Qualifizierungsoffensive als entscheidender Erfolgsfaktor für Österreichs industrielle Digitalisierung - neue Regierung muss Weichen stellen

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Foto: Plattform Industrie 4.0 Österreich
11 Dez 11:33 2017 von Redaktion Vorarlberg Print This Article

Österreich digitalisierungs- und Industrie 4.0-fit zu machen birgt ein hohes Potenzial für die Unternehmen, die Beschäftigten und die KonsumentInnen. Es ist gleichzeitig eine Herausforderung, der sich Politik, Wirtschaft und Gesellschaft gemeinsam stellen müssen. Eine zentrale Schlüsselrolle kommt dabei der Aus-, Fort- und Weiterbildung zu. Das zeigt eindrucksvoll ein heute durch die Plattform „Industrie 4.0 Österreich“ präsentiertes Ergebnispapier. Insgesamt wurden darin 81 Empfehlungen in sieben Handlungsfeldern von ExpertInnen erarbeitet. Bundesminister Jörg Leichtfried, AK Präsident Rudi Kaske, Metalltechnische Industrie-Fachverbandsobmann Christian Knill und Plattform „Industrie 4.0 Österreich“-Vorstandsvorsitzender Kurt Hofstädter unterstrichen im Rahmen einer Pressekonferenz am Rande des Jahres-Summit „Industrie 4.0“, dass für die erfolgreiche industrielle Digitalisierung der Fokus auf Bildungsmaßnahmen gesetzt werden muss. Der industrielle Wandel bedarf einer Qualifizierungsoffensive. Und die Weichen müssen rasch gestellt werden – ein Appell, der sich auch an die nächste Regierung richtet.

Bildung ist eines der zentralen Themen im Kontext der industriellen Digitalisierung. Der Bildung und besonders dem Aus- und Weiterbildungsbereich wird eine zentrale Rolle zugesprochen, um neuen Kompetenzanforderungen besser zu begegnen. Ein zukunftsweisender Ansatz für lebenslanges Lernen muss daher ein vorrangiges Ziel der neuen Regierung sein, um die Veränderungen von Industrie 4.0 am Arbeitsmarkt positiv abzubilden. Geeignete Maßnahmen müssen so frühzeitig wie möglich ergriffen werden, um die Qualifikations- und Kompetenzveränderungen bestmöglich als Chance für die Menschen zu nützen. Darin waren sich alle Sprecher am Podium einig.

Arbeitskräfte auf Industrie 4.0 vorbereiten

Infrastrukturminister Jörg Leichtfried dazu: „Beim Schritt in die Industrie 4.0 werden alte Jobs wegfallen und es werden neue dazukommen. Der Schlüssel heißt Ausbildung. Wir müssen unsere Arbeitskräfte auf die Industrie 4.0 vorbereiten. Das ist der Auftrag an die neue schwarz-blaue Regierung. Sie muss dafür sorgen, dass unsere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nicht unter die Räder kommen. Daran werden wir sie messen.“

Ausbildung ist Schutzimpfung am Weg zum digitalen Wandel

Für AK Präsident Rudi Kaske wirkt eine gute Ausbildung wie eine „Schutzimpfung“, die hilft, Veränderungsprozesse wie den digitalen Wandel zu bewältigen. Wichtig sei dabei, dass alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mitgenommen werden. Daher sieht er das Thema Qualifizierung als einen Dreh- und Angelpunkt. Kaske gab einen kurzen Überblick über die Ergebnisse einer ExpertInnengruppe der Plattform „Industrie 4.0 Österreich“, die sich mit dem Thema Qualifizierung beschäftigt hat und 81 Empfehlungen erarbeitete. „Das Ziel ist ganz klar: Wir müssen die richtigen Maßnahmen setzen, damit wir Österreich und seine Beschäftigten digitalisierungs- und Industrie 4.0-fit machen“. Und: Aus- und Weiterbildung braucht Zeit und sie muss für alle leistbar und zugänglich sein – im digitalen Wandel mehr denn je. „Da braucht es ein System der neuen Chancen“, so AK Präsident Rudi Kaske.

