Reformland Oberösterreich: Neue Rolle für OÖ. Landtag

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20 Jän 21:17 2016 von Oswald Schwarzl Print This Article

Österreich und damit auch Oberösterreich hat in den vergangenen Jahren im internationalen Vergleich an Attraktivität für Investitionen verloren

LINZ. Gleichzeitig ist eine allgemeine Unzufriedenheit in der Bevölkerung über das politische System und die empfundene Reformunfähigkeit festzustellen, wie auch die jüngsten Wahlergebnisse zeigen. Die neue oberösterreichische Landesregierung hat nun die Chance, sich an die Spitze einer Reformbewegung zu setzen und Initiativen für Reformen zu ergreifen, wobei auch der OÖ. Landtag eine besondere Rolle spielen sollte.


Zentralismus – kein Zukunftsmodell für Österreich


Die enormen Schulden Wiens, das niedrigste Pensionsantrittsalter für Beamte, höchste Zahl von Mindestsicherungsempfängern, Standort von fast allen Bundesdienststellen und 37 internationalen Organisationen sind alles Themen, die nicht nur Wien alleine, sondern auch die Bundesländer betreffen, weil das dafür aufgewendete Steuergeld in den anderen Regio-nen Österreichs fehlt.


Der OÖ. Landtag sollte sich mit diesen Themen intensiv auseinandersetzen und Verbündete in den anderen Landtagen gewinnen.


Das Institut Wirtschaftsstandort Oberösterreich (IWS) hat in Zusammenarbeit mit Wissenschaftlern der Universität Linz dazu eine Reihe von Vorschlägen erarbeitet, die dazu führen könnten, den Reformstau zu beenden und die Standortqualität Oberösterreichs zu verbessern:


•  Neuordnung des Verhältnisses zwischen Bund, Ländern & Gemeinden


Die derzeitige Struktur unserer Republik–  mit Bund, Ländern, Gemeinden – und die damit verbundenen Finanzströme entsprechen nicht mehr den Anforderungen eines modernen Staates in der Union. Dazu kommt, dass in der Verfassung nicht vorgesehene Einrichtungen wie beispielsweise die Landeshauptleutekonferenz, in der Realpolitik eine größere Rolle spielen als zum Beispiel der Bundesrat. Eine Neuordnung des Systems sollte folgende Punkte umfassen:


a)   Bilanz statt Kameralistik


Basis einer Reform ist eine Eröffnungsbilanz von Ländern und Gemeinden, die dem interessierten Bürger einen Überblick über die finanzielle Situation seines Landes/Gemeinde ermöglicht.


Es ist erfreulich, dass dieser Vorschlag des IWS von Finanzminister Hans Jörg Schelling aufgegriffen und im Verordnungsweg umgesetzt wurde. Es ist zu hoffen, dass die Länder bis zum vorgesehenen Zeitpunkt 2020 diese Reform tatsächlich umsetzen.


 


b)   Finanzausgleich neu


Das Prinzip Ausgaben- und Einnahmenhoheit in eine Verantwortungsebene zu bringen ist dringend umzusetzen. Das derzeitige System des Finanzausgleiches ist kompliziert, nicht gerecht und muss völlig neu geordnet werden – zB jeder Wiener ist dreimal soviel wert wie ein Oberösterreicher. Bei der zu erwartenden Bevölkerungsentwicklung bis 2030 wird Wien mehr als zwei Millionen Einwohner haben = rund 25 Prozent der österreichischen Bevölkerung. Wenn das derzeitige System beibehalten wird, werden immer mehr Mittel nach Wien gehen, damit werden die Bundesländer in ihrer Entwicklung behindert und die Konzentration im Raum Wien zusätzlich verstärkt.


 


IWS-Vorschlag: Steuerhoheit für die Bundesländer


Das neue System soll sicherstellen, dass jede öffentliche Körperschaft die Steuern festsetzt, die sie für die eigene Aufgabenerfüllung benötigt. Damit würden auch die Landtage in ihrer Bedeutung enorm aufgewertet – zB direkte Steuern an die Länder, indirekte Steuern an den Bund, Grundsteuer an die Gemeinden (Vorschlag Prof. Schneider). 45 Prozent der Bevölkerung befürworten eine stärkere Möglichkeit der Bundesländer, ihre Probleme selbst lösen zu können, 32 Prozent sind unentschieden.


