Tirol: Strategie auf dem Weg zur Gleichstellung

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Tirol
17 Jän 12:00 2018 von Redaktion Vorarlberg Print This Article

Es ist Zeit

Was braucht es noch, damit Mann und Frau auf allen Ebenen gleichgestellt sind? In der „Gleichstellungsstrategie Tirol“, die diese Woche von der Tiroler Landesregierung zur Kenntnis genommen wurde, sind Empfehlungen zu Maßnahmen und deren Umsetzung aufgelistet, um das Ziel auf dem Weg zur Gleichstellung schneller zu erreichen. Diese Empfehlungen dienen als Basis für die Erstellung eines entsprechenden Maßnahmenplans. „Vorrangig dabei ist es, Frauen die gleichberechtigte Teilhabe an Erwerbsarbeit zu ermöglichen, den Frauenanteil in Fach- und Führungspositionen sowie als Unternehmerinnen zu erhöhen, Einkommensunterschiede und benachteiligende Arbeitsbedingungen bzw. Arbeitsteilungen zwischen den Geschlechtern zu reduzieren sowie die soziale Absicherung aller zu verbessern“, fasst Frauenlandesrätin Christine Baur die wesentlichen Inhalte zusammen.

Die Grundlage für die Gleichstellungsstrategie bildete der Gleichstellungsbericht Tirol 2016, der die geschlechtsspezifischen Ungleichheiten darstellt. Ergänzt wurden diese Inhalte durch das Gleichstellungsbarometer Tirol 2017, das die Einschätzung der Tiroler Bevölkerung zu gleichstellungsrelevanten Themen abbildet. Dazu wurden von der Statistik Austria telefonische Umfragen durchgeführt. Einen weiteren Input lieferten Gesprächsrunden mit sechs Fokusgruppen und Einzelgespräche mit ausgewählten VertreterInnen aus Tirol.

Die Gleichstellungsstrategie ist in zehn Schwerpunkte mit entsprechenden Empfehlungen unterteilt:

Erwerbsarbeit und Einkommen

„Die Gleichstellungsstrategie schlägt Maßnahmen zur Schaffung von existenzsichernden und qualitativ hochwertigen Erwerbsarbeitsplätze für Frauen und zur Erleichterung des Zugang zu Erwerbsarbeit vor“, berichtet Landesrätin Baur. Damit könne die Erwerbsquote erhöht und Frauenarmut durch ökonomische Eigenständigkeit verhindert werden. In diesem Zusammenhang sind auch die gleiche Verteilung von bezahlter und unbezahlter Arbeit zwischen Frauen und Männern und die geschlechterunabhängige Bewertung von Arbeit besonders wichtig. Dazu ist der Abbau von geschlechterspezifischen Stereotypen und Segregationen im Berufs- und Erwerbsleben erforderlich. Um der lebensphasenorientierten Gestaltung der Erwerbstätigkeit gerecht zu werden, empfiehlt die Gleichstellungsstrategie die weitere Entwicklung von unterschiedlichen Erwerbsarbeitsmodellen und die Diskussion über Möglichkeiten der flexiblen Arbeitszeitgestaltung.

Bildung

Um die geschlechterspezifische Berufswahl und Berufsorientierung aufzubrechen, regt die Gleichstellungsstrategie eine geschlechterneutrale Bildungs- und Berufsberatung an. „Schon in der Aus- und Weiterbildung von Pädagoginnen und Pädagogen kann ein Augenmerk auf die Gender- und Gleichstellungskompetenz gelegt werden“, ist Landesrätin Baur überzeugt. Weitere Mosaiksteine im Schwerpunkt Bildung ortet die Gleichstellungsstrategie bei der Förderung der niederschwelligen Bildungsberatungs- und Bildungsangebote für gering(er) qualifizierte Frauen und des Nachholens von Pflichtschulabschlüssen sowie anderweitigen Abschlüssen. Für Regionen mit niedriger Frauenerwerbsquote wird der Ausbau des niederschwelligen und örtlich flexiblen (Weiter-)Bildungsangebots angeregt.

Stereotypen und Rollenbilder

Das Thema Stereotypen und Rollenbilder findet sich auch im Handlungsfeld Erwerbsarbeit und Einkommen. In der Erhöhung des Frauenanteils in technischen Berufen und des Männeranteils in typischen Frauenberufen wie Pflege- und pädagogischen Berufen ortet die Gleichstellungsstrategie einen wichtigen Schritt in Richtung Gleichstellung. Gleichzeitig wird empfohlen, die Gender- und Diversitätskompetenz in öffentlichen Institutionen und bei politisch Verantwortlichen auszubauen und ein gesellschaftliches „Umlernen“ von Rollenklischees zu forcieren, was durch den Ausbau von Mädchen- und Burschenberatungsstellen, von geschlechtersensibler Jugendarbeit und von geschlechtersensiblen SeniorInnenangeboten unterstützt werden kann. Mit der Einführung eines „Männerförderplans“ zu Themen wie Kindererziehung, Bildung, Karenz, dem Umgang mit Gewalt und Gesundheit schlägt die Gleichstellungsstrategie eine Maßnahme vor, die darauf abzielen soll, dass sich Männer mit Rollenklischees auseinandersetzen. Gleichzeitig kann die Öffentlichkeit durch eine Forcierung der Geschlechtergerechtigkeit in Sprache, Symbolen und Bildern sensibilisiert werden.

