OÖ - EUGH-Entscheidung stärkt internationale Saatgutmultis

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Foto: Landwirtschaftskammer OÖ
28 Jul 12:00 2018 von Redaktion Salzburg Print This Article

„Es ist zur Kenntnis zu nehmen, aber trotzdem bedauerlich, dass der Europäische Gerichtshof – anders als ursprünglich erwartet – die neuen Züchtungsmethoden nunmehr als Gentechnik einstufen wird. Diese Entscheidung bringt insbesondere die im internationalen Vergleich kleinen heimischen Saatzuchtunternehmen unter Druck und erhöht damit die Abhängigkeit der bäuerlichen Landwirtschaft von den großen internationalen Saatgutmultis, kommentiert LK-Präsident ÖR Ing. Franz Reisecker die gestrige EuGH-Entscheidung.

Pflanzenzüchtung wird Schlüsseltechnologie

Das heurige Jahr hat uns gezeigt, unter welchen Bedingungen die Land- und Forstwirtschaft künftig wird leben müssen. Die klimatischen Herausforderungen werden größer werden, der Schädlingsdruck steigt dramatisch und die bisherigen Möglichkeiten der Korrektur (Pflanzenschutz) werden zunehmend auch eingeschränkt. Unter diesen Auspizien wird Pflanzenzüchtung einmal mehr zur Schlüsseltechnologie. Wollte man mit der Entscheidung die Großen der Branche treffen, ist der Schuss in die falsche Richtung gegangen. Denn die komplexen gentechnischen Zulassungsverfahren, die nunmehr auch für die neuen Züchtungstechnologien der punktgenauen Mutagenese gelten werden, schaffen – wenn überhaupt – nur die großen Branchenkonzerne. Kleine oder auch mittelständische Züchter werden ausgesperrt, der Konzentrationsprozess in der Pflanzenzüchtung wird sich beschleunigen. Die Abhängigkeit bei Saatgut von wenigen globalen Anbietern wird sich zwangsläufig verschärfen.

Pflanzenzüchtung braucht Zeit

Mit und ohne neue Züchtungstechniken ist Pflanzenzüchtung eine komplexe langwierige Aufgabe. Von der Basisarbeit im Zuchtgarten bis zur fertigen Sorte vergehen oft zehn bis fünfzehn Jahre. Biegt man falsch ab – und die aktuelle Entscheidung die neuen Züchtungstechniken als Gentechnik einzustufen könnte sich als gravierende Fehlentscheidung herausstellen – ist der Weg zurück sehr schwierig.

Parallele zu Haberlandt?

In diesen Tagen werden die Verdienste des österreichischen Agrarwissenschaftlers Friedrich Haberlandt gewürdigt. Haberlandt hat in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts die Sojabohne – eine damals völlig fremde und neue Kulturpflanze nach Österreich und Europa gebracht. Seine wissenschaftliche und sehr fortschrittsorientierte Arbeit wird heute überall gewürdigt – auch als Basis der österreichischen oder europäischen Eiweißstrategie. Hätte Haberlandt seine Forschungen in der heutigen Zeit angelegt, wäre er wohl von den Regulierungsbehörden massiv behindert worden.

EU-Landwirtschaft könnte Anschluss verpassen

„Mit dieser Entscheidung läuft die EU-Landwirtschaft Gefahr in der Pflanzenzüchtung bei der Bewältigung der Anforderungen des Klimawandels, des Auftretens neuer Schädlinge bzw. der Krankheitsresistenz von Nutzpflanzen international deutlich zurück zu fallen. Die neuen Züchtungsverfahren stellen gegenüber der klassischen Gentechnik eine deutliche Verbesserung dar. Mit der nunmehrigen Entscheidung können diese Chancen nicht genutzt werden. Das bestehende EU-Gentechnikrecht aber auch das nationale Gentechnikgesetz müssen vor diesem Hintergrund dringend auf ihre Zukunftsfähigkeit überprüft werden“, fordert LK-Präsident Franz Reisecker.


Quelle: Landwirtschaftskammer Oberösterreich



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