 


•  Dezentralisierung


30 Prozent der Oberösterreicher haben den Eindruck, das derzeit zu viele Entscheidungen von Wien aus bestimmt werden, während nur 14 Prozent für mehr Zentralismus eintreten. Die Konzentration von Zentralstellen in Wien ist auch im europäischen Vergleich ziemlich einzigartig. Von 68 Bundesbehörden sind 65 in Wien, während sich in der Schweiz 47 Bundesdienststellen auf 11 Standorte und in Deutschland 67 Bundesdienststellen ebenfalls auf 11 Standorte verteilen. In Bayern läuft derzeit eine Dezentralisierungsoffensive, bei der 50 Behörden und Zentralstellen in den nächsten 10 Jahren aus München in die Regionen ausgelagert werden, wodurch 3.155 hochqualitative Arbeitsplätze in den Regionen geschaffen werden. Diese Konzentration von Bundesdienststellen in Wien, die in der Regel gute Verdienstmöglichkeiten bieten, hat auch zur Folge, dass Jährlich 2.000 bis 3.000 Personen im Alter von 20 bis 34 Jahren aus den Bundesländern nach Wien abwandern. Um diesen Trend zu stoppen, strebt das Institut Wirtschaftsstandort Oberösterreich (IWS) eine gemeinsame Initiative der Bundesländer zur Verlagerung von zentralen Dienststellen in die Länder an. Hier könnten die Landeshauptleutekonferenz und der Bundesrat eine entscheidende Rolle spielen.


 


Arbeitsmarkt


Die Wirtschaft beklagt einen immer stärker werdenden Mangel an qualifizierten Mitarbeitern. Gleichzeitig ist bei AHS-Maturanten, Studienabbrechern und Asylwerbern/Asylanten ein interessantes Potenzial an Fachkräften gegeben, das bisher kaum genutzt wird. Um dieses Potenzial zu heben, müssen von Regierung und Sozialpartnern neue Initiativen gesetzt werden und geltende hemmende Faktoren beseitigt werden.


 


a)   Jede Innung, Fachgruppe oder Gremium, die einen Facharbeitermangel beklagt, soll eine Möglichkeit für eine verkürzte Lehrausbildung anbieten, um so Maturanten und Studienabbrechern die Möglichkeit zum Einstieg zur Fachausbildung und zum Erwerb des Meistertitels zu geben. In Deutschland gehen derzeit 10 Prozent der Abiturienten in eine Handwerksausbildung, in Oberösterreich wären rund 15 Prozent der Maturanten daran interessiert. Entsprechende Modelle scheitern derzeit an den Sozialpartnern, insbesondere am ÖGB.


Bei Asylanten und Asylwerbern ist insbesondere der Mangel an Sprachkenntnis bzw. die Anerkennung von Zeugnissen ein Einstellungshindernis. Auch hier sind die Sozialpartner mit ihren Weiterbildungsinstitutionen WIFI und BFI gefordert. Damit könnte auch die Wirtschaft selbst einen wesentlichen Beitrag zur Reduzierung des Facharbeitermangels leisten.


 


b)   Studienabbrecherquote senken


Die Zahl der Studienabbrecher an der Linzer JKU ist besorgniserregend. Von 2011 bis 2015 haben 47.000 Studenten inskribiert, aber nur 17.000 abgeschlossen. Das neue Rektorat hat sich die Senkung dieser Abbrecherquote erfreulicherweise zum Ziel gesetzt. Auch hier wäre nach ausländischem Vorbild die Möglichkeit einer verkürzten Fachausbildung (Meister statt Master) notwendig, um denjenigen, die ein Studium abbrechen, eine interessante Alternative anbieten zu können.


 


Gemeindekooperation – jährlicher Bericht im OÖ Landtag


Seit 1. Oktober 2011 ist das Bundes-Gemeinde-Kooperations-Gesetz in Kraft. Dieses Gesetz gestattet Gemeinden die Erledigung ihrer Aufgaben über Gemeinde-, Bezirks- und Landesgrenzen(!) hinweg. Nicht nur im privatwirtschaftlichen,  sondern auch im hoheitlichen Zuständigkeitsbereich. Davon sollte noch mehr Gebrauch gemacht werden.