81 Experten-Empfehlungen für Schule, berufliche Erst- und Weiterbildung

Die Plattform „Industrie 4.0 Österreich“ hat untersucht, welche Anforderungen sich aus der Anwendung von Industrie 4.0 an Aus-, Fort- und Weiterbildung in Österreich ergeben. Eine ExpertInnengruppe wurde initiiert und hat in den vergangenen Monaten an einem Ergebnispapier gearbeitet. In einem breiten Prozess wurden Zukunftsszenarien analysiert und insgesamt mehr als 80 Vorschläge in sieben definierten Handlungsfeldern formuliert. Als Stellschrauben für die positive Umsetzung von Industrie 4.0 gelten die Kombination alter und neuer Lerninhalte – Stichwort digitale Kompetenz – genauso wie die Flexibilisierung der Lernorte und modulartige Aus- und Weiterbildungsangebote. Für die Implementierung müssen die notwendigen finanziellen und institutionellen Rahmenbedingungen optimiert werden – nur so kann lebenslanges Lernen für die breite Bevölkerung ermöglicht werden. Kooperationen zwischen Wirtschaft und Bildungseinrichtungen eröffnen neue Möglichkeiten für eine bessere Vermittlung nachgefragter Kompetenzen. Traditionelle Rollenbilder werden durch Industrie 4.0 aufgebrochen: Frauen werden durch die abnehmende Bedeutung von physischer Kraft in der Produktion steigende Karrierechancen prognostiziert. Das Papier umfasst Handlungsvorschläge für Politik, Unternehmen und Bildungsträger. Es geht um geeignete Maßnahmen, um die zukünftigen Qualifikations- und Kompetenzanforderungen bestmöglich zu erfüllen.

Industrie 4.0 als Wachstums- und Innovationstreiber

Österreich ist ein Industrieland, knapp ein Viertel der jährlichen Wertschöpfung wird von produzierenden Unternehmen erwirtschaftet. Österreich ist gleichermaßen ein Technologieland, das 3,14 Prozent des BIP in Forschung und Entwicklung investiert. „Diese beiden Faktoren bringen, gerade wenn man von der Umstellung auf Industrie 4.0 spricht, enorme Vorteile für den Wirtschaftsstandort Österreich. Wir sehen das als Chance, Fertigungsprozesse zu redesignen und a la longue wieder ins Land zurückzuholen“, so Christian Knill, Obmann des Fachverbandes Metalltechnische Industrie (FMTI). Bis 2020 will die produzierende Industrie laut Prognosen rund 4 Prozent ihres Umsatzes also rund 4 Mrd. Euro in die Digitalisierung investieren. „Industrie 4.0 ist ein Investitions- und Wachstumstreiber für die heimische Wirtschaft. Bis dahin sind aber noch viele wichtige Themen zu bearbeiten wie die Entwicklung neuer Geschäftsmodelle und der große Bereich der Datensicherheit und Safety“, so Knill. „In der Plattform ‚Industrie 4.0 Österreich‘ arbeiten neue ExpertInnengruppen in diesen Bereichen daran, dass der Industriestandort Österreich mit innovativen Lösungsansätzen wettbewerbsfähig bleibt.“

