in Denver nach einigen
Wochen miserabel gelaufenen Wahlkampfes wieder voll und ganz im Spiel
fühlen.

Und jene, die ihn - vor allem in Europa - schon abgeschrieben
haben und nun Obama auf der Verliererstraße sehen, müssen zur
Kenntnis nehmen, dass US-Wahlkämpfe nicht aus sind, bevor tatsächlich
gewählt ist.

Die Frage aber bleibt, ob die gute Performance neben Romneys
Selbstbewusstsein auch seinen Umfragewerten Flügel verleihen wird.
Ohne Zweifel: Er hat seinen Schwung wiedergefunden, aber ob der bis
zum Ziel tragen wird, ist alles andere als sicher.

Denn bis zum 6. November steht ihm das bevor, was die Amerikaner eine "uphill battle" nennen, einen schweren Kampf bergauf gegen einen trotz des jüngsten Ausfalls starken Gegner mit einer - und das ist noch viel wichtiger -
noch stärkeren Wahlkampfmaschine in der Hinterhand.

Obamas Zentrale operierte in den US-Bundesstaaten zuletzt mit rund
100 lokalen Wahlkampfteams, bei Romney waren es deren 30. Das vor
allem ist der Grund dafür, dass der Präsident, der sich in den
nationalen Umfragen bisher nie wirklich von seinem republikanischen
Herausforderer absetzen konnte, in den meisten relevanten
Bundesstaaten führt.

Und dort, in "Swing-States" wie Ohio, Florida oder eben Colorado werden die Wahlen im amerikanischen Elektoren-System gewonnen.

Nachhaltig wäre die Leistung Romneys erst, wenn seine Werte auch dort
besser würden. Denn er hat erst dann eine realistische Chance auf
einen Sieg im November, wenn er die meisten der insgesamt zehn
umkämpften Swing-Staaten gewinnt. Dass das tatsächlich eintreten
könnte, ist eher unwahrscheinlich.

Politologen haben seit 1988 insgesamt 16 TV-Duelle verglichen und die Meinungsumfragen danach ausgewertet. Die durchschnittlichen Schwankungen lagen bei etwa einem Prozent zugunsten des Gewinners des ersten TV-Duells.

Nur John Kerry gewann 2004 gegen George W. Bush 2,3 Punkte dazu, verlor die Wahl aber letzten Endes dennoch.

Daraus lässt sich auch lesen, dass Obama eigentlich nur gegen sich
selber verlieren kann. Legt er nach Denver noch ein paar solcher
müder und lustloser Auftritte hin, brächte er seine Wiederwahl
ernsthaft in Gefahr.

Statt seinen "Hintern" höflich für Tritte seines Gegners zu präsentieren, wie es ein paar scharfzüngige Beobachter in Washington zuletzt formulierten, wäre ein Präsident in der Offensive gefordert.

Auch deswegen, weil er sich alle Mühe geben muss, seine eigene Wählerschaft aus 2008 noch einmal zu mobilisieren.

Soll das gelingen, dann muss er zumindest in Spurenelementen auch als
jener Barack Obama antreten, der er 2008 war. Und nicht als
Bodydouble eines politisch blutleeren Präsidenten, den der eigene
Wahlkampf zu langweilen scheint.

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