Studien der Universität Linz zeigen, dass durch Zusammenlegung von Gemeinden auf freiwilliger Basis eine wesentlich größere Effizienz zu gleichbleibenden Kosten erzielt werden kann. Gleichzeitig zeigt das Beispiel Steiermark, dass die zwangsweise Verordnung von Gemeinde-zusammenlegungen auf enorme Schwierigkeiten in der Bevölkerung stößt. Die positiven oberösterreichischen Beispiele Aigen-Schlägl und Rohrbach-Berg sollen in der neuen Legislaturperiode besonders hervorgehoben werden und eine eigens zu installierende Beratungsagentur, die seitens der Landesregierung den Gemeinden angeboten wird, sollte den mehr als 400 Gemeinden die Vorteile einer Zusammenlegung vorrechnen und damit weitere Fusionen in Gang bringen und dem OÖ. Landtag jährlich einen Bericht dazu erstatten.


 


Energiepolitik


Die Umweltkonferenz in Paris hat das Ziel vorgegeben, den Verbrauch von Kohle und Öl deutlich zu reduzieren. Um dieses Ziel zu erreichen, müssen die Kapazitäten zur Erzeugung und Verteilung von elektrischer Energie massiv gesteigert werden. Oberösterreich als Industrieland Nummer 1 muss daher auf Bundesebene initiativ werden, um Genehmigungsverfahren zur Errichtung von Kraftwerken und Netzen zu beschleunigen. Derzeit dauern insbesondere Verfahren zur Errichtung von Stromleitungen mehrere Jahre, so dass es schon jetzt in einigen Regionen zu Versorgungsengpässen bzw. zur Gefahr eines Blackouts durch Leitungsüberlastung kommen kann. Es wird notwendig sein, die Einspruchsmöglichkeiten gegen den Leitungsbau im Interesse der Allgemeinheit zu reduzieren und dem allgemeinen Interesse Vorrang vor Einzelinteressen zu geben.


Weiters: Keine Überregulierungen im Umweltrecht, daher Verzicht auf Landes-Energieeffizienzgesetz.


 


Verhältnis zu Tschechien


Die vom Institut Wirtschaftsstandort Oberösterreich (IWS) durchgeführte „Arena-Analyse“, an der sich mehr als 60 führende Persönlichkeiten Oberösterreichs beteiligt haben, hat gezeigt, dass der Wunsch besteht, das Verhältnis zu unserem Nachbarland Tschechien auch auf politischer Ebene zu verbessern.


Dazu gehört sicherlich, dass die finanzielle Unterstützung von Bürgerinitiativen in Tschechien durch oberösterreichische Steuermittel beendet wird, um dem Vorwurf zu begegnen, dass sich Oberösterreich in die inneren Angelegenheiten Tschechiens einmischt. Die Bedenken gegen den Ausbau der Kernkraft in Tschechien sollten auf Regierungsebene und auf juristischem Wege durchaus eingebracht werden, aber finanzielle Unterstützung von Bürgerinitiativen ist für unsere tschechischen Nachbarn unverständlich. Auch hier wäre eine intensive Debatte im OÖ. Landtag durchaus hilfreich.


Je weniger offensichtlich EU-Institutionen europäisches Vertrauen  bilden und Probleme lösen können, umso mehr kommt der nachbarschaftlichen Zusammenarbeit erhöhte Bedeutung zu. Deshalb sollen alle Chancen der bilateralen wissenschaftlichen, kulturellen, wirtschaftlichen und politischen Kooperation genutzt werden. Eine besondere Herausforderung des EU-Ausschusses, des Landtages und aller Abgeordneten des Mühlviertels.


 


Zusammenfassend werden aus Sicht des Institutes Wirtschaftsstandort OÖ große Hoffnungen in die neue OÖ. Landesregierung gesetzt, wobei sich der OÖ. Landtag durchaus als Reformmotor einbringen könnte.



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Oswald Schwarzl

CR

Chefredakteur in Ruhe

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