Architekten der industriellen Digitalisierung

Plattform „Industrie 4.0 Österreich“-Vorstandsvorsitzender Kurt Hofstädter verweist auf das solide Fundament, das im zweijährigen Bestehen der Plattform gelegt wurde. „Wir verstehen uns als Architekten der industriellen Digitalisierung. Gemeinsam mit unseren Mitgliedern fügen wir Byte um Byte zusammen und programmieren die digitale Revolution aktiv mit.“ Dies gelinge, indem sich Politik, Wirtschaft, Arbeitnehmer, Wissenschaft und Bildungseinrichtungen vernetzen und in alle Initiativen eingebunden sind – ein Ansatz, der weltweit einzigartig sei. Im Mittelpunkt aller Aktivitäten stehe der Mensch, denn „unsere ExpertInnengruppen legen Wert darauf, dass dieser gesellschaftliche Wandel nachhaltig ist“, so Hofstädter weiter. Der diesjährige Summit in St. Pölten sei als „Gipfeltreffen der Industrie 4.0-Ideen“ die perfekte Möglichkeit einen fundierten Einblick zu bekommen, meint Hofstädter. Die Plattform ist zu einem anerkannten Player geworden, wie auch die Steigerung der Mitgliederzahl um mehr als ein Drittel im Vergleich zum Vorjahr belegt. Mit dem Ausbau der Initiativen und der weiteren internationalen Vernetzung soll der erfolgreiche Weg auch 2018 konsequent fortgesetzt werden.

Zweite Jahreskonferenz der Plattform „Industrie 4.0 Österreich“

Der zweite Summit Industrie 4.0 Österreich fand am 11. Dezember 2017 in der AK Niederösterreich in St. Pölten statt. Unter dem Motto „Vernetzen. Kooperieren. Digitalisieren.“ wurden aktuelle Projekte und Ergebnisse der Plattform „Industrie 4.0 Österreich“ dem Publikum vorgestellt und mit Experten und Gästen über Digitalisierung diskutiert.

Als prominente Keynote-Speaker konnten Wittgenstein-Preisträger Prof. Hanns-Christoph Nägerl (Uni Innsbruck), der über die Faszination der Quantenphysik sprach, sowie Prof. Isabell Welpe (TU München) mit einem Vortrag über „Disruptive Transformationen in Arbeitsorganisation und Führung“ gewonnen werden. Weiters wurden konkrete Bildungs-, Forschungs- und Digitalisierungsprojekte aus ganz Österreich sowie die nationale französische Digitalisierungsplattform und ihr digitales Ökosystem vorgestellt.


Über die Plattform „Industrie 4.0 Österreich“

Die Initiative hat sich seit ihrer Gründung 2015 durch das Infrastrukturministerium gemeinsam mit dem Fachverband der Elektro- und Elektronikindustrie (FEEI), dem Fachverband der Metalltechnische Industrie (FMTI), der Arbeiterkammer (AK), der Industriellenvereinigung (IV) sowie der Produktionsgewerkschaft (PRO-GE) zu einem etablierten Kompetenzträger zum Thema Industrie 4.0 entwickelt.

Der Verein setzt Aktivitäten, um eine dynamische Entwicklung des österreichischen Produktionssektors zu sichern, Forschung, Innovation und Qualifikation zu forcieren, zu einer qualitätsvollen Arbeitswelt sowie zu einem hohen Beschäftigungsniveau beizutragen. Das Ziel ist, die neuen technologischen Entwicklungen und Innovationen der Digitalisierung bestmöglich für Unternehmen und Beschäftigte zu nutzen und den Wandel für die Gesellschaft sozialverträglich zu gestalten.

Durch enge Zusammenarbeit mit nationalen und internationalen Experten, Pilotprojekte wie den „Industrie 4.0-Check“ für Unternehmen oder Handlungsvorschläge, z.B. zum Thema Qualifikation und Kompetenzen, wird interdisziplinäre Arbeit geleistet, um die Chancen der Digitalisierung bestmöglich und sozial verträglich in Österreich zu nutzen. Inzwischen sind mehr als 40 Institutionen aus ganz Österreich Plattformmitglied – von Industriebetrieben über Forschungseinrichtungen bis hin zu Interessenvertretungen.


Quelle: Plattform „Industrie 4.0 Österreich“



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Chefredakteur von Regionews Vorarlberg

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