WWF und VIER PFOTEN: Tötung der Fischotter löst sicher keine Probleme, LH Pröll sollte die Causa zur politischen Chefsache machen

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Foto: Fischotter Falimiel / Symbolbild
16 Mär 22:00 2017 von Redaktion Vorarlberg Print This Article

Nach Anträgen des NÖ-Teichwirte- und des NÖ-Landesfischereiverbandes hat das Land Niederösterreich einen Bescheid erlassen, der die Tötung von 40 Fischottern vorsieht. Der WWF und die VIER PFOTEN machen im Rahmen einer Pressekonferenz darauf aufmerksam, dass die fundierte Wissensbasis für die geplanten Abschüsse völlig fehlt und die Tötungen definitiv keine Problemlösung darstellen. Die Petition gegen dieses Vorhaben wird mittlerweile von mehr als 17.000 Menschen mitgetragen – und die Front gegen die Pläne von Landesrat Stephan Pernkopf wird immer breiter und internationaler. Auch die Weltnaturschutzorganisation IUCN unterstützt den WWF und die VIER PFOTEN. Landeshauptmann Erwin Pröll sollte die Causa zur politischen Chefsache machen und seiner designierten Nachfolgerin Johanna Mikl-Leitner kein blutiges Erbe überlassen.

„Naturschutz- und Agrarlandesrat Pernkopf beschreitet hier einen Weg, der langfristig nicht zum Ziel führen wird – nämlich die Interessen von Naturschutz, Fischern und Wasserwirtschaft auszugleichen“, kritisiert Christian Pichler, Artenschutzexperte beim WWF. Der Fischotter ist eine europaweit streng geschützte Art und die Niederösterreichische Landesregierung verfügt über keine ausreichenden Grundlagen für einen solchen drastischen Eingriff. Aus der Sicht von WWF und VIER Pfoten verstößt diese Vorgangsweise gegen die Vorgaben der EU-FFH-Richtlinie. Es werden daher alle rechtlichen Mittel geprüft, um gegen den entsprechenden Abschuss-Bescheid vorzugehen. „Was Landesrat Pernkopf hier macht ist Klientelpolitik“, kritisiert Pichler. Um ein Verfahren gegen Österreich durch die Europäische Kommission abzuwenden, hofft der WWF auf die Mitwirkung von Landeshauptmann Erwin Pröll. „Es stellt sich nämlich schon die Frage, ob sich Landeshauptmann Pröll tatsächlich mit einer blutigen Spur aus der Politik verabschieden will und auch, ob Johanna Mikl-Leitner mit so einer Bürde als Landeshauptfrau starten will“, so Pichler.

„Der Fischotter ist bei uns seit jeher heimisch und teilte sich mit den Fischen problemlos den Lebensraum der Gewässer-Ökologie. Wir teilen zwar die Sorge um den Fischrückgang in unseren Gewässern, es ist aber völlig verkehrt und zwecklos, heimische Fischarten retten zu wollen, indem ihre natürlichen Gegenspieler reguliert werden sollen. Der Rückgang der Fische ist nämlich in erster Linie das Ergebnis eines rücksichtlosen Umgangs mit unseren Fließgewässern“, so Pichler.

Diese Aussagen werden durch Untersuchungen in der bis vor kurzem fischotterfreien Schweiz gestärkt. In einer umfassenden Untersuchung wurden als Ursachen für die Rückgänge bei den Fischbeständen ein ganzes Bündel an Faktoren identifiziert, beispielsweise unökologische Fischbesatzungsmaßnahmen, Kraftwerksbauten, Hochwasserschutzmaßnahmen, klimabedingter Temperaturanstieg, Anstieg von Fischkrankheiten und Gewässerverschmutzung.

„Regulieren“ der Fischotter kann zeitweise sogar zu höheren Otterdichten führen
„Der Abschuss der Fischotter greift in eine komplexe, vom Menschen beeinflusste Ökologie ein. Die Rolle des Fischotters darin ist aber noch unklar, es fehlt daher die Wissensbasis für den Abschuss“, kritisiert Kurt Kotrschal, Zoologe an der Universität Wien und Leiter der Konrad-Lorenz-Forschungsstelle in Grünau, die geplanten Abschüsse der Tiere und ergänzt: „Fischotter sind territorial, sie regulieren ihre Dichten in Wechselwirkung mit dem Nahrungsangebot gut selber. Ein ‚Regulieren‘ destabilisiert dieses System und kann daher sogar zeitweise zu höheren Otterdichten führen.“ Aus wissenschaftlicher Sicht ist es daher unverständlich, dass dieses Argument in der bisherigen Diskussion kaum aufscheint. „Es zeugt von einem ungenügenden Informationsstand und dieser spiegelt sich in der Entscheidungsfindung zum Abschussbescheid wider“, so Kotrschal.

