Stillförderung im internationalen Vergleich – WBTI-Report zeigt große Mängel in Österreich

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Stillförderung in Österreich weist große Mängel auf - das zeigt sich im internationalen Vergleich
Foto: Mara Pilz
06 Jul 04:00 2018 von OTS Print This Article

Wien (OTS) - Muttermilch ist die natürlichste Form der Ernährung für den Säugling. Für gleich zwei Generationen gilt die Stillförderung als kostengünstigste Gesundheitsvorsorge mit erheblichem finanziellem Einsparungspotential für das Gesundheitswesen. Ein aktueller Report bringt jedoch Lücken im österreichischen System zutage.

Stillen und Muttermilch sind die von der Natur maßgeschneiderte Ernährung für den menschlichen Säugling mit großer gesundheitlicher und emotionaler Bedeutung für Mutter und Kind. „Die Nährstoffe sind perfekt auf das Baby abgestimmt. Die Zusammensetzung der Muttermilch passt sich an die Entwicklungsphasen des Kindes an“, so Petra Welskop, Präsidentin des Österreichischen Hebammengremiums (ÖHG), der Standesvertretung aller rund 2.300 in Österreich tätigen Hebammen. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfiehlt, reif geborene, normalgewichtige Kinder bis zum sechsten Monat ausschließlich zu stillen. „Viele gesundheitliche Beeinträchtigungen, die ein Mensch im späteren Leben erleiden kann - Essstörungen, Verdauungsbeschwerden, Übergewicht, hohe Cholesterinwerte, Herzinfarkt, ernährungsbedingte Krebsarten uvm. – können durch das Stillen verhindert werden“, ergänzt DSA Anita Schoberlechner, IBCLC und Präsidentin des VSLÖ, des Verband der Still- und LaktationsberaterInnen IBCLC Österreichs. „IBCLCs werden in unterschiedlichsten Fällen zu Hilfe gezogen: bei der Hilfestellung beim Stillen kurz nach der Geburt, bei Problemen beim Anlegen des Säuglings, wunden Mamillen, bei Schmerzen beim Stillen, unzureichender Gewichtszunahme des Kindes, bei besonderen Stillsituationen (Stillen von Zwillingen, eines Kindes mit Down Syndrom, bei Lippen-Kiefer-Gaumenspalte) uvm.“, erzählt Schoberlechner weiter.

WBTI-Report zeigt Lücken im österreichischen System auf

Besonders in den letzten Jahren sind viele Maßnahmen zur Stillförderung umgesetzt worden. Dass Österreich jedoch immer noch Aufholbedarf auf diesem Gebiet hat, zeigen die Ergebnisse der World Breastfeeding Trends Initiative (kurz WBTi),im Zuge derer der aktuelle Stand der Dinge in 96 WHO-Mitgliedsländern erhoben wurde.

„Qualitätssicherung und Evaluierung spielen eine immer wichtigere Rolle im Gesundheitswesen. Wir haben uns zusammengesetzt und erfasst, wie die Situation in Österreich ist. Dabei zeigt sich, dass vieles gut ist, zum Beispiel die Regelungen rund um den Mutterschutz. Wir sehen aber auch, wo wir noch besser werden sollten. Der WBTI-Report zeigt nämlich die Notwendigkeit auf, dass Daten erhoben werden, und dass wir in Österreich – seit der Stillstudie aus dem Jahr 2006 – keine validen Daten zum Stillverhalten haben. Mit dem internationalen Vergleich, den der WBTI-Report anstellt, werden solche Lücken in Österreich sichtbarer, und wir hoffen, dass nun recht bald wieder und ab dann regelmäßig aktuelle Stilldaten für Österreich erhoben werden“, so Hebamme Romana Wagner, Vorstandsmitglied des ÖHG.

Schwache Platzierungen im weltweiten Vergleich

Um das Stillen zu fördern und es in der Öffentlichkeit zu manifestieren, werden seit einigen Jahren gezielt Maßnahmen umgesetzt, so z.B. die Initiative „Richtig essen von Anfang an“, ein Gemeinschaftsprojekt der AGES, des Bundesministeriums für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz sowie vom Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger, das alle wichtigen Details zur richtigen Ernährung in diesen wichtigen Lebensphasen publik macht. Auch die Baby-friendly Hospital Initiative kann im Zuge dessen genannt werden, die das Ziel hat, die Gestaltung des Geburtserlebnisses und die Stillförderung in der Geburtshilfe zu verbessern. „Gerade in Sachen Baby-Freundlichkeit im Gesundheitswesen stehen wir jedoch erst am Anfang, denn im Zuge des WBTI-Reports hat sich herauskristallisiert, dass Österreich bei Krankenhäusern mit Kreißsaal und Wochenbettstation sowie sonstigen Entbindungseinrichtungen auf diesem Gebiet europaweit auf Platz 11 von 15 sowie weltweit auf Platz 36 von 96 Ländern liegt. Die Zertifizierungen in Österreich sind zwar von einem sehr hohen Standard, jedoch sind nur 21% der Geburtsabteilungen BFHI-zertifiziert“, so Anita Schoberlechner. „Die Umsetzung der für die Zertifizierung zum babyfriendly hospital nötigen Schritte ist definitiv machbar, sollte jedoch aktiver angegangen werden.“

Wichtig wären auch umfassendere Strategien, um den Informationsfluss sowie die Aus- und Fortbildung zum Thema Säuglings-und Kleinkindernährung weiter auszubauen. „Hier befindet sich Österreich gar auf dem 77. von 96 Plätzen weltweit“, so Schoberlechner. Umfassendere Informationen bereits in der Schule / Berufsschule, in der Lehrerausbildung sowie eine bessere Ausbildung aller im Gesundheitssystem Tätigen während ihrer Grundausbildung wären hier wünschenswert.

Anspruch auf Hebammenbetreuung

Dass jedoch auch viele Erfolge erzielt werden können, zeigt die Tatsache, dass seit Jänner 2017 alle Frauen nach der Geburt Anspruch auf Hebammenbetreuung im Wochenbett haben. Fünf Hausbesuche in den ersten fünf Tagen nach der Geburt (bzw. sechs Hausbesuche nach Kaiserschnitt oder Mehrlingsgeburten) bezahlt die Krankenkasse und danach bei Bedarf weitere sieben Hebammen-Hausbesuche bis zur achten Woche nach der Geburt. Petra Welskop dazu: „Stillberatung ist ein ganz wesentlicher Teil der Hebammen-Betreuung im Wochenbett. Damit hat theoretisch jede Frau in Österreich Zugang zu Stillberatung gleich nach der Geburt. Die Hebamme kommt dafür zu der Frau und ihrem Neugeborenen nach Hause, was wirklich ideal ist. Leider gibt es jedoch bei weitem nicht genug Hebammen für die Wochenbett-Betreuung. Die Frauen müssen sich sehr früh in der Schwangerschaft dafür anmelden und Hebammen mit Kassenvertrag (die ihre Leistungen direkt mit der Krankenkasse abrechnen, d.h. die Frau muss gar nichts aus eigener Tasche bezahlen) sind oft ausgebucht.“


Quelle: OTS



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