Stadt vs. Bund: Sozialbudget durch Entwicklung massiv bedroht

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Foto: Stadt Salzburg
18 Jän 22:00 2018 von Redaktion Vorarlberg Print This Article

Hagenauer/Wagner: Können und werden nicht Hauptlast tragen – Widerstand

Die Bundesregierung hat seit ihrer Angelobung mit einigen Ankündigungen im Sozialbereich aufhorchen lassen. Nach der von der Vorgängerregierung beschlossenen Abschaffung des Pflegeregresses sorgen nun die Abschaffung der Notstandshilfe und Großquartiere für Asylwerber für zum Teil massive Verunsicherung. Auch in der Stadt Salzburg.

„Mittlerweile formiert sich schon Widerstand, vor allem im Sozialbereich. Aber auch die Bundesländer realisieren, dass hier eine Belastungswelle im Anrollen ist. Doch nicht nur sie stehen vor einer Herausforderung: So wie es jetzt aussieht bzw. kolportiert wird, sollen vor allem die Gemeinden die Hauptlast dieser möglichen Reformen schultern. Das werden wir als Stadt Salzburg so sicher nicht hinnehmen“, sagt Sozial-Vizebürgermeisterin Anja Hagenauer bei einem Medientermin am Donnerstag, 18. Jänner 2018.

Die Regierung verspreche gerade viel, das auch viel Geld koste. Wie sie das finanziere, sei jedoch völlig unklar. Hagenauer und Sozial-Abteilungsvorstand Winfried Wagner befürchten eine Entwicklung, „die das städtische Sozialbudget massiv bedroht.“

Thema Pflegeregress

Seit 1. Jänner gehört der Pflegeregress aufgrund der Beschlussfassung einer verfassungsrechtlichen Bestimmung der Geschichte an. Eine Entwicklung die Hagenauer zwar grundsätzlich begrüßt. Nur hat die Sache einen Haken: Der Bund habe zur Gegenfinanzierung dieser Maßnahme 100 Millionen Euro in Aussicht gestellt. Unabhängig davon, dass diese Summe bei weitem nicht ausreichen werde, um die tatsächlich anfallenden Kosten zu decken, sei zudem nach wie vor nicht klar, wie dieses Geld aufgeteilt werde. „Wir als Gemeinde, die immerhin 50 Prozent der Kosten der Sozialhilfe zu tragen hat, wissen bis heute nicht, wie diese Gegenverrechnung funktionieren soll. Auch ist nach wie vor unklar, ob die Länder hier beim Bund durchdringen und mehr Geld lukrieren können“, kritisiert die Vizebürgermeisterin.
Hier die Fakten:

• Österreichweit geht man von Mehrkosten in Höhe von 500 Mio Euro aus, die durch die Abschaffung des Pflegeregress verursacht werden.
• Das Land Salzburg schätzt die Mehrkosten auf 21 Millionen Euro. Unklar ist, ob hier auch weitere Einnahmenausfälle der Seniorenwohnhäuser berücksichtigt wurden.
• Die Stadt hat ebenfalls gerechnet und kommt auf Mehrkosten in Höhe von fünf Millionen Euro.
• Dabei sind nicht nur die Mehrkosten der Sozialhilfe und der Entfall der Einnahmen durch Regress (inkl. Verwertung bereits grundbürgerlich sichergestellter Liegenschaften) zu veranschlagen, sondern auch
• die Einnahmenverluste der Seniorenwohnhäuser durch den zu erwartenden Wegfall der weit überwiegenden Zahl der Selbstzahler, die gegenwärtig rund 38 % der Bewohner*innen von Seniorenwohnhäusern ausmachen.

Sozial-Abteilungsvorstand Winfried Wagner: „In Zukunft werden nur mehr jene Personen Selbstzahler in Seniorenwohnhäusern sein, die über eine ordentliche Pension verfügen, die die laufenden Aufwendungen abdeckt. Wir rechnen damit, dass dies letztlich nur mehr rund fünf Prozent der Bewohner*innen sein werden.“

Zusätzlich zu den Mehrkosten bedeute die Umstellung aber auch einen erheblichen Mehraufwand für die städtische Sozialverwaltung. Wagner: „Aktuell ist die Zahl der Sozialhilfeanträge im Steigen. Allein Anfang dieser Woche wurden 20 Anträge von bisher selbstzahlenden Seniorenwohnhaus-Bewohner*innen gestellt, die nun umgehend zu bearbeiten sind.“ In Köpfen ausgedrückt, rechnet er mit mehr als 400 zusätzlichen Sozialhilfe-Empfänger*innen in der Stadt Salzburg.