Vereinbarkeit von Erwerbsarbeit und Familie

„Zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie gehören auch die gesellschaftliche Akzeptanz und die finanzielle Leistbarkeit von Väterkarenz und Väterbeteiligung“, betont Landesrätin Baur. Nur so könne eine gleichmäßige Verteilung der Betreuungsarbeit erreicht werden. Dazu empfiehlt die Gleichstellungsstrategie eine verstärkte Bewusstseinsbildung nach dem Motto „Vereinbarkeit ist (auch) Männersache“. Neben der Beteiligung der Väter regt die Gleichstellungsstrategie den weiteren Ausbau des regional flächendeckenden, altersbezogenen, leistbaren Bildungs- und Betreuungsangebotes an, das mit Augenmerk auf ein flexibles, ganztägiges und ganzjähriges Angebot auch gemeindeübergreifende Möglichkeiten beinhaltet. Im Bereich der Pflege befürwortet die Gleichstellungsstrategie die Weiterentwicklung von Betreuungsmodellen für pflegebedürftige Menschen und ein Finanzierungsmodell zur Sicherstellung von bedarfsorientierter Pflege wie auch den Ausbau der Unterstützung pflegender Angehöriger.

Gesundheit und ausgewählte soziale Aspekte

Zielsetzung der Gleichstellungsstrategie in den Bereichen Gesundheit und ausgewählter sozialer Aspekte ist es, die unterschiedlichen Bedürfnisse von Frauen an das Gesundheitssystem zu berücksichtigen und die medizinische Versorgung den frauenspezifischen Bedürfnissen anzupassen. In diesem Zusammenhang setzt die Gleichstellungsstrategie auf eine weitere Förderung der Gendermedizin.

Gewaltprävention und Gewaltschutz

Geschlechterspezifische Formen jeglicher Art von Gewalt müssen abgebaut werden, sodass sich sowohl Frauen wie Männer im öffentlichen und privaten Raum frei bewegen können und ein von physischer und psychischer Gewalt freies, selbstbestimmtes Leben möglich ist. Je früher Gewalteinwirkungen erkannt und zur Sprache gebracht werden, desto effektiver kann an deren Verringerung und Vermeidung gearbeitet werden. Neben der Gewaltprävention empfiehlt die Gleichstellungsstrategie Maßnahmen im Gewaltschutz, indem ausreichend Opferschutz- und Opferberatungseinrichtungen angeboten werden. Zudem wird ein Ausbau der Anti-Gewalt-Maßnahmen für gewalttätige Menschen und niederschwellige Beratungsangebote für Männer angeraten.

Repräsentanz von Frauen in Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft

„Ziel ist eine Gleichverteilung der Entscheidungs- und Gestaltungsmacht in politischen und wirtschaftlichen Organisationen, von zivilgesellschaftlichem und ehrenamtlichem Engagement zwischen den Geschlechtern“, gibt Landesrätin Baur die Richtung vor. Notwendig dafür sind die Erhöhung der politischen Teilhabe von Frauen sowie die Erhöhung des Frauenanteils in Fach- und Führungspositionen. Die Rahmenbedingungen sollen so gestaltet sein, dass sie sich mit Familienaufgaben beider Geschlechter gut verbinden lassen und keine beruflichen Nachteile entstehen.

Infrastruktur und Mobilität

Die Mobilitätsbedürfnisse von Frauen und Männern sind unterschiedlich. Diesen Unterschieden könne laut Gleichstellungsstrategie Rechnung getragen werden, indem die Verkehrsplanung bedarfsgerechte Mobilitätsangebote schafft. Wird eine entsprechende (dezentrale) Infrastruktur ausgebaut, könne laut Gleichstellungsstrategie Abwanderung verhindert und eine gerechte Verteilung von Lebenschancen erreicht werden. „Gerade die Nutzung der neuen digitalen Möglichkeiten ist für Frauen eine große Chance“, ist Landesrätin Baur überzeugt.

Migration

Neben der Gleichstellung ist die gesellschaftliche Integration von Migrantinnen und Frauen mit Fluchterfahrung besonders wichtig. In dieser Hinsicht rät die Gleichstellungsstrategie zur Schaffung von Maßnahmen zur eigenständigen Existenzsicherung und zur Förderung der Sprachkompetenz sowie zur Einrichtung von niederschwelligen Beratungs- und Informationsangeboten.

Regionen

„Abwanderung verhindern und ein selbstbestimmtes Leben für Frauen und Männer in den Regionen zu ermöglichen – mithilfe einer überörtlichen Region- und Städteentwicklung kann dies erreicht werden“, ist Landesrätin Baur überzeugt. Auch hier ist der Ausbau der sozialen und kulturellen Infrastruktur sowie der Mobilitätsangebote ein wichtiger Ansatzpunkt.


Quelle: Land Tirol



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Chefredakteur von Regionews Vorarlberg

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