Hans Frey, Veterinärmediziner der VIER PFOTEN, sieht mit dem Bescheid einen klaren Verstoß gegen die Österreichische Verfassung: „Die Tötung von Tieren ist in Österreich sehr klaren, restriktiven gesetzlichen Normen unterworfen. Im Fall der Fischotter liegt absolut kein plausibler Grund für eine solche Tötung vor.“ Auch aus Tierschutzsicht ist der Bescheid extrem problematisch: „Fischotter können zu jeder Jahreszeit gebären – das Verhungern von, durch Tötung der Muttertiere verwaisten Jungtieren oder Vernichten von Föten – ist somit kaum zu vermeiden. Denn Männchen und Weibchen sind rein optisch nicht eindeutig zu unterscheiden. Zudem reagieren Fischotter panisch in Lebendfallen und fügen sich bei Befreiungsversuchen in kurzer Zeit schwere Verletzungen zu, was selbst bei Freilassung laktierender oder hochgravider Weibchen nachhaltige Schäden verursachen kann.“

Schluss mit einem unnatürlichen „Artenschutzprogramm“
„Die Wiederkehr des Fischotters kann als großer Naturschutzerfolg gewertet werden. Noch in den 1970-er Jahren wurde bei Fischotter-Kongressen angezweifelt, ob es in 20 Jahren den Europäischen Fischotter überhaupt noch geben wird“, sagt Helmut Pechlaner, WWF-Ehrenpräsident und Fachtierarzt für Zoo- und Wildtiere sowie Fachtierarzt für Tierhaltung und Tierschutz. Aus der Sicht von Pechlaner haben Teichbesitzer und Fischereiberechtigte „gleichermaßen verdienstvoll wie auch unfreiwillig zur Problemsituation beigetragen, indem sie die Otter in ihren Teichen mit Nutzfischen angelockt und gefüttert haben wie in Fließgewässern, in welche mehrjährige Besatzfische aus Fischzuchten ohne Lebenstüchtigkeit fürs Freiland ausgesetzt wurden“.

Auf diese Art und Weise entstanden unnatürliche Fischotterdichten, die heute als Problem gesehen werden. „Jetzt muss allerdings Schluss sein mit diesem unnatürlichen ‚Artenschutzprogramm“, fordert Pechlaner. Nutzfische in Teichen sind Haustiere wie z.B. Hühner und müssen laut Tierschutzgesetz „vor Raubtieren geschützt werden“. Daher müssen Teiche ebenso eingezäunt werden wie Hühnerställe, die in der Nacht gegen Fuchs und Marder verschlossen sind. „In Fließgewässern ist die bisherige Besatzpraxis zu verbieten, wenn überhaupt darf ausschließlich Fischlaich bzw. Brütlinge einheimischer Arten angesiedelt werden. Dann entwickeln sich lebenstüchtige, scheue Jungfische angepasster Arten, die in den lokalen ökologischen Kreislauf passen und vom Fischotter nur mit Mühe erbeutet werden können“, so Pechlaner.

Der Fischotter wird seit seiner Rückkehr an vielen Stellen in Österreich rücksichtlos und tierquälerisch illegal getötet, jetzt soll das auch noch legalisiert werden. „Die Probleme werden dadurch nicht gelöst, vielmehr müssen Verpflichtungen zur Einzäunung von Wirtschafts- und Hobbyteichen sowie ein Verbot jeglicher Besatzmaßnahmen, mit Ausnahme von Laich einheimischer Fischarten, kommen“, fordert Pechlaner. Als Folge dieser Forderungen sieht Pechlaner, „dass die Besiedlungsdichte der Fischotter auf ein natürliches Maß zurückfällt, dass die wenigen Tiere ein Revier von bis zu 30 Kilometern pro Tag durchstreifen müssen um satt zu werden, damit als Opportunisten nach dem Prinzip der leichten Erreichbarkeit von Futter suchen – und nichts ‚leer fischen‘ – und auch als Gesundheitspolizei ihre unverzichtbare Funktion in unserem aquatischen Ökosystem wieder übernehmen“.


Quelle: WWF



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