Wie sich die Abschaffung letztlich auf den Pflegebettenbedarf auswirke, könne nicht beurteilt werden. Die Meinungen gingen dabei auseinander: „Die Pflegeplanung obliegt einzig dem zuständigen Land Salzburg“, so Wagner.


Abschaffung Notstandshilfe und Überführung in Mindestsicherung

Die Stadtverantwortlichen kritisieren, dass hier nach wie vor konkrete Informationen fehlten, zumal sich die Bundesregierung selbst nicht eins sei, wie dieses Thema im Detail aussehen solle. Die Ankündigung an sich bedeute schon eine Zäsur.

Wissenswert dabei:

• Notstandshilfe ist eine Versicherungsleistung aus der Arbeitslosenversicherung – dafür wurden Beiträge entrichtet und diese damit finanziert. Zuständig ist der Bund.
• Mindestsicherung ist eine Fürsorgeleistung. Sie wird aus Steuermitteln finanziert. Im Falle Salzburgs zuständig: zu je 50 Prozent Stadt und Land.

Sollte die Umstellung kommen würde das dreierlei bewirken:

1. Verschlechterung für die Betroffenen: Die Mindestsicherung ist subsidiär. Das heißt, im Vorfeld muss vorhandenes Vermögen zwingend eingesetzt werden. Die Arbeitsmarktintegration wird erschwert (weg vom AMS) Verlust von Versicherungszeiten in der Pensionsversicherung.
2. Massive Kostenverschiebung zu Lasten der Länder und Städte und Gemeinden
3. Massive Verschiebung von Arbeit (Zuständigkeit Bund) in Richtung Länder bzw. Gemeinden

Winfried Wagner: „Allein in der Stadt Salzburg gibt es aktuell im Schnitt 2.000 Notstandshilfebezieher*innen. Diese würden auf einen Schlag vom Sozialamt der Stadt Salzburg betreut werden müssen. Dort werden aber bereits rund 5.000 Bezieher*innen der Bedarfsorientierten Mindestsicherung verwaltet. Das würde also unmittelbar 40 Prozent mehr Arbeit bedeuten, was mit der aktuellen räumlichen und personellen Kapazität nicht machbar ist. Da sind extrem lange Wartezeiten und weitere soziale Probleme vorprogrammiert.“

Sozial-Vizebürgermeisterin Anja Hagenauer: „Diese Maßnahme wird von uns daher strikt abgelehnt. Ich bin froh, dass sich bereits über die Parteigrenzen hinweg Widerstand formiert. Vom Vorarlberger Landeshauptmann Markus Wallner (ÖVP) über den Salzburger Landesrat Heinrich Schellhorn (Grüne) bis zu diversen FPÖ-Landesräten sprechen sich alle dagegen aus. Da werden wir uns mit allen zusammentun und entschlossen dagegen auftreten.“

Geplante Großquartiere für Asylwerber

„Der Wahnsinn schlechthin und integrationspolitischer Humbug“, das sind die geplanten Großquartiere für Asylwerber für Salzburgs Vizebürgermeisterin. Die weitere Ankündigung der Regierung während des aufrechten Asylverfahrens keine „aufenthaltsverfestigenden“ Maßnahmen zulassen zu wollen, verhöhne die betroffenen Menschen und schaffe Probleme anstatt sie zu lösen.

Hagenauer zeigte sich froh, dass Salzburgs Landesrätin Martina Berthold aber auch Landeshauptmann Hans Niessl aus dem Burgenland hier bereits klar Stellung bezogen haben. „Das mag die Bevölkerung nicht, das erschwert die Integration. Kleine, überschaubare und gut organisierte Einheiten sind nötig, wo‘s menscheln kann – dann funktioniert es gut“, so Hagenauer.


Quelle: Stadt Salzburg



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